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Was in der Schweiz mit 3'000 Kindern scheiterte, soll...
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Hinweis

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Diskussion

Montag, 16. Februar 2009

Sesam in SNF Dokument: Ethikprüfung hat verzögert

Im vor wenigen Tagen erschienenen "Guide 2009" des Schweizerischen Nationalfonds SNF, in dem alle nationalen Forschungsschwerpunkte kurz vorgestellt werden, steht auf Seite 81, im Teil über Sesam:
Due to the low recruitment rate, the recruitment for the sesam core-study was stopped in March 2009, while individual studies that recruit individuals independent of the core-study are still ongoing. Therefore, the NCCR sesam in its originally designed form will be finished after the first funding period in 2009. The ongoing individual focus on research topics such as the impact of family socialisation factors on child development, the psychobiological programming of stress response, the psychobiological consequences of mental health during pregnancy, maternal sensitivity and amygdala functioning, the postnatal programming of human mesolimbic dopaminergic function, family functioning as well as the relationship between fetal heart rate variability and psychosocial development of children. In ongoing prestudies, new methods (e.g., digital diaries, specific questionnaires, translated questionnaires or methods for the collection of biological samples) that have been developed for the application within the core study are evaluated. It has to be mentioned that due to the long and complicated process of ethical evaluation, the start of the recruitment within the whole NCCR was markably delayed.
Zur Aussage im letzten Satz ("... long and complicated ...") schrieb Hans Kummer, zur fraglichen Zeit Präsident der Ethikkommission beider Basel (EKBB), in einem Artikel in der NZZ vom 16.1.2009:
Die Sesam-Leitung sieht in einer umständlichen, wenig kooperativen Handlungsweise der kantonalen Ethikkommissionen, im Besonderen der EKBB, einen «fundamentalen» Grund des Misserfolges der Studie. Diese Einschätzung muss in aller Form zurückgewiesen werden: Die Studienleitung von Sesam benötigte fast 20 Monate nach der Freigabe durch den SNF, bis sie die Studie der EKBB einreichte. Im Vergleich dazu konnte das Projekt trotz erheblicher Korrekturbedürftigkeit in weniger als 6 Monaten nach der Einreichung mit wenigen Auflagen freigegeben werden. Von dieser Zeit beanspruchte die Sesam-Leitung erst noch mehr als die Hälfte für ihre Antworten. Die Studie war zweifellos von Anfang an äusserst anspruchsvoll konzipiert und schwierig zu verwirklichen. Sie ist aber letztlich gescheitert an einer mangelhaften Planung (Rekrutierung am falschen Ort, zu grosse Anforderungen an die Studienteilnehmerinnen) und einer primär negativen und von Misstrauen geprägten Einstellung der Studienleitung gegenüber der ethischen Prüfung. Diese Einstellung entbehrt jeglicher Grundlage. (...) Voraussetzung für einen guten Ablauf der ethischen Begutachtung eines Forschungsprojektes ist allerdings, dass sich Studienleiter und Ethikkommission ohne negative Vorurteile mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen begegnen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können schmerzhafte und teure Fehlentwicklungen wie hier künftig vermieden werden.

Donnerstag, 26. Juli 2007

Basler Appell fordert Verzicht auf Speichelproben

Der Basler Appell gegen Gentechnologie verlangt von Sesam, auf Speichlproben zu verzichten und kündet an, er werde bei der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht betreffend SESAM eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde einlegen:
Seit gestern hat SESAM grünes Licht von der Ethikkommission beider Basel. Die Freigabe des umstrittenen Forschungsprojekts schliesst die Entnahme von Speichelproben bei Neugeborenen entgegen der ursprünglichen Intention mit ein. Der Basler Appell gegen Gentechnologie kritisiert den Entscheid der Ethikkommission und fordert den Verzicht auf die Speichelentnahmen aus Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Kinder.
Nach langem Ringen hat die Ethikkommission beider Basel (EKBB) dem von allen Seiten kritisierten Nationalen Forschungsschwerpunkt SESAM die Bewilligung erteilt: Das Projekt kann nun mit der Rekrutierung der Versuchspersonen – den schwangeren Frauen – beginnen. Entgegen den Forderungen der EKBB vom März dieses Jahrs – verlangt wurde der Verzicht auf Entnahme und Untersuchung des Erbguts der neugeborenen Probanden – krebst die Kommission zurück: Der Speichel soll nun doch gleich nach der Geburt entnommen werden dürfen, muss aber bei einer unabhängigen Stelle in einer Biobank verwahrt werden, bis die mündigen Studienteilnehmer dereinst ihre Zustimmung zur Untersuchung geben werden.
Als Grund für den Entscheid werden epigenetische Untersuchungen ins Feld geführt. Die Epigenetik untersucht nicht die Sequenz der Gene auf der DNA sondern wie, wann und warum sie ein- oder ausgeschaltet werden; ein Wissenschaftszweig, der derzeit boomt und wo SESAM mitmischen möchte. Bisher redete man von der SESAM-Seite die Bedeutung der genetischen Untersuchungen im Rahmen des Projekts klein. Und von Untersuchungen der Epigenetik war bisher noch nie die Rede. Doch nun wird offenkundig, welche Lorbeeren man sich verspricht von den genetischen Daten, zu denen Neugeborene den Zugang verschaffen sollen.
Der Basler Appell gegen Gentechnologie warnt davor, Fakten zu schaffen, lange bevor die Mündigkeit der Kinder erreicht ist. Die Probleme, die sich im Umgang mit Biobanken ergeben, sind hinlänglich bekannt. Gesetzliche Regelungen gibt es zur Zeit noch keine und der Persönlichkeitsschutz der Menschen, deren Proben eingelagert sind, wird nur selten gewahrt. Noch immer ist für die Öffentlichkeit unklar, wer wann mit welcher Fragestellung und vor allem mit welcher Berechtigung Zugang zu den bei SESAM gesammelten Datenbergen erhalten wird. Der Basler Appell gegen Gentechnologie spricht sich gegen die Vereinnahmung von Kindern aus, die nicht einwilligungsfähig sind. Wir fordern die SESAMProjektleitung auf, endlich alle Karten auf den Tisch zu legen sowie Mittel und Ziele von SESAM öffentlich zu deklarieren. Der Verein wird zudem bei der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht betreffend SESAM eine Stiftungsaufsichtsbeschwerde einlegen.

Dienstag, 17. April 2007

Sesam: "Basler Appell gegen Gentechnologie" verlangt Akteneinsicht

Der Appell publizierte heute das folgende Communiqué:
Schluss mit der Geheimnistuerei bei SESAM: Basler Appell gegen Gentechnologie fordert umfassende Akteneinsicht

Vor einem Monat wurde das Forschungsprogramm SESAM mit drastischen Abstrichen und unter Auflagen von der Ethikkommission Beider Basel (EKBB) zugelassen. Doch nach wie vor liegen Hintergrund und Pläne des umstrittenen Projekts im Dunkeln. Heute Dienstag hat deshalb der Basler Appell gegen Gentechnologie beim Staatssekretariat für Bildung und Forschung in Bern ein Gesuch um Akteneinsicht in Sachen SESAM gestellt. Unabhängig vom Entscheid der EKBB und einem möglichen baldigen Projektbeginn der Studie fordert der Verein Einsicht in sämtliche amtliche Dokumente, die im Zusammenhang mit dem nationalen Forschungsschwerpunkt SESAM beim Staatssekretariat vorliegen.

Der Basler Appell gegen Gentechnologie hat sich juristisch beraten lassen und beruft sich auf Art. 10 des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung (BGÖ), das seit dem 1. Juni 2006 in Kraft ist. Danach kann jede Person ein Gesuch auf Akteneinsicht bei einer öffentlichen Verwaltung stellen. Des Weiteren berufen wir uns auf Art. 6 BGÖ, nach dem jeder Person das Recht gewährt wird, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten. Die Dokumente können vor Ort eingesehen werden oder es können Kopien davon angefordert werden.

Unter anderem geht es uns um die Vertragsdetails. Das Forschungsprojekt SESAM hat vom Schweizerischen Nationalfonds für die erste Projektphase einen Betrag von 10,2 Millionen Franken erhalten. Zu erwarten ist, dass über die Zahlung dieser Summe ein Vertrag besteht. Der Basler Appell kritisiert die Vergabe von Projektgeldern, die seit zwei Jahren an ein ethisch und rechtlich fragwürdiges Projekt fliessen. Es handelt sich um öffentliche Gelder, insofern fordern wir an dieser Stelle Transparenz über die Verwendung der Mittel und in der Frage, ob das Projekt auch nach den massiven Abstrichen durch die EKBB noch dem Vertrag entspricht.

Zudem verfügt SESAM nach eigenen Angaben über Eigen- und Drittmittel in Höhe von 12'500'786 Franken. Der Basler Appell geht auch hier davon aus, dass Verträge bestehen. Insbesondere verlangen wir Akteneinsicht in sämtliche Abkommen, die zwischen der Firma Hoffmann-La Roche und dem Nationalen Forschungsschwerpunkt SESAM oder der Universität Basel geschlossen wurden.

Schliesslich geht der Basler Appell gegen Gentechnologie davon aus, dass das in den Medien thematisierte, aber nie publizierte Rechtsgutachten von Prof. Reinhard J. Schweizer dem Staatssekretariat für Bildung und Forschung vorliegt. Deshalb fordern wir ebenfalls Einsicht in dieses Gutachen.

Die Erkenntnisse aus der Akteneinsicht können Basis für juristische Schritte des Basler Appells gegen Gentechnologie sein.

Samstag, 17. Februar 2007

basellandschaftliche Zeitung über Podium vom 9.2.

In der Basellandschaftlichen Zeitung berichtete am 13.02.2007 Andrea Masek über das Podium vom 9.2. (siehe auch baz vom 12.2.)

Forschung bei Kindern ist heikles Thema

Von Skepsis geprägt war eine öffentliche Diskussion über das Forschungsprojekt Sesam

«Humanforschung bei Kindern und Jugendlichen am Beispiel von Sesam» lautete das Thema einer Podiumsdiskussion an der Universität Basel, organisiert vom Centrum für Familienwissenschaften. Der Hörsaal war voll - und voll gegen Sesam. Alexander Grob, Vizedirektor des Nationalen Forschungsschwerpunkts Sesam, hatte einen schweren Stand.

Von der Podiumsleiterin, der Publizistin Klara Obermüller, auf die heftige Kritik zu Sesam angesprochen, gab Grob zu, dass man nicht damit gerechnet habe. Der Zeitpunkt für Sesam sei wohl auch unglücklich, da das eidgenössische Humanforschungsgesetz noch nicht steht. Er betonte aber die Einmaligkeit des Forschungsprojekts. Über 20 Jahre sollen 3000 Kinder, deren Eltern und Grosseltern begleitet werden mit dem Ziel, die menschliche Entwicklung und seelische Gesundheit besser zu verstehen.

Die Psychologin Ursula Walter, eine vehemente Kritikerin von Sesam, liess durchblicken, seelische Krankheiten seien ein sehr sensibles und heikles Thema. Doch sie bestätigte die Zunahme. «Sollte man da also nicht nach den Ursachen forschen?», warf Obermüller ein. Das Psychische sei das ganz Persönliche. Könne man dem wirklich auf den Grund gehen, fragt sich Walter. Obermüller fragte darauf, ob es hier nicht einfach auch um den Zusammenprall verschiedener psychologischer Ansätze gehe? Dies musste Walter bejahen. Auch, dass gewisse Teilprojekte von Sesam durchaus weiterverfolgt werden sollten.

Sofort aber warf sie weitere kritische Fragen auf. «Macht man einer schwangeren Frau nicht Angst, wenn man ihr sagt, 40 Prozent aller Kinder werden psychisch krank?» Die Beeinflussung der Familie sei gegeben, dies könne einerseits Sicherheit vermitteln, andererseits aber eben eine Bedrohung darstellen.

Grob erklärte, dass die Beobachtung (in den ersten zwei Jahren müssen die Teilnehmenden mit insgesamt 12 bis 14 Stunden rechnen) beeinflusse, aber nicht mehr als der ganz normale Alltag auch. Die Sesam-Teilnehmenden könnten jedoch Experten dazu befragen und die Entwicklung ihres Kindes dadurch besser verstehen.

Zur Frage des Datenschutzes - die später auch im Publikum wieder aufgegriffen wurde - meinte Grob, dieser sei gewährleistet. Dafür sorgten verschiedene Instanzen, darunter die Ethikkommission beider Basel. Die Zuhörerinnen und Zuhörer zeigten sich davon nicht überzeugt, wie aus dem verbreiteten Kopfschütteln gefolgert werden konnte.

Was dürfen Eltern entscheiden?

Nun wurde auch der Jurist Kurt Seelmann einbezogen, der die Rechtslage der Forschung bei Kindern erklärte. Wobei er einleitend sagte, er wisse nur wenig über Sesam. Dies befremdete, wird er doch vor allem von den Sesam-Gegnern immer wieder zitiert.

Die Diskussion, auf dem Podium und im Publikum, ging dann vor allem um die Zulässigkeit drittnütziger Forschung (Forschung, die nicht den Beforschten, sondern Dritten zugute kommt). Ein Rechtsgutachten, das von Sesam Mitte Januar vorgestellt wurde (die bz berichtete), bestätigt die Zulässigkeit. Seelmann, der im vergangenen Jahr zu gegenteiligem Schluss kam, erklärte, er könne dazu nichts sagen, da er den genauen Wortlaut nicht kenne.

Weiter wurde deutlich, wie sehr die Meinungen (nicht nur von Fachleuten) darüber auseinandergehen, was Eltern für ihre Kinder entscheiden dürfen und was nicht. Einig war man sich ebensowenig über die Aufgaben des Staates: Wie stark muss er die Kinder schützen und wie fest fördern?

Das grundsätzliche Misstrauen gegenüber Sesam aus dem Publikum, das teils auch nur sehr wenig über das Forschungsprojekt zu wissen schien, spiegelte sich zudem in der Frage wider: Wie werden die Eltern geködert? Sie erhielten sachliche Informationen, sagte Grob. Fahrauslagen würden entschädigt und Geschenke wie Plüschtiere im Wert von 20 Franken gemacht. Er erläuterte ferner, dass ein Ausstieg jederzeit möglich sei. Die Bereitschaft in der Schweiz sei aber sehr hoch, Sesam rechne mit einer Beteiligung - auch bei den Teenagern - bis zum Schluss von 70 bis 80 Prozent.

Montag, 12. Februar 2007

baz über Podium vom 9.2.

Stefan Stöcklin am 12.2. in der baz auf S. 19:

«sesam» erregt Gemüter

Podium thematisiert heikle Punkte - Kritik ist ungebrochen

Eine gut besuchte Veranstaltung an der Universität Basel widmete sich dem Forschungsprojekt «sesam». Die Verantwortlichen wurden vor allem mit kritischen Fragen konfrontiert.

Während die Ethikkommission beider Basel (EKBB) das Gesuch für das Forschungsprojekt «sesam» prüft, machte das «Centrum für Familienwissenschaften» das kontrovers diskutierte Projekt zum Thema einer Podiumsdiskussion an der Universität über Forschung an Kindern. Unter der Leitung von Klara Obermüller (bekannt als Autorin und Moderatorin der Sternstunde «Philosophie» beim Schweizer Fernsehen) wurden am Freitagabend einige der Kernpunkte des geplanten Projektes diskutiert. Und einmal mehr wurde an der von gut zweihundert Personen besuchten Veranstaltung deutlich, wie viel Gegenwind dem Projekt entgegenbläst. Denn sowohl von der Moderation als auch vom Publikum her wurden fast ausschliesslich kritische Fragen gestellt oder Feststellungen platziert.

Weichenstellungen

In einer ersten Runde fasste der stellvertretende Direktor des «Nationalen Forschungsschwerpunktes», Alexander Grob, kurz zusammen, weshalb die gross angelegte Studie an 3000 Kindern, die ab der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum 20. Altersjahr untersucht werden sollen, nötig sei. Sein Hauptargument ist, dass viel zu wenig über die Einflüsse und biologischen Faktoren bekannt sei, die bei Kindern zu einer gesunden Entwicklung führten.

Weil entscheidende Weichenstellungen früh in der Kindheit gestellt würden, müsse man mehr darüber in Erfahrung bringen. Diese Wissenslücken könnten mit «sesam» zumindest teilweise gefüllt werden; die Erkenntnisse könnten zudem für eine wirksame Prävention psychischer Krankheiten genutzt werden.

Missbrauchsgefahr

Die Psychologin Ursula Walter führte als Kritikerin einige der heiklen Punkte an. Sie bemängelte insbesondere den allumfassenden Anspruch des Projektes und sagte, man würde der Öffentlichkeit «zu grosse Versprechen machen, man habe sich zu weit aus dem Fenster gelehnt». Zudem würden die Forscher selbst die Situation in den Familien beeinflussen, man erhalte keine objektivierbaren Daten.

Schliesslich seien die geplanten DNA-Untersuchungen undurchsichtig und Anlass zu grossen Bedenken. Alexander Grob bestritt den «absoluten Wahrheitsanspruch» ebenso wie die Gefahr eines Missbrauchs genetischer Daten. Da werde man sich an die Vorgaben der EKBB halten sowie an die Datenschutzreglemente.

Viel Platz nahm an der Veranstaltung das Thema Forschung mit nicht einwilligungsfähigen Kindern ein. Es geht hier um die Frage, ob die Eltern für ihre noch ungeborenen Kinder in ein Forschungsprojekt einwilligen dürfen, das ihnen keinen unmittelbaren Nutzen bringt.

Der Rechtsphilosoph Kurt Seelmann von der Universität Basel führte aus, dass das Kindswohl in den aktuellen Gesetzen sehr hoch bewertet ist und die Verfügungsgewalt der Eltern engen Grenzen unterliegt. Massgeblich sei, so Seelmann, ob sich für die Beteiligten ein Nutzen ableiten lasse oder nicht. «Wenn ‹sesam› einen Nutzen für die Betroffenen ausschliesst», so Kurt Seelmann, «dann wirds schwierig.» Alexander Grob hingegen machte klar, dass sowohl im geplanten Humanforschungsgesetz als auch in der Biomedizin-Konvention diese fremdnützige Forschung in Abwägung von Nutzen und Risiken erlaubt sei.

Baldiger Entscheid

Moderatorin Klara Obermüller kam unter anderem auf die lange Vorlaufszeit des Projektes zu sprechen und die Kritik in der Öffentlichkeit. «Haben Sie Fehler gemacht», fragte sie Alexander Grob. «Wir würden verschiedene Dinge anders machen», sagte dieser, man halte mit «sesam» aber auch den Kopf für «gewisse Dinge» hin, weil die Rechtslage momentan wegen dem Humanforschungsgesetz in Diskussion sei.

Man darf gespannt sein, zu welchem Entscheid die Experten der EKBB kommen werden. Mit ihrem Verdikt ist in ein bis zwei Monaten zu rechnen.

Donnerstag, 25. Januar 2007

«sesam»: Der Druck steigt (baz)

Stefan Stöcklin in der baz heute, 25.1.:

«sesam»: Der Druck steigt

Der Nationalfonds spricht erstmals von Fristen

Der Forschungsschwerpunkt «sesam» ist noch nicht startklar. Der Nationalfonds setzt Limiten.

«Wenn bis im Herbst kein verbindlicher Fahrplan vorliegt, wie es mit ‹sesam› weitergehen soll, dann wirds schwierig», sagt Dieter Imboden, Präsident des Nationalen Forschungsrats vom Schweizerischen Nationalfonds. Nachdem das auf 20 Jahre angelegte Projekt bereits im März 2005 bewilligt wurde, floss im Oktober 2005 die erste Jahrestranche von 2,5 Millionen Franken nach Basel. Nach einer Evaluation werden die Gelder jeweils jährlich gesprochen: Im Herbst 2006 gings noch glatt, man nahm Rücksicht auf die juristisch und ethisch komplexe Ausgangslage und bewilligte die zweite Tranche für das Gesuch, das erst Ende Oktober 2006 der Ethikkommission beider Basel (EKBB) vorgelegt wurde. Ihre Zustimmung ist für den Projektstart nötig.

Doch noch ist offen, wo das Projekt, mit dem die Ursachen von Depressionen anhand von Untersuchungen bei 3000 Kindern erforscht werden sollen, diesen Herbst stehen wird. Zwar gibt man sich bei «sesam» zuversichtlich, wie Alexander Grob, stellvertretender Direktor, an einer Veranstaltung letzte Woche darlegte. Doch es gibt bei diesem Projekt noch viele Klippen zu umschiffen. Dies machte jüngst das Rechtsgutachten des St. Galler Juristen Rainer Schweizer deutlich, das dort präsentiert wurde. Das Gutachten listet elf Problemfelder auf und würdigt sie angesichts der verschiedenen Gesetze (vgl. baz vom 19. Januar). Ein Kernpunkt ist die Zulässigkeit der Forschung an nicht einwilligungsfähigen Kindern, zu dem sich Schweizer zustimmend äussert. Andere Rechtsexperten sehen dies aber anders. Besonders komplex wird dieses Thema, weil Erbgut-Proben genommen werden sollen. Zwar würden diese Daten anonymisiert. Genetische Befunde sind aber zurückführbar. Und was das für die Kinder bedeuten könnte, ist eine der Fragen, denen die EKBB nachgeht.

Die Zuständigkeit der EKBB ist ein weiterer Aspekt im Gutachten Schweizers. Dazu heisst es, dass die von der EKBB getroffenen Entscheidungen keine «Rechtsverbindlichkeit» besässen, sie hätten nur «empfehlenden» Charakter. Die juristische Lage ist unübersichtlich, weil mehrere Kantone mit unterschiedlichen Gesetzen beteiligt sind. Mangels eines nationalen Humanforschungsgesetzes, das zurzeit erst entworfen wird, sei nicht klar, welche Regelung gelte. Im Verlaufe des vergangenen Jahres hat die Leitung allerdings die Zuständigkeit der EKBB ausdrücklich befürwortet und schriftlich festgelegt. Davon rückte man auch letzte Woche nicht ab.

Irritierend ist allerdings die Offenlegung dieses Gutachtens ausgerechnet in jenem Moment, in dem die EKBB mit der Begutachtung beschäftigt ist. Deren Präsident Hans Kummer störte diese Aktion vor allem auch deshalb, weil er dieses Gutachten selbst nie in den Händen hatte. Zudem wurde letzten Herbst zwischen der EKBB und der «sesam»-Leitung festgehalten, dass Schweizer «sesam» anwaltschaftlich nicht vertreten solle.

Nun wurde das Gutachten öffentlich gemacht, was Kummer sehr verärgerte. Er hat bei Alexander Grob interveniert und diesen Dienstag einige Exemplare erhalten. Die Kommission werde das Dokument in die laufende Begutachtung aufnehmen. Wann diese abgeschlossen ist, kann er nicht sagen. Nach der ersten Eingabe des Gesuchs Ende Oktober und mehreren Aussprachen warte man bei der EKBB nun auf die zweite Eingabe. Man werde versuchen, rasch ein für alle Beteiligten akzeptables Ergebnis zu finden.

Wird das Projekt bejaht, kann «sesam» mit der Rekrutierung der Probanden starten. Vielleicht steht aber noch eine politische Diskussion bevor. Opposition angesagt hat der Appell gegen Gentechnologie, der 12'000 Unterschriften gegen «sesam» gesammelt hat.

Im Gutachten Schweizers heisst es, dass «sesam» eine hohe Glaubwürdigkeit benötige, um die Teilnehmenden zur Offenlegung ihrer Daten zu bewegen. Das heisst: Wenn die Rekrutierung Probleme macht, könnte auch dies zum Stolperstein werden. Imboden erinnerte letzte Woche an eine Studie zur Spermaqualität, wo es harziger war als erwartet, die Teilnehmer zu finden.

Dienstag, 9. Januar 2007

Centrum für Familienwissenschaften lädt zu Podium

Humanforschung bei Kindern und Jugendlichen am Beispiel von Sesam

Auf dem Podium diskutieren:
  • Prof. Dr. Alexander Grob, Fakultät für Psychologie, Universität Basel
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Seelmann, Juristische Fakultät, Universität Basel
  • Lic. phil. Ursula Walter, Basel, Psychologin, Psychoanalytikerin
Diskussionsleitung: Dr. phil. Klara Obermüller, Zürich

9. Februar 2007, 18.15 Uhr Kollegiengebäude der Universität Basel, Petersplatz 1, 4051 Basel, Hörsaal 001

Freitag, 15. Dezember 2006

baz über Podiumsdiskussion zu Sesam

Stefan Stöcklin in der Basler Zeitung vom 07.12.:

Engmaschige Begleitung für «sesam»

An einer Podiumsdiskussion nahmen Projektverantwortliche und Exponentinnen der SP zum kontrovers diskutierten Projekt Stellung. Gefordert wird mehr Transparenz.

Dass das Forschungsprogramm «sesam» die Öffentlichkeit bewegt, machte am Dienstagabend eine öffentliche Podiumsdiskussion mit den Projektverantwortlichen und Politikerinnen der SP Basel-Stadt deutlich. Knapp hundert Besucherinnen und Besucher folgten der Einladung ins Café Spitz, wo der stellvertretende Direktor des nationalen Forschungsschwerpunktes, der Entwicklungspsychologe Alexander Grob, in einer Einführung das Projekt vorstellte.

Im Rahmen von «sesam» sollen 3000 Kinder vorgeburtlich erfasst und bis zum 20. Lebensjahr begleitet werden. Ziel sei es, so Grob, mehr über die Faktoren zu lernen, die eine gute psychische Entwicklung begünstigten. «Es gibt einen Mangel an Forschung bei Kleinkindern, zuverlässige Daten fehlen», so Grob. Seine Kollegin Silvia Schneider, Professorin für Kinder- und Jugendpsychologie, führte danach aus, wie diese Daten erhoben werden sollen. Geplant ist, Schwangere anlässlich der ersten Routineuntersuchung in der 12. Schwangerschaftswoche auf «sesam» hinzuweisen und sie zur Teilnahme zu motivieren. Im Falle ihres Einverständnisses würden sie ab der 16. Woche ins Programm aufgenommen. Die Idee ist, das soziale, medizinische und biologische Umfeld mit Befragungen und Tests möglichst gut zu erfassen. Miteinbezogen werden auch die Eltern und Grosseltern.

So weit die Ausgangslage des Projektes, das gegenwärtig bei der Ethikkommission beider Basel (EKBB) zur Begutachtung liegt und seit Bekanntwerden im Frühling 2005 zu vielen teilweise kritischen Fragen Anlass gab, wie Gesprächsleiter Christian Heuss, Wissenschaftsredaktor bei Radio DRS 2, bemerkte. Die öffentliche Kontroverse sei denn auch der Grund, weshalb die SP Basel-Stadt das Thema aufgegriffen habe und zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen wolle, wie Tanja Soland, Grossrätin, Juristin und Mitglied der SP-Geschäftsleitung, ausführte. Sie präsentierte ein Positionspapier zu «sesam» mit einem ganzen Strauss kritischer Punkte. Es gehe nicht um die Befürwortung oder Ablehnung von «sesam», so Soland, sondern um eine kritische Begleitung des Projektes in der Öffentlichkeit.

Nebst der «wenig transparenten Informationspolitik», die ein latentes Misstrauen generiert habe, postulierte sie eine engmaschige Begleitung des Projektes durch die EKBB und eine unabhängige Ombudsstelle. Zu diskutieren wäre auch, ob mit dem Projektstart nicht abgewartet werden müsste, bis das Humanforschungsgesetz in Kraft trete, das gegenwärtig auf nationaler Ebene in Vernehmlassung sei und bessere juristische Grundlagen schaffe.

Die Basler Ständerätin Anita Fetz, Präsidentin der ständerätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, lehnte diesen Vorschlag ab. Allerdings dürfe «sesam» kein Präjudiz für die nationale Gesetzgebung schaffen. Auch sie forderte mehr Transparenz: «Wir müssen eine öffentliche Diskussion über ‹sesam› führen», sagte Fetz. Sibylle Schürch, Mitglied des Universitätsrates und Geschäftsführerin der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, legte den Finger auf die ethischen «Knacknüsse» und benannte mit dem Thema «Kinder als Forschungsobjekte» den Kern der Auseinandersetzung.

Ein Versprechen. In der allgemeinen Diskussion überwogen kritische Fragen und Stellungnahmen. Mit Rücksicht auf die Arbeiten der EKBB, die gegenwärtig das Projekt analysiert und möglicherweise auch Änderungen verlangen wird, wollten und konnten sich die Verantwortlichen zu Projektdetails nicht äussern. Sie versprachen aber eine Verstärkung der Information, sobald der EKBB-Entscheid vorliege. «Es geht nicht gegen die Öffentlichkeit», so Silvia Schneider.

So war der Titel der Veranstaltung «sesam öffne dich!» durchaus gut gewählt und programmatisch zu verstehen, wie Moderator Christian Heuss anmerkte. «sesam» sollte sich inhaltlich öffnen und mehr Transparenz schaffen.

Freitag, 1. Dezember 2006

5.12.: SP-Podiumsdiskussion zu sesam

VERANSTALTUNGSHINWEIS

sesam öffne dich!

Veranstaltung mit Podiumsdiskussion

Dienstag, 5. Dezember 2006, 20.00 – 21.30 Uhr, Meriansaal im Café Spitz, Rheingasse 2, Basel

SESAM IST EIN NATIONALER FORSCHUNGSSCHWERPUNKT ZUR MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG UND SEELISCHEN GESUNDHEIT. DAS PROJEKT WILL DIE KOMPLEXEN URSACHEN ERFORSCHEN, WELCHE DIE PSYCHISCHE ENTWICKLUNG BEEINFLUSSEN UND DAMIT ZUM BESSEREN VERSTÄNDNIS BEITRAGEN, WAS MENSCHEN GESUND ODER KRANK MACHT. DAZU BEGLEITET DIE INTERDISZIPLINÄRE STUDIE 3000 KINDER UND IHRE FAMILIEN ÜBER 20 JAHRE.

DIE SP BASEL-STADT HAT FRAGEN, WÜNSCHE UND SUCHT DAS GESPRÄCH
- 3000 KINDER UND IHRE FAMILIEN WERDEN VOM 1. LEBENSTAG AN 20 JAHRE LANG BEOBACHTET
- ES WERDEN DATEN ÜBER EIN GANZES LEBEN GESAMMELT
- DIE URSACHEN VON DEPRESSIONEN UND ANDEREN SEELISCHEN LEIDEN SOLLEN HERAUSGEFUNDEN WERDEN
- AUCH DAS ERBGUT DER KINDER WIRD ANALYSIERT

Inputreferate
- Was ist sesam? Alexander Grob, Stv. NFS sesam Direktor, Silvia Schneider, NFS sesam Ausbildungsleiterin
- sesam im nationalen Kontext: Anita Fetz, Ständerätin Basel-Stadt
- Die ethische Knacknuss: Sibylle Schürch, Mitglied Universitätsrat Basel, Geschäftsführerin Nationale Ethikkommission
- Das Positionspapier der SP Basel-Stadt: Tanja Soland, Grossrätin und Mitglied der Geschäftsleitung SP Basel-Stadt
Diskussion mit den Referierenden und dem Publikum
Gesprächsleitung: Christian Heuss, Wissenschaftsjournalist Radio DRS 2

Mittwoch, 18. Oktober 2006

Uni BS: sesam als Brücke

Stefan Stöcklin berichtet heute in der baz über die Medienkonferenz der Uni Basel in Sachen Forschungsstrategie in den Life Sciences:

Die Universität will mehr klinische Forschung
Die Life-Sciences sind und bleiben Hauptschwerpunkt der universitären Forschung. Vermehrt wird nach Anwendungen gesucht.

«Wir sind sehr gut, aber wir sind nicht sehr viele», sagte Antonio Loprieno, der Rektor der Universität Basel, zum Zustand seiner Institution und verwies auf die eben veröffentlichten Rankings, wo Basel beispielsweise Platz 75 der besten Hochschulen weltweit erreicht hat. Loprieno und sein Vizerektor Forschung, Peter Meier-Abt, nahmen die BioValley-Life-Sciences-Woche im Kongresszentrum zum Anlass, um ihre Forschungsstrategie einem grösseren Publikum näher auszuführen.
Dass sie dazu das Biotech-Event auswählten, war natürlich kein Zufall, sondern inhaltliches Programm. «Die Lebens- und Kulturwissenschaften sind unsere beiden Makroschwerpunkte», sagte Loprieno. Beide würden gleichberechtigt nebeneinander stehen, doch alle wüssten, der eine › die Life Sciences › sei ein bisschen «gleicher».
Damit hob der Rektor die grosse Bedeutung der Lebenswissenschaften hervor, die in Basel richtigerweise gefördert würden. Da sie viel kosteten und die Universität nicht in der Lage sei, allein die notwendige kritische Masse zu erreichen, seien Kooperationen nötig. Loprieno erwähnte sowohl die Zusammenarbeit mit der grossen Wissenschaftsgemeinde der trinationalen Region als auch mit den Unternehmern.
Umsetzung in Praxis. Des Rektors Votum für die Life Sciences war ein willkommenes Zuspiel für den Vizerektor Forschung. Peter Meier-Abt nannte drei Pfeiler, die für eine «erfolgreiche Entwicklung» der Life Sciences wichtig seien: die Umsetzungsforschung (Translational Research), das heisst die Überführung von Erkenntnissen in anwendbare Produkte, die Zusammenarbeit mit industriellen Partnern und der Dialog mit der Öffentlichkeit.
Ins Zentrum seiner Ausführungen stellte Meier-Abt sodann die klinische Forschung, das heisst Untersuchungen und Forschungsarbeiten mit und an Menschen zur Entwicklung von medizinischen Wirkstoffen. «Die klinische Forschung muss eine unserer Stärken werden», postulierte Meier-Abt. Dies durch eine Bündelung der Kräfte, von der Grundlagenforschung bis zum Versuch in der Klinik. «Es geht nicht darum, die Grundlagenforschung zu beschneiden, sondern wenn immer möglich Anwendungen zu generieren», sagte Meier-Abt im Gespräch mit der baz.
Neben den Pharmawissenschaften zählt er im Weiteren auf die Systembiologie am Zentrum der ETH in Basel und an der Universität. Interessant schliesslich die Rolle, die der Forschungs-Vizerektor dem umstrittenen Nationalen Forschungsschwerpunkt «sesam» beimisst, das heisst der grossangelegten Kinderstudie zur Erforschung von Depressionen. Als Projekt der Psychologie stehe «sesam» an der Schnittstelle zwischen den beiden Makroschwerpunkten. Das von der Ethikkomission noch nicht bewilligte Projekt solle in Zukunft dazu dienen, eine Brücke zwischen den beiden zu schlagen. Denn auf Dauer sei die Trennung unzeitgemäss.
Da speziell Forschung mit Menschen Anlass zu kontroversen Diskussionen gibt, müsse der Dialog mit der Öffentlichkeit gepflegt werden. Hier macht die Universität vorwärts: Ab nächstem Jahr soll im Pharmazeutischen Museum am Totengässlein ein «Café Scientifique» eröffnet werden, wo offene Fragen diskutiert würden.
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

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