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Mittwoch, 8. Februar 2006

Leserbrief an sesam beteiligter AerztInnen in Synapse

(Synapse Februar 2006, S. 16, .pdf-File) Als Ärzte und Wissenschaftler, die an dem Nationalen Forschungsschwerpunkt sesam als Antragsteller beteiligt sind, möchten wir gerne zu dem Editorial und dem Beitrag unserer Kollegen Dr. Benjamin Pia und Dr. Peter Dreyfus (Synapse Nr.8/2005) Stellung nehmen. Das Wohl unserer Patientinnen und Patienten ist unser oberstes Ziel. Als verantwortungsvolle Ärzte/-innen wollen wir uns aber nicht bloss auf die Behandlung von Krankheiten beschränken. Vielmehr wollen wir besser verstehen, was uns krank macht und was uns gesund erhält. Darum beteiligen wir uns als Forscher und Forscherinnen an der sesam-Studie. Sämtliche epidemiologischen Hochrechnungen in der Schweiz und in anderen Teilen Europas weisen auf eine sehr hohe psychische Morbiditäthin, bei manchen psychischen Erkrankungen ist sogar darüber hinaus miteiner Zunahme zu rechnen. Gleichzeitig werden die Psychiatrie und die Psychologie wie keine anderen Fachdisziplinen in der breiten Öffentlichkeit immer wieder hinsichtlich ihrer Therapiekonzeptionen hinterfragt. Daraus resultiert ein hoher Forschungsbedarf, insbesondere im Bereich der Primärprävention und der Evaluation von Therapieverfahren. «Die medizinische Wissenschaft ist verpflichtet, nach stets neuen ökonomisch vertretbaren Möglichkeiten der Diagnostik, Prophylaxe und Therapie zu suchen» (Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften 1996), d.h., es besteht auch eine ethische Verpflichtung zur Forschung. Die sesam-Studie soll mit dazu beitragen, den Einfluss protektiver und pathogener Determinanten auf die Persönlichkeitsentwicklung herauszuarbeiten. Die sesam-Studie wurde unter anderem darum zu einem Nationalen Forschungsschwerpunkt erwählt, weil sie verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zu einem Netzwerk verbindet. So sind an der Studie nebst Naturwissenschaftlern und Naturwissenschaftlerinnen auch Ärzte und Ärztinnen beteiligt,die täglich im Kontakt mit Patienten/-innen stehen. Auch Geisteswissenschaften sind vertreten, zum Beispiel, mit einem eigenen Teilantrag, die Medizinsoziologie. Bei der ganzheitlichen Forschungsanlage von sesam bilden Beziehungen, die persönliche und subjektive Wahrnehmung der Beteiligten, die Mutter-Vater-Kind-Interaktion, das Gedächtnis und die Verarbeitung einen Schwerpunkt. Mehrere weitere Teilstudien befassen sich mit der Beziehung zwischen Mutter und Kind sowie zwischen den Generationen. Wer nun unterstellt, dass sesam bloss den Interessen von Politikern/-innen dient, die bei Gesundheitskosten sparen wollen, missachtet den konkreten Nutzen für den klinischen Bereich: So soll zum Beispiel die Entwicklung von Kindern, deren Mütter an einer Substanzabhängigkeit leiden, untersucht werden. Solche und andere komplexe, grundlegende Fragestellungen können nur in Langzeituntersuchungen schlüssig erfasst werden. Deshalb ist auch für die ärztliche Praxis mit wertvollem Erkenntnisgewinn aus der sesam-Studie zu rechnen. sesam befasst sich mit der psychischen Gesundheit der Schweizer Bevölkerung von heute und morgen. Alle interessierten Kolleginnen und Kollegen laden wir ein, ihre Fragestellungen einzubringen. Wenden Sie sich dafür an die Studienleitung oder an uns.

Prof. Dr. med. Johannes Bitzer, Basel
Dr. med. Gerhard Dammann, Basel
Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Wolfgang Holzgreve, Basel
PD Dr. med. Irène Hösli, Basel
Prof. Dr. med. Franz Müller-Spahn, Basel
Prof. Dr. med. Andreas Papassotiropoulos, Zürich
Prof. Dr. med. Urs A. Meyer, Basel
Prof. Dr. med. Hartmut Schächinger, Trier / Basel
Prof. Dr. med. Erich Seifritz, Bern
Dr. med. Werner Stadlmayr, Bern
Prof. Dr. Dr. med. Hans-Christoph Steinhausen, Zürich

Leserbrief von Prof. Wolke in Synapse

(Synapse, Februar 2006, Seite 15, .pdf-File) Ich habe mit Interesse den Artikel von Herrn Dr. med. Peter Dreyfus zum Forschungsprojekt SESAM gelesen.Viele der Anmerkungen und kritischen Gedanken sind wichtig und sollten von jedem Team ,das eine prospektive Langzeitstudie mit Eltern und Kindern plant, genauestens durchdacht und kooperativ gelöst werden .Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die SESAM-Studie Vorbilder im Ausland hat wie die Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC), die fast 14000 Frauen und deren Kinder (seit der 18.Schwangerschaftswoche) nachuntersucht (www.alspac.bris.ac.uk). Diese Studie kenne ich gut als ehemaliger stellvertretender Leiter. Die Kinder sind mittlerweile 14 Jahre alt. Ein Grossteil der Eltern und der Kinder, die selbst entscheiden, ob sie an den Untersuchungen weiter teilnehmen, tun dies weiterhin mitBegeisterung unter Betreung eines enthusiastischen und sehr einfühlsamen Teams von Untersuchern und Begleitern. EthischeÜberlegungen und deren Bewältigung im Einverständnis aller Beteiligten stehen seit eh und je ganz im Vordergrund dieser Studie. Der Respekt für alle Teilnehmer ist ein Grundsatz dieser Studie. Daher sind die Anmerkungen von Herrn Dreyfus konstruktiv, wenn auch eit Jahren in dieser Studie umgesetzt. Von der ALSPAC-Studie und deren Erfahrungen in England kann man lernen, wie diese ethischen Fragen sensibel angegangen werden können. Die Ergebnisse der ALSPAC-Studie haben bereits zu vielen neuen Entdeckungen beigetragen mit wichtigen klinischen Implikationen, die direkt zu den therapeutischen Gesprächen des einzelnen behandelnden Arztes oder Psychologen beitragen können und Patienten nützen. Hierzu gehören Befunde zur Verhinderung des plötzlichen Kindstodes (1), die Erkenntnis, dass postnatale Depression fast immer pränatal beginnt und sogar weniger häufig postnatal als pränatal ist, Erklärungen zur Depressionsentwicklung oder die Bedeutung väterlicher Depression für die kindliche Entwicklung (2, 3, 4), Erklärungen zur Übergewichtigkeitsentwicklung (5), psychischer Folgen von Übergewichtigkeit zu Augenproblemen (6,7), um nur ganz wenige der über 200 Publikationen anzusprechen. Bisher hat sich die SESAM-Studie als sehr offen gegenüber allen Anregungen verhalten, so meine Erfahrung als Mitglied des von SESAM konstituierten Lenkungsausschusses. Man sollte SESAM doch die Chance geben zu beweisen, dass sie das Geld wert istund hält,was sie verspricht, bevor man sie verbannt. Dies war in England möglich bei der ALSPAC-Studie, die jetztnoch einmal für fünf Jahre durch das Medical Research Council und den Wellcome Trust in zweistelliger Millionenhöhe gefördert wird. Eine Langzeitstudie kann nur überleben,wenn sie den höchsten internationalen ethischen und wissenschaftlichen Standards gerechtwird. Die wichtigsten Menschen in einer solchen Studie sind nichtdie Wissenschaftler oder Berufsgruppen, sondern die Familien, die mitmachen, und die sollen die Möglichkeithaben, selbst entscheiden zu können. In der ALSPAC-Studie waren über 85% aller Schwangeren in der Region Avon dazu bereit.

Prof. D. Wolke, Visiting Professor of Life-span Psychology, University of Bristol, Dpt of Community-based Medicine, and Scientific Director Jacobs Foundation, Zurich


... und Mitglied des Lenkungsausschusses von Sesam, wie Wolke zwar im Lauftext erwähnt, nicht aber in seiner "Unterschrift" unter den Leserbrief, die in diesem Fall über dem Brief platziert ist, womit seine Einbindung in sesam leicht zu übersehen / -lesen ist. Ein Détail zwar, aber da drin steckt ja bekanntlich der Teufel...

Gegendarstellung von Sesam in "Synapse"

In der Februarnummer der Synapse, der "Zeitung der Ärztinnen und Ärzte von Baselland und Baselstadt", ist unter dem Obertitel "Gegendarstellung" zu lesen:

Forschungsprojekt SESAM – eine Orientierung und einige kritische Gedanken
Im Forum-Artikel über den Nationalen Forschungsschwerpunktsesam (Synapse Nummer 8/2005, Seite 6) wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, dass der Autor Dr. P.Dreyfus ein Gespräch mit dem sesam-Leiter Prof.Dr. Jürgen Margraf geführt habe. Dies trifft nicht zu. Woher die Professor Margraf zugeschriebenen bzw. suggerierten Äusserungen stammen, ist unklar.
Der Autor irrt auch,wenn er Prof. J. Margraf als Leiter des Instituts für Psychologie der Universität Basel bezeichnet. Prof. J. Margraf leitet innerhalb der Fakultät für Psychologie die Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie.
Barbara Glättli-Dolanc, lic.phil., Kommunikation/Medien, sesam – Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health, Nationaler Forschungsschwerpunkt, Universität Basel


Wo, drängt sich allerdings die Frage auf, erweckt P. Dreyfus in seinem Artikel (zu finden auch hier) den Eindruck, er habe mit Margraf gesprochen? Er behauptet dies nirgends. Dreyfus bezieht sich sehr klar auf Aussagen der seit Ende Dezember ersatzlos offline geschalteten Website. Er schreibt explizit:

"Das lässt sich nachlesen unter http://www.psycho.unibas.ch/sesam"

Sich auf die Inhalte der (alten) Website zu beziehen und deren Aussagen Margraf, immerhin Leiter von sesam, in den Mund zu legen, mag etwas verkürzt sein, aber ist durchaus legitim. Seitens sesam als Verteidigungsstrategie Dreyfus etwas zu unterstellen, was er nie behauptet hat, ist bestenfalls schlechter Stil. Aehnlich schlechter Stil ist es, die Onlinedokumentation (die Website) von sesam einfach sang- und klanglos vollständig verschwinden zu lassen. Und nachher zu behaupten, es sei unklar, woher Dreyfus sein Material habe.

Inaugurationsfeier von Sesam am 21.2.

Auf meine Anfrage bestätigte Hans Syfrig, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Uni Basel, heute, was mir zu Ohren gekommen ist:

Sehr geehrter Herr Tschudin,

besten Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie richtig vermuten, findet am 21. Februar 2006 die offizielle Inaugurationsfeier des Nationalen Forschungsschwerpunkts sesam statt. Der Anlass ist nur für geladene Gäste der Universtät; aus diesem Grund finden Sie keine Informationen auf unserer Website. Beste Grüsse
Hans Syfrig

Vielleicht werden ja danach dann weitere Informationen über sesam auf dessen Site online geschaltet.

Portrait einer Teilprojektleiterin in Personalzeitung

Barbara Glättli-Dolanc portraitiert in "intern", der Personalzeitung der Uni Basel, Dr. Margarete Rieger:

Frühmorgens schwingt sich Margarete Rieger selbst im kalten Winter aufs Velo, um acht sitzt sie schon im Büro – ganz vertieft ins Projekt, das sie von Trier nach Basel gebracht hat: den Nationalen Forschungsschwerpunkt Sesam, der am 1. Oktober 2005 gestartet ist. Die «Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health» will in den nächsten zwanzig Jahren die Grundlagen seelischer Entwicklung erforschen. Ein spezielles Teilprojekt von Sesam, welches Margarete Rieger mitleitet, befasst sich mit Stressreaktionen von Neugeborenen und Kleinkindern.
Dieses Thema ist der 29 Jahre jungen deutschen Psychologin seit Jahren vertraut: Schon an den früheren Stationen ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befasste sie sich mit Forschung an Kindern und Jugendlichen, etwa am Max Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, an einem renommierten Institut in New York und an der Universität Trier,wo sie promovierte.
Ihr Doktorvater Professor Dirk Hellhammer empfahl sie für diese Stelle, und sie nahm an: «weil ich Sesam für ein spannendes, wichtiges Forschungsprojekt halte und gern zu dieser Grundlagenforschung beitragen will». Als sie im letzten Frühling in die Schweiz zog, fielen ihr als Erstes die optimalen Bedingungen für Sport auf: «Besonders das Joggeli hat es mir angetan. Das Sportbad und das Leichtathletikstadion sind wirklich Klasse.» Inzwischen kennt sie die Gegend schon besser als mancher Einheimische, nicht zuletzt dank ihren ausgedehnten Velofahrten kreuz und quer durch die Region und dem Training mit den Leichtathleten des TV Arlesheim. Im November hat sie mit ihrem Club schon den Ekiden-Marathon in Riehen bestritten und einen dritten Platz belegt. «So lernen mein Lebenspartner und ich hier neue Leute kennen.»
Wäre Margarete Rieger nicht Forscherin, würde sie eine Eventagentur leiten: Zum ersten Weihnachtsfest erfreute sie das Sesam-Team mit ihrer fantasievollen Dekoration der noch neuen Büroräume. Disziplin und lauthals Lachen sind für sie kein Widerspruch. Deshalb fühlt sie sich wohl an der Uni Basel und bei Sesam. «Ich habe hier ein tolles Team gefunden und arbeite wirklich gerne in diesem Projekt mit. Sesam bietet unglaubliche Chancen und wird hoffentlich die Uni Basel und die Forschungslandschaft Schweiz weltweit noch bekannter machen.» So bald möchte Margarete Rieger nicht weg – zumal ihr Lebenspartner ihr von Trier nach Basel gefolgt ist und ebenfalls eine interessante Stelle gefunden hat.
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

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