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Donnerstag, 16. Februar 2006

"Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik?"

Am historischen Seminar der Uni Basel findet morgen und übermorgen eine Tagung statt, die aus verschiedensten Perspektiven der Frage nachgeht. Sesam ist kein eugenisches Projekt, aber die Beiträge zu der Tagung enthalten anregende Hinweise für die kritische Betrachtung von Unternehmen wie Sesam. Zum Beispiel diese drei Vorträge am Samstag unter dem Titel "Positive/ negative Eugenik" (18.2.2006, 14.00-15.30h)

Sesam in der Hebammenzeitschrift

Die Zeitschrift des Schweizerischen Hebammenverbandes hat in ihrer aktuellen Ausgabe diese Notiz über Sesam drin:

BaZ: "sesam öffnet sich noch nicht"

Stefan Stöcklin macht heute in der Basler Zeitung eine spannende Auslegeordnung, wo die Sache steht vor Medienkonferenz und Inaugurationsfeierlichkeiten:

Experten streiten sich, wer den Basler Forschungsschwerpunkt ethisch begutachten darf
Der Nationale Forschungsschwerpunkt «sesam» läuft nur harzig an. Die umstrittenen Studien sind von der Ethik-Kommission noch nicht begutachet worden.
Nächsten Dienstag wird Jürgen Margraf an einer festlichen «Inauguration» im Kollegiengebäude der Universität in Anwesenheit des Rektors Ulrich Gäbler den Startschuss zum Projekt «sesam» geben. Der klingende Name bezeichnet einen Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS), für den der Schweizerische Nationalfonds (SNF) für die ersten dreieinhalb Jahre zehn Millionen Franken zahlt. Das ambitiöse Vorhaben wird zudem mit sechs Millionen Franken von der Pharmafirma Roche gesponsert, wie am Montag bekannt wurde.
Die Finanzierung des seit letztem Oktober laufenden Projektes läuft also wie geschmiert. Doch in einem zentralen Punkt hat das Projekt Anlaufschwierigkeiten. Eine Zustimmung der Ethiker liegt bisher nicht vor. Recherchen ergeben, dass Margraf und seine Mitarbeiter die einzelnen Projekte der kantonalen Ethik-Kommission beider Basel (EKBB) bis Donnerstag nicht vorgelegt hat. «Wir haben bisher keine Anträge erhalten», sagt Jürgen Drewe, Vizepräsident der EKBB. Bis zur Inauguration wird sich die Basler Kommission denn auch nicht zum Projekt äussern können.
Weil es sich bei «sesam» im Kern um eine medizingenetische und psychosoziale Studie handelt, für die rund 3000 Kinder bereits vorgeburtlich erfasst werden sollen, kommt das Forschungsteam um eine Begutachtung der Projektstudien durch ethische Experten nicht herum.
Diese Zustimmung wäre umso wichtiger, als sich seit dem Bekanntwerden des Projektes auf verschiedenen Ebenen Widerstand formiert hat. Zum einen beim Appell gegen Gentechnologie, der gegen «Genomanalysen» protestiert und die Aufgabe von «sesam» fordert. Zum anderen kritisieren aber auch Fachkollegen von Margraf die Reduktion der psychischen Befindlichkeit auf biologisch messbare Grössen. So kürzlich in der Ärztezeitschrift «Synapse».
Um die ethische Begutachtung ist hinter den Kulissen ein Gerangel in Gange. Das Tauziehen betrifft die Zuständigkeit: Die verschiedenen Akteure sind sich nicht einig darüber, welches Gremium die einzelnen Projekte begutachten, gutheissen und allenfalls ablehnen oder nur mit Änderungen absegnen kann. Für die lokale EKBB ist der Fall zwar klar: «Gemäss Vereinbarung mit den beiden Kantonen BS und BL sind wir für alle medizinischen Versuche am Menschen zuständig», sagt Drewe. «Und bei ‹sesam› handelt es sich um medizinische Forschung», so Drewe.
Von den Projektnehmern wird diese Zuständigkeit allerdings in Zweifel gezogen, was von Dieter Imboden, Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich und Präsident des Nationalen Forschungsrates des SNF, bestätigt wird: «Weil es sich bei ‹sesam› um ein schweizweites Projekt handelt, ist im Moment unklar, welche Ethik-Kommission zuständig ist.» Zudem sei in Basel die Zuständigkeit nicht klar, was psychologische Versuche betreffe. «Dies ist jetzt in Prüfung», sagt Imboden.
Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage seien zwar die kantonalen Ethik-Kommissionen für die Prüfung medizinischer Versuche zuständig, wie Imboden ausführt; weil die jeweiligen Gremien aber unterschiedlich zusammengesetzt seien und unterschiedliche Aufträge hätten, ergebe sich ein uneinheitliches Bild. So sei die Kommission in St. Gallen nur für klinisch-medizinische Forschung zuständig, während jene von Bern weiter gefasst sei.
Der Forschungsverantwortliche des Nationalfonds wehrt sich gegen den Vorwurf, man habe einen Nationalen Forschungsschwerpunkt gutgeheissen, obwohl dafür noch keine Rechtsgrundlage vorgelegen habe. Projektleiter Margraf hat das Mantelgesuch von «sesam» schon bei der Ausschreibung der EKBB und der NEK (Nationale Ethik-Kommission) vorgelegt. In diesen Gesprächen ergaben sich keine grundsätzlichen Einwände. Aber weil sich die konkreten Detailprojekte erst nach der Gutheissung des Forschungsschwerpunktes durch den Nationalfonds ausarbeiten liessen, können sie erst danach zur detailllierten Begutachtung vorgelegt werden. «Ich sehe keinen prinzipiellen Grund, wieso dieses Projekt nicht ausführbar sein sollte. In Detailfragen sind sicher Auflagen zu erwarten», sagt Imboden.
Kompliziert wird die Lage, weil die ganze Gesetzgebung momentan in Fluss ist. Das Humanforschungsgesetz, das unter anderem genau solche Projekte wie jene von «sesam» betrifft, ist soeben in Vernehmlassung gegeben worden. Bis diese Gesetze vorliegen, die auch die Zuständigkeiten der Ethik-Kommissionen national einheitlich regeln werden, wird es noch Jahre dauern. Darauf will man nicht warten.
Jürgen Drewe von der EKBB will inhaltlich zu den «sesam»-Projekten nicht Stellung nehmen, sie lägen der Kommission ja gar nicht vor. Aber klar sei, dass bei Forschungsvorhaben mit Kindern, noch dazu im vorgeburtlichen Stadium, sehr hohe Messlatten angelegt würden, was die ethischen Grundsätze betreffe. Am wichtigsten dabei seien die Datensicherheit und Anonymisierung der Ergebnisse. «Wir werden die Gesuche unvoreingenommen beurteilen. Und wir werden konstruktiv zusammenarbeiten», so Drewe.
Auffällig ist im Moment, dass die «sesam»-Verantwortlichen mit der Offenlegung ihrer Projekte zuwarten. Immerhin fliesst das Geld aus Bern bereits seit letztem Oktober. Auch die Homepage war während Wochen stillgelegt; zunächst hiess es, sie würde Ende Januar aufgeschaltet, gestern lief sie allerdings noch nicht. Der Eindruck entsteht, dass die «sesam»-Verantwortlichen versuchen, den Druck von aussen auf die Ethik-Kommissionen zu erhöhen. Möglich auch, dass in der EKBB die Zuständigkeit abgesprochen werden soll. Auch die EKBB hat aufgerüstet. Seit zwei Wochen hat sie einen ständigen «ausgewiesenen psychologischen Experten» in ihrer Begutachterrunde.
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

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