ETH beendet sesam-co-finanzierte Auswertung von Affenversuchen
[Bild: ETHZ. Originalbildlegende: "Ein Weissbüscheläffchen bei der Arbeit am Touchscreen. Im Hintergrund sein Heimkäfig."] (baz, heute) Versuche am ETH-Labor für Verhaltensneurobiologie, die an Weissbüscheläffchen (Marmosetten) Ursachen der Depression erforschen sollten, werden eingestellt. Das wurde gestern von «ETH Life» bestätigt. Grund dafür sei nicht die Kritik in Zürcher Medien, sondern der Umstand, dass Versuchsleiter Christopher Pryce in die Privatwirtschaft wechsle. Bei den Versuchen wurden junge Äffchen von ihren Müttern getrennt, um die Entstehung von Depressionen aufgrund von «Early Life Stress» zu untersuchen. Das Projekt wurde vom «Basler» NFS-Schwerpunktprogramm Sesam mitfinanziert.
Das von Sesam co-finanzierte Projekt scheint ein Folge- oder Subprojekt davon zu sein resp. gewesen zu sein:
Effects of early-life deprivation on development of emotion and cognition in monkeys and rats; funded by SNF, Novartis Pharma AG, University of Surrey UK, Wellcome Trust; 2000
Ein Gang ins Archiv brachte als ersten Artikel der "kritisierenden Zürcher Medien" diesen zum Vorschein:
Tages-Anzeiger; 20.07.2005
Umstrittener Tierversuch
An der ETH macht man Affen depressiv. Die Forscher wollen so ein Tiermodell entwickeln, das bei der Therapie von menschlichen Depressionen helfen soll.
Von Felix Maise
Marmosets sind es, die im Labor für Verhaltensneurobiologie der ETH in Schwerzenbach für die Grundlagenforschung im Bereich der Depressionsforschung eingesetzt werden. Marmosets sind kleine Krallenaffen, die ursprünglich aus den Wäldern Südamerikas stammen. Im Schwerzenbacher Labor arbeitet man mit Äffchen aus eigener Nachzucht. Über 70 sind in zwei aktuellen Versuchen eingespannt. Seit fünf Jahren testet man zum einen die neurobiologischen Auswirkungen der gewaltsamen, zeitweisen Trennung von Affenbabys von ihren Müttern. (...)
Anscheinend war den Zürcher Bewilligungsinstanzen aber doch nicht ganz wohl bei der Sache. Inzwischen ist auf deren Wunsch eine Experten-Arbeitsgruppe des Bundes daran, am Beispiel des Mutter-Kind-Trennungsversuchs die ganze Problematik der Primatenversuche aufzurollen, wie Recherchen des TA ergeben haben. Drei Mitglieder aus der Eidgenössischen Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und drei Mitglieder der Eidgenössischen Tierversuchskommission nahmen den Versuch des ETH-Neurobiologen Christopher Pryce an mehreren Sitzungen genauer unter die Lupe. Derzeit wird ein Schlussbericht verfasst, der zuerst in die beiden Fachkommissionen und dann an den Bundesrat geht. Ziel ist es, erstmals Richtlinien für den heiklen Bereich der Primatenversuche aufzustellen. (...)
Vom 2. bis zum 28. Tag ihres Lebens werden die ganz auf ihre Mütter fixierten Affenbabys jeweils zwischen 30 und 120 Minuten pro Tag gewaltsam von diesen getrennt, und zwar zu immer anderen Tageszeiten. Von den Menschen weiss man, dass es eine enge Korrelation zwischen frühkindlichen Deprivationserfahrungen und Depressionen gibt. Ziel ist es, ein Tiermodell für Therapieformen von Depression beim Menschen zu entwickeln. Der Affenversuch gehört allerdings zur Grundlagenforschung: Die unmittelbare therapeutische Anwendung der Ergebnisse stehe deshalb nicht im Vordergrund, sagt Pryce. An diesem Punkt setzt die Kritik tierversuchskritischer Fachleute an: Franz C. Gruber, Fachtierarzt für Versuchstierkunde, Geschäftsführer der Stiftung Fonds für versuchstierfreie Forschung und einer der von der Bundes-Arbeitsgruppe befragten Fachleute, zweifelt grundsätzlich am Sinn des Experiments. Seit Jahren würden vergleichbare Deprivationsversuche mit andern Tierarten durchgeführt, ohne dass aus den Resultaten bis heute ein praktischer therapeutischer Nutzen entstanden sei. (...)
Margrit Bühler, Zürcher Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, hält den Versuch schlicht für überflüssig. «Das Phänomen der Depression nach Deprivationen ist beim Menschen schon so gut erforscht, dass es den Tierversuch dafür gar nicht braucht», sagt sie. Geschädigte Kinder aus rumänischen Kinderheimen zum Beispiel seien in der jüngsten Vergangenheit genau darauf untersucht worden. Den Forschungsansatz der Zürcher Neurobiologen hält sie im Übrigen für eindimensional, viel zu undifferenziert und zu mechanistisch.
Auch Tierversuchsfachfrau Norma Schenkel, die als Vertreterin des Schweizer Tierschutzes STS in der Eidgenössischen Tierversuchskommission sitzt, hält das Experiment mit den Marmosets für nicht vertretbar. Der mögliche Erkenntnisgewinn stehe in keinem Verhältnis zum Leiden der Äffchen, findet sie. Dass das Projekt vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird, stört sie dabei besonders. «Der STS fordert seit Jahren ein Verbot von Tierversuchen mit Primaten und ein solches für schwer belastende Versuche in der Grundlagenforschung», sagt sie.
Auch die Primaten-Arbeitsgruppe des Bundes beurteilt den Versuch kritisch. Beat Sitter, Professor für praktische Philosophie an der Uni Freiburg und Mitglied der Primaten-AG, mag zum Endergebnis der Diskussionen im Fachgremium zwar noch nichts sagen. Aus seiner persönlichen Einschätzung aber macht er kein Geheimnis. «Für mich ist der Versuch ethisch nicht vertretbar, weil er empfindsame Tiere für einen fraglichen Versuchszweck nachhaltig und lebenslänglich schädigt. In Zürich sah man das vor zwei Jahren anders, als man den Versuch bewilligte.
Das "Zürcher Medium" SonntagsZeitung meldete in seiner jüngsten Ausgabe am 19.2.2006 schliesslich in diesen Worten, was die baz heute rapportiert:
An der ETH Zürich gibt es ab Ende Februar keine Affenversuche mehr. «Christopher Pryce verlässt die ETH Zürich, und seine Forschungsarbeit mit Affen wird nicht weitergeführt», bestätigt ETH-Sprecher Rolf Probala. Der Depressionsversuch mit zwanzig Weissbüscheläffchen war der einzige an der ETH und wurde von Tierschützern kritisiert. Die Affenbabys waren immer wieder von ihren Müttern getrennt worden. Sie litten noch Monate später unter hohem Blutdruck.
Der Nationalfonds verlängerte 2005 das 335 000-Franken-Projekt um weitere drei Jahre. Pryce schliesst den Versuch vorzeitig ab, weil er als Laborleiter zu einem deutschen Pharmaunternehmen wechselt. Bis jetzt hat die ETH Zürich keinen Forscher gefunden, der seine Arbeit fortsetzt.
Das von Sesam co-finanzierte Projekt scheint ein Folge- oder Subprojekt davon zu sein resp. gewesen zu sein:
Effects of early-life deprivation on development of emotion and cognition in monkeys and rats; funded by SNF, Novartis Pharma AG, University of Surrey UK, Wellcome Trust; 2000
Ein Gang ins Archiv brachte als ersten Artikel der "kritisierenden Zürcher Medien" diesen zum Vorschein:
Tages-Anzeiger; 20.07.2005
Umstrittener Tierversuch
An der ETH macht man Affen depressiv. Die Forscher wollen so ein Tiermodell entwickeln, das bei der Therapie von menschlichen Depressionen helfen soll.
Von Felix Maise
Marmosets sind es, die im Labor für Verhaltensneurobiologie der ETH in Schwerzenbach für die Grundlagenforschung im Bereich der Depressionsforschung eingesetzt werden. Marmosets sind kleine Krallenaffen, die ursprünglich aus den Wäldern Südamerikas stammen. Im Schwerzenbacher Labor arbeitet man mit Äffchen aus eigener Nachzucht. Über 70 sind in zwei aktuellen Versuchen eingespannt. Seit fünf Jahren testet man zum einen die neurobiologischen Auswirkungen der gewaltsamen, zeitweisen Trennung von Affenbabys von ihren Müttern. (...)
Anscheinend war den Zürcher Bewilligungsinstanzen aber doch nicht ganz wohl bei der Sache. Inzwischen ist auf deren Wunsch eine Experten-Arbeitsgruppe des Bundes daran, am Beispiel des Mutter-Kind-Trennungsversuchs die ganze Problematik der Primatenversuche aufzurollen, wie Recherchen des TA ergeben haben. Drei Mitglieder aus der Eidgenössischen Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und drei Mitglieder der Eidgenössischen Tierversuchskommission nahmen den Versuch des ETH-Neurobiologen Christopher Pryce an mehreren Sitzungen genauer unter die Lupe. Derzeit wird ein Schlussbericht verfasst, der zuerst in die beiden Fachkommissionen und dann an den Bundesrat geht. Ziel ist es, erstmals Richtlinien für den heiklen Bereich der Primatenversuche aufzustellen. (...)
Vom 2. bis zum 28. Tag ihres Lebens werden die ganz auf ihre Mütter fixierten Affenbabys jeweils zwischen 30 und 120 Minuten pro Tag gewaltsam von diesen getrennt, und zwar zu immer anderen Tageszeiten. Von den Menschen weiss man, dass es eine enge Korrelation zwischen frühkindlichen Deprivationserfahrungen und Depressionen gibt. Ziel ist es, ein Tiermodell für Therapieformen von Depression beim Menschen zu entwickeln. Der Affenversuch gehört allerdings zur Grundlagenforschung: Die unmittelbare therapeutische Anwendung der Ergebnisse stehe deshalb nicht im Vordergrund, sagt Pryce. An diesem Punkt setzt die Kritik tierversuchskritischer Fachleute an: Franz C. Gruber, Fachtierarzt für Versuchstierkunde, Geschäftsführer der Stiftung Fonds für versuchstierfreie Forschung und einer der von der Bundes-Arbeitsgruppe befragten Fachleute, zweifelt grundsätzlich am Sinn des Experiments. Seit Jahren würden vergleichbare Deprivationsversuche mit andern Tierarten durchgeführt, ohne dass aus den Resultaten bis heute ein praktischer therapeutischer Nutzen entstanden sei. (...)
Margrit Bühler, Zürcher Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, hält den Versuch schlicht für überflüssig. «Das Phänomen der Depression nach Deprivationen ist beim Menschen schon so gut erforscht, dass es den Tierversuch dafür gar nicht braucht», sagt sie. Geschädigte Kinder aus rumänischen Kinderheimen zum Beispiel seien in der jüngsten Vergangenheit genau darauf untersucht worden. Den Forschungsansatz der Zürcher Neurobiologen hält sie im Übrigen für eindimensional, viel zu undifferenziert und zu mechanistisch.
Auch Tierversuchsfachfrau Norma Schenkel, die als Vertreterin des Schweizer Tierschutzes STS in der Eidgenössischen Tierversuchskommission sitzt, hält das Experiment mit den Marmosets für nicht vertretbar. Der mögliche Erkenntnisgewinn stehe in keinem Verhältnis zum Leiden der Äffchen, findet sie. Dass das Projekt vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird, stört sie dabei besonders. «Der STS fordert seit Jahren ein Verbot von Tierversuchen mit Primaten und ein solches für schwer belastende Versuche in der Grundlagenforschung», sagt sie.
Auch die Primaten-Arbeitsgruppe des Bundes beurteilt den Versuch kritisch. Beat Sitter, Professor für praktische Philosophie an der Uni Freiburg und Mitglied der Primaten-AG, mag zum Endergebnis der Diskussionen im Fachgremium zwar noch nichts sagen. Aus seiner persönlichen Einschätzung aber macht er kein Geheimnis. «Für mich ist der Versuch ethisch nicht vertretbar, weil er empfindsame Tiere für einen fraglichen Versuchszweck nachhaltig und lebenslänglich schädigt. In Zürich sah man das vor zwei Jahren anders, als man den Versuch bewilligte.
Das "Zürcher Medium" SonntagsZeitung meldete in seiner jüngsten Ausgabe am 19.2.2006 schliesslich in diesen Worten, was die baz heute rapportiert:
An der ETH Zürich gibt es ab Ende Februar keine Affenversuche mehr. «Christopher Pryce verlässt die ETH Zürich, und seine Forschungsarbeit mit Affen wird nicht weitergeführt», bestätigt ETH-Sprecher Rolf Probala. Der Depressionsversuch mit zwanzig Weissbüscheläffchen war der einzige an der ETH und wurde von Tierschützern kritisiert. Die Affenbabys waren immer wieder von ihren Müttern getrennt worden. Sie litten noch Monate später unter hohem Blutdruck.
Der Nationalfonds verlängerte 2005 das 335 000-Franken-Projekt um weitere drei Jahre. Pryce schliesst den Versuch vorzeitig ab, weil er als Laborleiter zu einem deutschen Pharmaunternehmen wechselt. Bis jetzt hat die ETH Zürich keinen Forscher gefunden, der seine Arbeit fortsetzt.
patpatpat - 23. Feb, 11:05