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Donnerstag, 23. Februar 2006

ETH beendet sesam-co-finanzierte Auswertung von Affenversuchen

marmoset von pryce[Bild: ETHZ. Originalbildlegende: "Ein Weissbüscheläffchen bei der Arbeit am Touchscreen. Im Hintergrund sein Heimkäfig."] (baz, heute) Versuche am ETH-Labor für Verhaltensneurobiologie, die an Weissbüscheläffchen (Marmosetten) Ursachen der Depression erforschen sollten, werden eingestellt. Das wurde gestern von «ETH Life» bestätigt. Grund dafür sei nicht die Kritik in Zürcher Medien, sondern der Umstand, dass Versuchsleiter Christopher Pryce in die Privatwirtschaft wechsle. Bei den Versuchen wurden junge Äffchen von ihren Müttern getrennt, um die Entstehung von Depressionen aufgrund von «Early Life Stress» zu untersuchen. Das Projekt wurde vom «Basler» NFS-Schwerpunktprogramm Sesam mitfinanziert.

Das von Sesam co-finanzierte Projekt scheint ein Folge- oder Subprojekt davon zu sein resp. gewesen zu sein:

Effects of early-life deprivation on development of emotion and cognition in monkeys and rats; funded by SNF, Novartis Pharma AG, University of Surrey UK, Wellcome Trust; 2000

Ein Gang ins Archiv brachte als ersten Artikel der "kritisierenden Zürcher Medien" diesen zum Vorschein:

Tages-Anzeiger; 20.07.2005
Umstrittener Tierversuch
An der ETH macht man Affen depressiv. Die Forscher wollen so ein Tiermodell entwickeln, das bei der Therapie von menschlichen Depressionen helfen soll.
Von Felix Maise
Marmosets sind es, die im Labor für Verhaltensneurobiologie der ETH in Schwerzenbach für die Grundlagenforschung im Bereich der Depressionsforschung eingesetzt werden. Marmosets sind kleine Krallenaffen, die ursprünglich aus den Wäldern Südamerikas stammen. Im Schwerzenbacher Labor arbeitet man mit Äffchen aus eigener Nachzucht. Über 70 sind in zwei aktuellen Versuchen eingespannt. Seit fünf Jahren testet man zum einen die neurobiologischen Auswirkungen der gewaltsamen, zeitweisen Trennung von Affenbabys von ihren Müttern. (...)
Anscheinend war den Zürcher Bewilligungsinstanzen aber doch nicht ganz wohl bei der Sache. Inzwischen ist auf deren Wunsch eine Experten-Arbeitsgruppe des Bundes daran, am Beispiel des Mutter-Kind-Trennungsversuchs die ganze Problematik der Primatenversuche aufzurollen, wie Recherchen des TA ergeben haben. Drei Mitglieder aus der Eidgenössischen Ethikkommission für die Gentechnik im ausserhumanen Bereich (EKAH) und drei Mitglieder der Eidgenössischen Tierversuchskommission nahmen den Versuch des ETH-Neurobiologen Christopher Pryce an mehreren Sitzungen genauer unter die Lupe. Derzeit wird ein Schlussbericht verfasst, der zuerst in die beiden Fachkommissionen und dann an den Bundesrat geht. Ziel ist es, erstmals Richtlinien für den heiklen Bereich der Primatenversuche aufzustellen. (...)
Vom 2. bis zum 28. Tag ihres Lebens werden die ganz auf ihre Mütter fixierten Affenbabys jeweils zwischen 30 und 120 Minuten pro Tag gewaltsam von diesen getrennt, und zwar zu immer anderen Tageszeiten. Von den Menschen weiss man, dass es eine enge Korrelation zwischen frühkindlichen Deprivationserfahrungen und Depressionen gibt. Ziel ist es, ein Tiermodell für Therapieformen von Depression beim Menschen zu entwickeln. Der Affenversuch gehört allerdings zur Grundlagenforschung: Die unmittelbare therapeutische Anwendung der Ergebnisse stehe deshalb nicht im Vordergrund, sagt Pryce. An diesem Punkt setzt die Kritik tierversuchskritischer Fachleute an: Franz C. Gruber, Fachtierarzt für Versuchstierkunde, Geschäftsführer der Stiftung Fonds für versuchstierfreie Forschung und einer der von der Bundes-Arbeitsgruppe befragten Fachleute, zweifelt grundsätzlich am Sinn des Experiments. Seit Jahren würden vergleichbare Deprivationsversuche mit andern Tierarten durchgeführt, ohne dass aus den Resultaten bis heute ein praktischer therapeutischer Nutzen entstanden sei. (...)
Margrit Bühler, Zürcher Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, hält den Versuch schlicht für überflüssig. «Das Phänomen der Depression nach Deprivationen ist beim Menschen schon so gut erforscht, dass es den Tierversuch dafür gar nicht braucht», sagt sie. Geschädigte Kinder aus rumänischen Kinderheimen zum Beispiel seien in der jüngsten Vergangenheit genau darauf untersucht worden. Den Forschungsansatz der Zürcher Neurobiologen hält sie im Übrigen für eindimensional, viel zu undifferenziert und zu mechanistisch.
Auch Tierversuchsfachfrau Norma Schenkel, die als Vertreterin des Schweizer Tierschutzes STS in der Eidgenössischen Tierversuchskommission sitzt, hält das Experiment mit den Marmosets für nicht vertretbar. Der mögliche Erkenntnisgewinn stehe in keinem Verhältnis zum Leiden der Äffchen, findet sie. Dass das Projekt vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird, stört sie dabei besonders. «Der STS fordert seit Jahren ein Verbot von Tierversuchen mit Primaten und ein solches für schwer belastende Versuche in der Grundlagenforschung», sagt sie.
Auch die Primaten-Arbeitsgruppe des Bundes beurteilt den Versuch kritisch. Beat Sitter, Professor für praktische Philosophie an der Uni Freiburg und Mitglied der Primaten-AG, mag zum Endergebnis der Diskussionen im Fachgremium zwar noch nichts sagen. Aus seiner persönlichen Einschätzung aber macht er kein Geheimnis. «Für mich ist der Versuch ethisch nicht vertretbar, weil er empfindsame Tiere für einen fraglichen Versuchszweck nachhaltig und lebenslänglich schädigt. In Zürich sah man das vor zwei Jahren anders, als man den Versuch bewilligte.


Das "Zürcher Medium" SonntagsZeitung meldete in seiner jüngsten Ausgabe am 19.2.2006 schliesslich in diesen Worten, was die baz heute rapportiert:

An der ETH Zürich gibt es ab Ende Februar keine Affenversuche mehr. «Christopher Pryce verlässt die ETH Zürich, und seine Forschungsarbeit mit Affen wird nicht weitergeführt», bestätigt ETH-Sprecher Rolf Probala. Der Depressionsversuch mit zwanzig Weissbüscheläffchen war der einzige an der ETH und wurde von Tierschützern kritisiert. Die Affenbabys waren immer wieder von ihren Müttern getrennt worden. Sie litten noch Monate später unter hohem Blutdruck.
Der Nationalfonds verlängerte 2005 das 335 000-Franken-Projekt um weitere drei Jahre. Pryce schliesst den Versuch vorzeitig ab, weil er als Laborleiter zu einem deutschen Pharmaunternehmen wechselt. Bis jetzt hat die ETH Zürich keinen Forscher gefunden, der seine Arbeit fortsetzt.

Transkript von Frage-Antwort-Teil MK Sesam

Dieses Transkript ist unautorisiert. Die Zitierten haben es nicht gegengelesen. Es folgt im Wortlaut - bis auf minimale Korrekturen im Dienste der Verständlichkeit - dem gesprochenen Wort von Ulrich Gäbler (Rektor Universität Basel), Dieter Imboden (Präsident des Nationalen Forschungsrates) und Jürgen Margraf (Leiter Sesam) an der Medienkonferenz vom 20.2.2006. Sie machten ihre Aussagen vor den versammelten Medienschaffenden, insofern in der Oeffentlichkeit. Die dem Transkript zugrundeliegende Tonspur der Filmaufnahme wird in den nächsten Tagen hier ebenfalls zugänglich sein. Das Transkript liegt identisch hier auch als .pdf-File vor: transkript1 (pdf, 28 KB)

Frage: Meine Frau ist im dritten Monat schwanger. Warum soll meine Familie an sesam teilnehmen?

Margraf: Das haben wir uns natürlich als erstes selbst gefragt. Die Antwort ist, dass es zum einen für Sie, für ihre Frau und dann natürlich für das Kind interessant sein könnte. Zum zweiten, dass es um Fragen geht, die ihre Familie auch direkt angehen, wie alle anderen. Und zum dritten, vielleicht auch - das muss jeder für sich selbst dann gewichten - dass man an etwas teilnimmt, das wirklich von Bedeutung auch für die Gesellschaft und dann für die Zukunft ist.

Frage: Einen konkreten Nutzen habe ich eigenlich nicht?!

Margraf: Die Risiken und der Aufwand müssen in einem Verhältnis zum Nutzen stehen. Den Nutzen kann man beschreiben direkt und indirekt. Der direkte ist der, um den es Ihnen natürlich am meisten geht. Was hab ich selbst davon? Der direkte Nutzen muss dann auch in einem vernünftigen Verhältnis zum Aufwand stehen. Es darf aus ethischen Gründen nicht sein, dass wir für einen geringen Aufwand einen riesigen Nutzen bieten. Dann würden wir Sie möglicherweise zu Dingen verführen können, die sie gar nicht machen mögen. Das muss ausgeglichen sein. Also sprechen wir zuerst über den Aufwand und die Risiken.
Bei den Untersuchungen sind die Risiken minimal pränatal. Es geht eigentlich nur darum, dass die Ultraschall-Untersuchungen, die routinemässig stattfinden, dass man die auch betrachtet im Hinblick auf: "Was ist das eigentlich für ein Mensch?" Denn das ungeborene Kind ist ein Mensch, eine Persönlichkeit. Es ist eher aktiv oder eher passiv. Da wird also nichts zusätzlich abgeleitet oder invasiv gemessen. Der Aufwand berechnet sich insgesamt eher im Bereich von Stunden. Pro Jahr sind das Stunden. Am Anfang ist es etwas mehr, weil der Mensch am Anfang am schnellsten wächst. Später wird es überhaupt nicht jedes Jahr überhaupt zu einer Untersuchung kommen.
Es gibt Erfahrunge mit solchen Studien. Eine grosse vergleichbare Studie ist die ALSPAC Studie in England mit 14'000 Familien. Dort ist es so, dass die Familien mit grosser Begeisterung mitmachen. (...)
Auf der Nutzenseite ist mitzubetrachten die Information. Ich habe selber zwei Kinder. Und kann mich noch sehr genau erinnern, wie es ist, wenn man für so ein kleines Wesen verantwortlich ist und die Hebamme grad nicht im Haus ist. (...) Ein Nutzen ist tatsächlich: Sie kriegen Informationen aus erster Hand. Wie ist das mit dem Schreien, dem Schlafen, dem Füttern und so weiter. Wir haben zwar heute das Internet mit einer riesigen Menge an Informationen, aber es ist schwierig, das zu filtern. Sie werden sehr widersprüchliche Informationen aus dem Netz erhalten. Von uns würden Sie von erfahrenen Leuten beraten. Das ist der Nutzen, den wir anbieten können. Wir können keine grossen Finanzen oder Ähnliches anbieten.

Frage: Sie glauben, dass sie die 3'000 finden?

Margraf: Ich glaube ja. Es gibt zum einen die Erfahrungen der Studie, die ich da zitiert habe. Es gibt ähnliche Studien in der Schweiz. Die Schweiz war das erste Land, in dem überhaupt menschliche Studien zur psychischen Gesundheit durchgeführt worden sind. Teilweise bis zu 37 Jahre, Ciompi habe ich da gezeigt (Verweis auf ein Foto des Psychiaters Luc Ciompi auf einer der Folien von Margraf). Ohne irgendwelche Kompensationen oder Ähnliches. Die Erfahrung zeigt eigentlich, dass die Teilnehmer sehr positiv reagieren.

Frage: Sie haben ausgeführt, Herr Imboden, dass der Nationalfonds im Rahmen seiner Abklärungen Gespräche geführt hat mit der nationalen Ethikkommission und der Ethikkommission beider Basel (EKBB) über ethische Probleme, die sich allenfalls ergeben können. Dann wurde das Gesuch bewilligt und die Einzelprojekte werden erst jetzt, in den nächsten Wochen, der Ethikkommission vorgelegt. Jetzt hat Herr Margraf gleichzeitig gesagt, dass die Projekte sehr vernetzt und interdisziplinär seien. Falls jetzt eine Studie nicht durchführbar sein sollte aufgrund ethischer Bedenken, besteht dann nicht die Gefahr, dass das ganze Projekt einstürzt? Oder anders gesagt: Ist das nicht eine heikle Zusage, die der Nationalfonds auf dieser Ebene machen musste?

Imboden: Zuerst muss ich korrigieren. Ich habe nicht gesagt, dass der Nationalfonds mit diesen beiden Kommissionen gesprochen hat vor der Bewilligung durch den Bundesrat. Das hat Herr Margraf und sein Team getan. Nicht der Nationalfonds. Aber im Rahmen dieser internationalen Experten (internat. Panels beurteilten die Qualität der Gesuche und gaben Empfehlungen ab) haben wir natürlich über die ethischen Fragen diskutiert. Das war ein Teil unserer Entschlussfassung, unserer Entscheide. Und interessanterweise ist beim Projekt von Herrn Margraf von diesen internationalen Experten aufgrund der Dinge, die generell geplant sind, ohne die Details zu kennen, nicht von vornherein gesagt worden, das können wir nicht machen. Bei einem anderen Gesuch, beim Gesuch aus Genf, hat die Expertengruppe klar gesagt, wir sehen klar voraus, dass eines dieser Teilprojekte Schwierigkeiten haben wird. Und dieses Teilprojekt wurde dann wirklich nicht gestartet. Das ist das, was der Nationalfonds gemacht hat.
Jetzt fragen Sie, was geschieht, wenn gewisse Projekte nicht durchgeführt werden können? Diese Frage muss Herr Margraf beantworten. Ich gehe davon aus, dass die Dinge, die hier geplant sind durchaus - ich spreche nicht von den Details, aber in den grossen Zügen - kompatibel sind mit der heutigen Rechtsordnung und auch mit dem, was wir unterdessen wissen, im Entwurf des neuen Humanforschungsgesetzes.
Also, die Ethikkommissionen haben ja auch nicht einfach willkürlich zu entscheiden. Wir wissen in etwa den Rahmen, in dem sie sich mit den Gesuchen auseinandersetzen müssen. Und ich habe mir sagen lassen - in den Diskussionen mit den Ethikkommissionen, die ich seither geführt habe - dass es um sehr viele Details geht, um genau jene Details, wie werden schriftliche Unterlagen abgegeben etc.... Details, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhanden sind, die deswegen von der Ethikkommission noch nicht angeschaut werden konnten.
Nun können Sie fragen, hätte der Nationalfonds nicht sagen sollen, bevor wir nicht alle Bewilligungen haben, geben wir kein grünes Licht. Das kommt mir etwa so vor, wie wenn sie mir vorschlagen würden, ich sollte erst dann ins Wasser gehen, wenn ich weiss, dass ich schwimmen kann. Es gibt gewisse Dinge, die muss man versuchen. Und es hat natürlich immer wieder Situationen gegeben, wo man etwas nicht durchführen konnte. Aber, man kann fahrlässig oder man kann weniger fahrlässig sein. Und ich denke, hier haben wir aufgrund der Kenntnisse, absolut nicht fahrlässig gehandelt, sondern es besteht eine gute Chance, dass generell das Projekt so durchgeführt werden kann, ohne dass wir uns über die Details schon unterhalten haben. Und die möchte ich auch gar nicht präjudizieren. Es geht mir ja nicht darum, sozusagen der Ethikkommission jetzt schon einen Entscheid abzuringen - wie Sie das "netterweise" in Ihrem Artikel geschrieben haben (Seitenhieb an Stefan Stöcklin in der baz). Um das geht es eben gerade nicht.

Frage: Wenn Sie im Laufe der Zeit diese Kinder und Eltern und Grosseltern beobachten, ist dann vorgesehen, dass sie intervenieren? Und ist es nicht so, dass wenn Sie intervenieren, dass sie das Untersuchungsobjekt stören?

Margraf: Sie haben das klassische Dilemma angesprochen bei einer Beobachtungsstudie zwischen beobachten und intervenieren. Hier entsteht natürlich ausserdem noch das Problem, dass, wenn man interveniert, man sich fragen muss: "Auf welcher Basis macht man das?". Hat man eigentlich schon das Wissen, um das begründet zu tun? Beziehungsweise, wenn man das nicht hat, ist es dann ein unkontrolliertes Experiment am Menschen, wenn ich da etwas tue, und sei es auch in guter Absicht? Das ist so das Problemfeld, in dem wir uns bewegen.
Die Studien, die wir machen, sind im wesentlichen keine (?schwer verständlich) Interventionsstudien (?), mit einer Ausnahme, die ich noch erläutern werde, wenn Sie das möchten. Im Wesentlichen geht es bei uns...(akustisch unverständlich).
Grenzen der Beobachtung - vielleicht sollte ich noch sagen - wir treffen im wesentlichen Aussagen nicht über einzelne Menschen. Wir können Aussagen nur auf Gruppenebe machen. Darum braucht es diese Zahl. Wir können nicht für Herr X oder Frau Y direkt etwas sagen. Die Analysen, die wir vorhaben, benötigen die Gruppen. Damit hab ich schon sehr eingeschränkt, was wir sagen können für den einzelnen Menschen. Es geht nicht um eine Lebensberatung oder Ähnliches.
Es gibt aber Dinge, die man feststellen kann, und bei denen man intervenieren muss. Das sind die so genannten Offizialdelikte. Nehmen wir an, ein Mitarbeiter unseres Teams würde in einem Gespräch Informationen bekommen über einen Offizialdelikt, dann muss interveniert werden. Wir würden nicht Hilfe bei einem Suizid oder Ähnlichem verweigern. Da ist es also klar definiert.
Das sind genau die Fragen, die mit den Ethikkommissionen geklärt werden. Da wird ein genaue Richtline erarbeitet, wann was zu geschehen hat. Was wir darüber hinaus noch tun: Dass wir eine Adressliste vorbereiten, um den Menschen, die Probleme haben, dass wir versuchen werden, denen zu helfen, schneller an die richtige Adresse zu kommen. Mehr können wir nicht machen. Und auch da müssen wir vorsichtig sein. Wir dürfen ja nicht Reklame machen für eine bestimmte Einrichtung, eine bestimmte Therapieform, ein bestimmtes Medikament oder Ähnliches. Wir können also wirklich nur den Weg zu den kompetenten Institutionen beschreiben.

Frage: Mein Motiv, teilzunehmen als werdender Vater, ist eigentlich ein altruistisches?

Margraf: Also ich denke im Wesentlichen ist es ein altruistisches. Und das Zweite ist Neugierde. Es gibt jede Menge Menschen, die das interessant finden. Die wissen wollen wie's (?unverständlich?) aussieht. Und erst an dritter Stelle kommt das Argument: Ich bekomme Informationen die auch für mich interessant und nützlich sind. Das muss natürlich jeder für sich abwägen. Im Rahmen des Entwurfes für das Humanforschungsgesetzes und der begleitenden Texte werden dies Punkte auch sehr genau diskutiert und - wie ich finde - sehr kompetent diskutiert. Da wird auch definiert, nach welchen Richtlinien Eltern für ihre Kinder entscheiden dürfen. Dass zum Beispiel Eltern für ihre Kinder nur entscheiden dürfen, wenn minimale Zusatzrisiken entstehen. Sie dürfen nicht grossen Risiken zustimmen. Ich für mich selbst wär bereit, das und das zu tun aus (unverständlich) Motiven, aber für mein Kind muss ich viel zurückhaltender sein. Mir scheint das sehr plausibel. (... unverständlich...)

Frage: Die Studie dauert zwei Jahrzehnte. Und in zwei Jahrzehnten, das wissen wir ja, ändert sich - schneller als bisher - auch die Gesellschaft. Wir werden eine andere demographische Zusammensetzung haben, etc. Inwieweit sind die Aussagen, wenn sie sie nicht allein auf biologische Faktoren, wie Serotonin usw. konzentrieren, inwieweit sind dann die Erkenntnise für die nächste Generation noch aussagekräftig?

Margraf: Ich glaube, sie sind gerade aussagekräftig, weil wir eben diesen Entwicklungsverlauf auch der Gesellschaft darin abbilden. Wir haben ja einen sehr, sehr kompetenten Soziologen im Team, den Johannes Siegrist, und erfassen genau auch die soziale Dimension. Für die erste Phase sind wir natürlich ausgebucht mit der Beobachtung der sehr raschen Entwicklung der Anfänge des Kindes. Aber in der zweiten Phase wollen wir natürlich auch Historiker und Oekonomen dazunehmen, um auch diese Dimensionen dann abzubilden. Und von daher kann man dann erst etwas aussagen. Das heisst, ein Mehrwert dieser Studie ist, dass wir darin das kulturelle Selbstverständnis von drei Generationen ermittelt haben. Und dann wir Aussagen haben, die prospektiv erhoben worden sind. Das ist so wichtig, weil retrospektiv sind wir immer schlauer. Rückblickend reimen wir uns das zusammen. Rückblickend ist für jeden Menschen klar, dass die Griechen Europameister werden mussten, weil Otto Rehagel sie trainiert. Vorher hätten Sie mal da drauf wetten sollen... Rückblickend wussten wir, dass der Kommunismus zusammenbrechen musste, das "konnte ja gar nicht anders gehen". Nachher sind wir immer schlauer. (...) Und darum ist die prospektive Information so wichtig.

Frage: Ich habe 3 Fragen: Machen alle Familien die gleichen Studien? Ist es richtig, dass Roche 6 Millionen bezahlt? Das Humanforschungsgesetz ist ja jetzt in Vernehmlassung; es wurde moniert, dass das ein Präjudiz ist, was sie hier machen.

Gäbler: Ich beantworte die Rochefrage: Es stimmt, die Universtiät hat eine Vereinbarung mit der Firma Roche geschlossen. Die Roche unterstützt Sesam mit 6 Millionen Franken total. In den nächsten 5 Jahren werden jedes Jahr 1,2 Millionen ausbezahlt. In dem Vertrag gibt es keinerlei Bedingungen. Das ist ein so genannter (unverständlich)-Vertrag, mit dem die Grundlagenforschung unterstützt wird. Das einzige ist, wir haben die Roche eingeladen, einen Vertreter der Roche in das wissenschaftliche Beratungsgremium zu entsenden, weil wir uns davon erhoffen, die Erfahrungen der Roche mit klinischer Untersuchung dadurch einbringen zu können. Das wissenschaftliche Beratungsgremium hat keinerlei bestimmenden Einfluss auf die Gestaltung des Projektes. Das ist ein reines Beratungsgremium.

Margraf: Die Struktur dieses nationalen Forschungsschwerpunktes ist so, dass wir da diese Kernstudie haben, mit 3'000 Familien, bei denen wir im Idealfall Kinder bis Grosseltern haben, in anderen Fällen nur Mutter und Kind. Und es gibt da einen Kernbestandteil, das sind die Untersuchungen, die ich ihnen auf der einen Folie mit dem Bild von Mutter und Kind gezeigt habe, die sind bei diesen 3'000 Familien auch immer darin (Folientitel: "Geplante Untersuchungen", Folientext: "Sozial: Soziodemographie, soziale Umwelt, Alltagsleben / Live Chart. Entwicklung: Meilensteine, Schwangerschaft / Geburt, Bindung / Eltern-Kind-Interaktion. Psychologisch: Persönlichkeit, Stress / Bewältigung, Kognition / Gedächtnis. Gesundheit: Schutzfaktoren, medizinische Informationen, psychische Gesundheit." - die Folie davor bestand daraus: "Eine Kernstudie und 12 Einzelstudien", Folientext: "Kernstudie: 3'000 Familien; Schwangerschaft & psychische Gesundheit Holzgreve, Risikoreduktion Bodenmann, Psychobiologie Hellhammer, Familienfunktion Stadlmayr, Bedeutung der Grosseltern Hertwig, Genetik Papassotiropoulos, Dopaminerges System Schächinger Soziale Determinanten Siegrist, Nervensystem & Entwicklung Wilhelm, Elterliches Gedächtnis Schneider, Transgenerationale Risiko-Muster Müller-Spahn, Folgen elterlicher Vernachlässigung bei nicht-menschlichen Primaten Pryce"). Da muss man sehr sorgfältig hinschauen, was man machen kann, damit die Belastung auch nicht zu gross wird. Und zwar Belastung in der Form von Zeitaufwand.
Daneben gibt es dann Teilstudien mit Teil-Stichproben, die mit Teilen dieser 3'000 Familien gemacht werden, weil man zum Beispiel nicht dieser grosse Zahl braucht. Oder - und das ist die Voraussetzung - weil man dadurch die Belastung für die einzelnen geringer halten kann. Beispiel dafür wären etwa Untersuchungen des (? autonomen ?) Nervensystems bei Kindern. Das ist ein wesentlicher Prädiktor für etwas, was man später (unverständlich) nennt.
Es gibt ein Teilprojekt, das eine psychiatrische Patientengeschichte vergleichen möchte mit Menschen aus der Allgemeinbevölkerung. Das ist natürlich sehr wichtig, weil meistens werden nur Patientengeschichten untersucht, und man findet da irgendwas und das ist überhaupt nicht repräsentativ. Also das wären Beispiele.
Das andere mit dem Humanforschungsgesetz und dem Präjudiz, dazu möchte ich auch gern kurz Stellung nehmen. Für weitere Ausführungen wird Ihnen Herr Grob zur Verfügung stehen. Das Humanforschungsgesetz ist ja jetzt im Entwurf in der Vernehmlassung. Und wenn Sie das anschauen - und natürlich tun wir das -, dann finden Sie, dass es eigentlich ganz stark entlang der Linie der europäischen Bioethik-Konvention formuliert ist. Und das ist auch der Rahmen an dem wir uns orientiert haben. Die Formulierung dieses Humanforschungsgesetzes schaffen, so sie denn verabschiedet werden, weitere Rechtsklarheit. (unverständlich) Wir sind ganz froh, dass das auf den Weg gebracht ist. Es ist keinesfalls so, wie das manchmal unterstellt wird, dass wir versuchen, irgendwas zu tun, das von diesem Gesetz dann später mal nicht gedeckt wird. Ganz im Gegenteil. Alles, was wir vorhaben, ist hiermit (weist auf vor ihm liegenden Entwurf des Humanforschungsgesetzes) vollkommen vereinbar.

Imboden: Ich kann vielleicht aus meiner Sicht noch etwas ergänzen. Als dieses Projekt eingegeben worden ist - zuerst als Skizze - war das Humanforschungsgesetz noch in weiter Ferne. Es ist jetzt seit gut einem Monat in einer ersten Vernehmlassung. Wenn man mit Juristen spricht, dann hört man, dass dieses Gesetz kaum vor dem Jahr 2010 oder 2011 in Kraft treten wird. Nun, Gesetze in der Schweiz entstehen - wenn Sie etwas zurückschauen - aufrund von Notwendigkeiten, die quasi geschaffen worden sind oder gewissen Entwicklungen. Hier ein Forschungsprogramm, dort - sagen wir - technische Möglichkeiten, die man vorher nicht hatte. Das ist eigentlich ein normaler Prozess. Aber wenn ein Gesetz noch nicht vorhanden ist, dann heisst das nicht, dass wir in einem rechtsfreien Raum sind. Wir haben natürlich auch heute schon ganz klare Vorschriften, was die Forschung am Menschen betrifft. Das Gesetz wird diese Vorschriften zusammenfassen und klären, gerade auch, was die Forschung über die ganze Schweiz auch betrifft, Zuständigkeiten von Ethikkommissionen abklären. Das ist alles darin vorgesehen. Also die Basis wird eigentlich noch sehr viel besser. Aber für den Nationalfonds war das kein Grund, vor allem aufgrund der damals vollkommen unsicheren Lage, bezüglich des Fahrplans dieses Gesetzes, zu sagen, "wir warten 10 Jahre".
Wir haben jetzt diese Forscher, die bereit sind, ein solches Projekt zu machen. Und der Nationalfonds hat es als seine Pflicht angeschaut, diesen Forschern die Möglichkeit zu geben, mit ihrer Forschung zu beginnen.

Frage: (1. Teil schwer verständlich) Sie haben gesagt, es sei eine Beobachtungsstudie. Es geht um psychische Krankheit und psychische Gesundheit, aber da beeinflusst die Beobachtung natürlich auch das psychische Geschehen der Kinder und der Eltern. Wie gehen Sie methodisch vor, um diesen Einfluss auszufiltern?

Margraf: Zur ersten Frage: Man muss eine klare Definition, klare Regeln finden in Zusammenarbeit mit den Ethikkommissionen. Weil: Man kann auch aus guter Absicht Falsches tun. Ich möchte ein Beispiel geben: Ich habe - persönlich - eine Vorstellung davon, wie Kindererziehung besser oder schlechter ist. (? kur unverständlich ?) Ich denke, es gibt verschiedene Varianten, nicht nur meine. Aber ich habe auch klare Vorstellungen davon, was ich nicht mehr gut finde. Jetzt geh ich für eine Untersuchung in eine Familie und finde, die erziehen schlecht. Soll ich denen sagen "Ihr erzieht schlecht!"? Soll ich vielleicht eine Behörde oder eine Institution rufen, die denen sagt, "Hört, ihr dürft eure Kinder so nicht erziehen!"? (? kurz unverständlich?)
Da muss es einen Bereich geben, wo eine Varianz individueller Meinung da ist. Und wo wir nicht eingreifen können. Das gilt für Kindergärtner, für Pädagogen, das gilt für Jugendpsychologen, Psychotherapeuten... Aber es gibt Bereiche, wo's eindeutig ist: Kindsmisshandlung, Suizidalität, das sind Dinge, wo wir ganz klar eingreifen müssen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir uns nicht zum Oberrichter aufspielen und nicht paternalistisch bevormundend sind.
Man muss auch genau wissen: die Grenzen des eigenen Wissens! Wir sind ja nicht privilegiert informiert über den einzelnen Menschen. Wir machen eine grosse Studie. Auf der Ebene von Gruppen können wir Aussagen machen. Auf der Ebene des einzelnen Individuums, da ist immer noch die Mutter oder der Vater, die Grossmutter usw. im Normalfall deutlich klüger als wir.
Das führt mich dann zum zweiten Punkt mit der Frage mit der Beeinflussung durch Beobachtung. Das ist ein altes Problem natürlich. Das kann man wissenschaftstheoretisch diskutieren, dass die Beobachtung des Gegenstandes den Gegenstand selber verändert. Philosophisch gesehen ist da immer was dran. Das ist ein Thema, das die Quantenphysik bewegt. Aber, man muss auch die Grenzen der Beeinflussbarkeit sehen. Es ist nicht so, dass Sie durch eine Untersuchung, durch einen Fragebogen, ein Interview einen Menschen wirklich massgeblich beeinflussen. Wenn das so wäre, dann hätten wir in der Psychotherapie dramatisch bessere Effekte als wir sie haben. Das ist leider nicht so, dass wir Menschen ganz leicht und für's ganze Leben beeinflussen können. Sondern ganz im Gegenteil. Wir sind viel weniger gut, als wir häufig meinen. Es gibt viel mehr Menschen, die nicht von unserer Intervention profitieren. Es gibt viel mehr Menschen, die nach einer Intervention wieder zurückgleiten.
Und einen Fragebogen auszufüllen ist ein riesiger Unterschied zu einer standardisierten Intervention. Es gibt Erfahrungen mit diesen Fragen. Und ich verweise da auf die Homepage der grossen amerikanischen Kinderstudie, die dutzende von Seiten von Dokumenten haben und das genau ausführen. Wir haben eigenen Erfahrungen. Herr Grob, Frau Schneider sind Kinderspezialisten und können die Grenzen der Beeinflussbarkeit sehr genau abschätzen.

Frage: Wie stellen Sie sicher, dass dieses Sample von 3'000 Familien repräsentativ ist für die Gesamtbevölkerung? Zum einen gibt es in Sachen Bereitschaft, Auskunft zu geben, kulturelle Unterschiede. Und Sie gehen über ausgewählte Geburtskliniken. Auch die werden nicht von jeder Frau besucht.

Margraf: Das ist ein wichtiger methodischer Aspekt. Wir sind eine Längsschnittstudie. Da ist unser Hauptziel. Und da ist der wichtigste Punkt nicht so sehr, wie repräsentativ ist die ursprüngliche Ausgangsstichprobe für die Gesamtbevölkerung, sondern, wie repräsentativ sind die, die über die Jahre hinweg mitmachen, für die, die anfangs mal angefangen haben mitzumachen. Technisch gesprochen ist das dann die Wiederteilnahmerate. Und da wollen wir eine sehr hohe Rate erreichen. Das ist das hauptmethodische Merkmal. Und da wollen wir wirklich über die 70% kommen. Und ich glaube, dass man das hier ganz besonders kann. Der Vergleich mit vergangenen Studien zeigt, dass man hier in der Schweiz sogar 92% erreicht hat. In den USA kommen sie nie über 50%.
Die Ausgangsstichprobe muss aber trotzdem irgendwie beschrieben sein. Man muss wissen, "wie kann ich meine Aussagen generalisieren / verallgemeinerern über diese Stichprobe hinaus?". Und um das zu erreichen, führen wir eine sehr niedrigschwellige Begleitbefragung in der Form einer einfachen Telefonbefragung durch. In der Art, wie das täglich in der Zeitung steht: "so und so viel Prozent aller Schweizer und Schweizerinnen meinen dies oder meinen jenes". Da haben Sie eine sehr hohe Teilnahmebereitschaft. Und dann können wir einige Fragen in dieser Stichprobe stellen und mit unserer vergleichen und dann gewichten. Dann können wir zum Beispiel sagen, wir haben mehr Alleinerziehende oder wir haben weniger Alleinerziehende, wir haben mehr oder weniger höhere soziale Schichten. Und entsprechend geben wir diesen Gewicht.

Frage: (erste Frage schwer verständlich) Und: Wie gehen Sie damit um, dass ein Mitglied der nationalen Ethikkommission Ihnen fehlenden demokratischen Anstand vorwirft?

Margraf: Wir müssen das mit den Ethikkommissionen lokal machen und nicht national. Das ist der gegenwärtige Stand. Die nationale Ethikkommission ist nicht zuständig, die macht Politikberatung. Die lokalen Ethikkommissionen sind zuständig. Und die müssen sich koordinieren. Im Humanforschungsgesetz ist etwas vorgeschrieben, wie das dann mal sein soll, das wird uns aber nicht betreffen, weil das Gesetz noch nicht in Kraft ist. Das heisst, wir gehen durch die lokalen, kantonalen Ethikkommissionen. Und wir hoffen, dass die sich untereinander - und so ist es auch übrigens mit dem Präsidenten der EKBB besprochen - dass die sich untereinander koordinieren und wir nachher, wenn wir in den Kantonen tätig sind, nicht sieben verschiedene ethische Stellungnahmen haben.

Gäbler: Die Frage der ethischen Begleitung, die Frage, was ist moralisch erlaubt, was ist nicht erlaubt - das ist nämlich die ethische Frage, es geht um Moral, nicht nur Ethik allein - die Frage ist ausserordentlich wichtig. Und wir an unserer Universität haben seit langem eigene Programme, um gesamtuniversitär ethische Fragen zu diskutieren, und mit den Studierenden zu diskutieren, über die gesamte Universität. Wir haben verpflichtende Ethikprogramme für alle Studierenden der Naturwissenschaften. Das heisst, diese Universität hat ein hohes ethisches Bewusstsein.
Wir als Universität sehen die Ethikkommissionen nicht als die enge Pforte, wo wir durch müssen. Sondern wir sind der Überzeugung, dass in der Ethikkommission Kompetenz vorhanden ist, hohe Kompetenz, um diese diffizilen, detailierten Fragen mit den Projektverantwortlichen zu diskutieren. So dass nicht einfach nur Zäune aufgerichtet werden, sondern dass die Ethikkommissionen helfen, die Projekte so zu gestalten dass sie den hohen Standards, die wir als Universität haben, und die dieses Land hat, zu genügen. Und ich kommentiere es nicht weiter, wenn ein Mitglied der Ethikkommission sich in der Oeffentlichkeit äussert.

Frage: Das finden Sie also OK?

Gäbler: Ich kommentiere es nicht weiter!

Frage: Wieviel zahlt die Universität in dieser ersten Phase an die Gesamtkosten?

Margraf: Das Budget hat 22,7 Millionen. Der Nationalfonds trägt 10,2. Es gibt so genannte kalkulatiorische Eigenbeteiligungen der Universität und der anderen beteiligten Universitäten. Das sind Gehaltsanteile und Infrastruktur, die belaufen sich auf 3,3 Millionen. Richtig fliessen tun eigentlich 2,4 Millionen.

Frage: Zusätzlich zu dem, was bisher die Uni an die psychologische Fakultät bezahlt?

Margraf: Ja, das sind 2,4. Und Drittmittel, zusätzlich, kommen 6,8 Millionen. Das sind die drei Drittmittelgeber, die wir genannt haben (Roche 6 Millionen, Rest: Liechtenstein Stiftung und Freiwillige Akademische Gesellschaft).

Frage: Eine Frage an Herrn Imboden. Sie haben das ja so interpretiert, dass diese Skepsis, die da aus der Oeffentlichkeit kam, dass man in der Schweiz skeptisch gegenüber Erfolg im Allgemeinen ist. Jetzt ist es ja so, der grosse Rahmen, der ist mal bewilligt vom Nationalfonds, jetzt geht es um die einzelnen Teilprojekte. Das ist eine andere Sache. Aber in diesem Rahmen ist ja mal drin, dass diese seelische Gesindheit im Vordergrund steht. Was ich ein bisschen sonderbar fand, ist dass man zu einem Zeitpunkt, als der grosse Rahmen bewilligt war, dass man bei sämtlichen Projektbeschrieben, die öffentlich zugänglich waren, eigentlich nirgendwo eine detailierte Definition dessen fand, was Sie unter seelischer Gesundheit verstehen. Und die Sache mit der Methode - das wär dann eher an Herrn Margraf - dass man da ja auch nie klarer dargelegt hat, ich nehme an in der Nationalfondsskizze wär das Bestandteil gewesen, wie man genau vorgehen möchte. Oeffentlich war das aber nicht zu erfahren.
Und diese Website von Sesam, die Ende Januar mal hätte online geschaltet werden sollen, ist auch noch nicht aufgeschaltet. Die Informationen, die mal da waren, die sind auch nicht mehr da. Also ich weiss nicht, ob das nur die Skepsis gegen der Erfolg ist in der Schweiz, die gewisse Leute etwas skeptisch macht...


Imboden: Sie müssen sehen, dass diese Nationalen Forschungsschwerpunkte eine ander Art von Forschungsförderung darstellen als die Einzelprojekte. Im Falle eines Einzelprojektes gibt es einen Projektantrag. Da steht detailiert, was gemacht wird. Das kommt auf eine Website, je nach dem mit mehr Details oder weniger Details. Wir halten die Forscher dazu an, dass sie das auf der Nationalfondswebsite publizieren. Manchmal ist es auch nur der Titel, wenn sie das nicht machen. Da ist klar, wie man vorgeht, weil ja nur dann das Geld gesprochen wird, wenn diese Details alle bekannt sind.
Beim Nationalen Forschungsschwerpunkt ist - wie gesagt - erst der Rahmen definiert. Aber es gibt ein relativ ausführliches Dokument, Herr Margraf kann Ihnen dann sagen, wie dick dass das war, das die Grundlage war für unseren Entscheid. Aber dieses Dokument, auch wenn es ziemlich dick war, hätten wir nicht dazu benützen können, sagen wir, bei Ethikkommissionen eine Bewilligung zu holen. Ich möchte das einfach noch einmal sagen: Wir haben gar keine andere Wahl gehabt, als so vorzugehen: zu sagen, "Wir gehen in diese Richtung!" Aber diese Richtung haben wir nicht zufällig gewählt. Oder nicht willkürlich. Wir wussten, dass die Richtung im Prinzip eine mögliche Richtung ist im Rahmen der Forschungsrahmenbedingungen, die wir in der Schweiz haben, und die sich jetzt abzeichnet im Falle des Humanforschungsgesetzes.
Also, wenn Sie mir sagen können - ich lass mich gerne von Ihnen beraten - was man hätte anders machen können in diesem Falle, dann hör ich Ihnen gerne zu. Aber, meine Bemerkung war in eine andere Richtung gerichtet. Einerseits sagen Sie jetzt, wir haben gar nicht so viele Informationen gehabt. Andererseits gibt es Leute, die - obschon sie diese Information nicht gehabt haben - schone eine Petition begonnen haben und begonnen haben, gegen dieses Projekt Sturm zu laufen. Ich meine jetzt, entweder muss man sich entscheiden, bei dieser Argumentation, ob man sagt, "ich weiss schon genug um zu sagen, das ist des Teufels!", oder aber "ich weiss es noch nicht und ich warte, bis der Teufel sich zeigt, oder vielleicht auch nicht". Das ist eine etwas unschöne Situation aus meiner Sicht.
Und vielleicht ein letzter Punkt: Wie gesagt, das ganze Projekt, das ganze Dokument, war mit den zuständigen Präsidenten der Ethikkommissionen, der nationalen - die keine Bewilligungskommission ist, sondern nur eine beratende - und der Basler Ethikkommission abgesprochen. Und das war soweit man - und ich würde sagen, das hat Herr Margraf richtig gemacht - soweit man es sorgfältigerweise machen konnte. Und weiter konnten wir nicht gehen, weil sonst hätte man die Ethikkommission in einen Entscheid gedrängt, der zu dieser Zeit noch nicht möglich gewesen ist.

Gäbler: Was die Transparenz betrifft und die Frage der seelischen Gesundheit, möchte ich von mir aus ein paar Worte dazu sagen, weil hier die Universität insgesamt gefragt ist, wenn es um die Transparenz von Forschungsvorhaben geht. Sie haben zweifelsohne recht: An dieser Stelle ist die Sensibilität der Oeffentlichkeit sehr hoch. Und zu recht. Es ist ein Projekt, das sensibel ist, das ein sehr sensibles Gebiet (? besteckt ?). Aus diesem Grund muss die Transparenz so hoch wie möglich sein.
Allerdings: Eine Universität lebt wesentlich von der Reputation. Und wesentlich davon, dass die Information, die weitergegeben wird, wirklich stichhaltig ist. Oder - wir haben Beispiele genug - wo akademische Institutionen informieren und diese Information nicht trägt. Die Website gibt es. Wenn Sie heute ihren Computer anstellen werden Sie die Website von Sesam sehen. Die ist mittlerweile aufgeschaltet.
Die andere Frage - und das find ich eigentlich die spannendste Frage, die sich stellt - was ist eigentlich seelische Gesundheit? Sie verlangen eine Definition von seelischer Gesundheit. Aber ebensowenig, wie es eine schlüssige Definition von Krankheit gibt, gibt es eine schlüssige Definition von Gesundheit. Es gibt eine sehr breite Diskussion darüber, was eigentlich Krankheit ist. Eine sehr breite Diskussion darüber, was Gesundheit ist. Und mindestens so gross ist die Diskussion der seelischen Gesundheit. Es könnte sein, dass gerade durch diese Studie - zwar nicht definitiv geklärt wird, was seelische Gesundheit ist, aber doch für die Medizin, für die Sozialwissenschaften für die Psychologie, für die Geisteswissenschaften, empirisches Material zur Verfügung gestellt wird, um deutlicher zu sehen, was wir unter Gesundheit oder Krankheit verstehen. Denn in dieser Studie geht es nicht so sehr um Krankheit! Es geht um Gesundheit!
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Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

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