So vermeldete die baz am 23.11.1998 die Berufung von Jürgen Margraf:
Neuer Professor für Psychologie
BaZ. Jürgen Margraf (42) ist vom Universitätsrat zum Ordinarius für klinische Psychologe und Psychotherapie und vom Regierungsrat zum Abteilungsleiter für klinische Psychologie an der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Basel gewählt worden. Er tritt auf den 1. April 1999 die Nachfolge von Viktor Hobi an, der auf diesen Zeitpunkt in den Ruhestand treten wird.
Der Deutsche Jürgen Margraf, der seine Studien in Brüssel, Kiel, Tübingen sowie in den USA absolviert hat und in verschiedenen deutschen und amerikanischen Universitäten tätig war, ist seit 1993 Profesor für klinische Psychologie und Psychotherapie in Dresden. Er gilt laut einer Mitteilung der Universität Basel international als einer der profundesten Angst- und Psychotherapieforscher. Er habe auch mehrere Projekte mit der Basler Pharmaindustrie realisiert. Die Kombination eines Ordinariats an der Philosophisch-historischen Fakultät der Uni und der Abteilungsleitung an der PUK ermögliche eine in Europa einmalige Ausbildung in klinischer Psychologie.
patpatpat - 17. Jan, 10:00
Die baz meldet heute, dass die Ethikkommission beider Basel 2 neue Mitglieder hat:
Der Basler Regierungsrat hat vor wenigen Tagen anstelle der zurückgetretenen Christine Ballmer-Hofer als Mitglieder der Ethikkommission beider Basel [EKBB] Dr. phil Daniela Heimberg und Dr. phil. Sarah Mendelowitsch gewählt. Mit der Wahl von zwei Psychologinnen könne der wachsenden Nachfrage nach spezifischer Kompetenz im Bereich der psychologischen Forschung nachgekommen werden, schreibt die Regierung in ihrer Begründung der Wahl. Die Ethikkommission beider Basel prüft derzeit die Gesuche des umstrittenen Nationalen Forschungsschwerpunktes «sesam» der Psychologischen Fakultät der Universität Basel.
Woher die beiden kommen, ist der baz nicht zu entnehmen und war es auch der
Mitteilung des baselstädtischen Regierungsrates nicht. Darum sei das hier nachgeholt, soweit mit einer kurzen Recherche eruierbar. Heimberg ist Psychologin am Kantonsspital Bruderholz
bei den Externen Psychiatrischen Diensten. Sie leitet laut baz vom 20.12. das "Care Team Baselland", das "emotionale Erste Hilfe bei Unfällen" leiste. Über ihren Werdegang steht auf dem Umschlag des von ihr verfassten Buches "
Zusammenbruch der Gestalt":
Daniela Renate Heimberg, geb. 1963, Studium der Klinischen Psychologie, Sozialpsychologie und Psychopathologie an der Universität Bern. Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Bern (Schizophrenieforschung). Ab 1992 wissenschaftliche Assistentin und Klinische Psychologin am Institut für Psychologie der Universität Basel und an der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel, Leitung des psychophysiologischen Labors. 1999 Promotion. Ausbildung in kognitiver Verhaltenstherapie. Seit 2001 Leitende Psychologin an den Externen Psychiatrischen Diensten Baselland.
Mendelowitsch
arbeitet offenbar an der
Reha Klinik Rheinfelden und
unterrichtet an der Basler Fakultät für Psychologie (wo sesam angesiedelt ist)
klinische Neuropsychologie. Sie scheint in der ersten Hälfte der 90er Jahre in Basel
dissertiert zu haben über Reuven Feuersteins "
Instrumental Enrichment".
patpatpat - 16. Jan, 09:10
Humanforschung bei Kindern und Jugendlichen am Beispiel von Sesam
Auf dem Podium diskutieren:
- Prof. Dr. Alexander Grob, Fakultät für Psychologie, Universität Basel
- Prof. Dr. Dr. h.c. Kurt Seelmann, Juristische Fakultät, Universität Basel
- Lic. phil. Ursula Walter, Basel, Psychologin, Psychoanalytikerin
Diskussionsleitung: Dr. phil. Klara Obermüller, Zürich
9. Februar 2007, 18.15 Uhr Kollegiengebäude der Universität Basel, Petersplatz 1, 4051 Basel, Hörsaal 001
patpatpat - 9. Jan, 16:44
Die Volkshochschule beider Basel hat die Zusammenfassung von Margrafs Vortrag online gestellt. Hier deren Inhalt:
Das Projekt "sesam" - Menschliche Entwicklung und seelische Gesundheit verstehen
Prof. Dr. rer. soc. Jürgen Margraf
Zusammenfassung
Gesundheit ist für die meisten Menschen das höchste Gut. Viele Menschen empfinden dies mit zunehmendem Alter immer stärker. Gleichzeitig liegen die Wurzeln der Entwicklung zu Gesundheit und Krankheit häufig in der Kindheit und Jugend, wobei Familie und Umwelt über die ganzen Lebensspanne einen wichtigen Einfluss haben. Dies gilt auch für seelische Erkrankungen, an denen weltweit immer mehr Menschen leiden. Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer seelischen Störung zu erkranken, liegt in der Schweiz derzeit bei über 40%. Der grosse Einfluss seelischer Störungen wie beispielsweise der Depression zeigt sich auch beim Vergleich der Todesfälle durch Verkehrsunfälle und Suizide: Im Jahre 2002 standen in der Schweiz 543 Verkehrstoten (Strasse und Schiene) 1546 Suizide gegenüber.
Was sind die Ursachen und Auslöser von seelischen Störungen wie Depressionen, belastenden Ängsten oder Süchten? Welche Risikofaktoren begünstigen ihren Ausbruch, welche Schutzfaktoren wirken ihnen entgegen? Obwohl diese Fragen von grösster Bedeutung sind, kann die Forschung sie heute noch nicht zufrieden stellend beantworten. Zwar sind viele Einflussfaktoren bekannt, aber es fehlen wissenschaftlich fundierte Befunde über ihre genaue
Wirkung und vor allem ihr gegenseitiges Zusammenwirken. Dieses Wissen ist jedoch die Voraussetzung für die Entwicklung wirkungsvoller Strategien zur Vorbeugung und Behandlung im Bereich der seelischen Gesundheit.
Der Nationale Forschungsschwerpunkt sesam wurde vom Bundesrat im Jahr 2005 ins Leben gerufen, um die komplexen Ursachen zu erforschen, die zu seelischer Gesundheit oder Krankheit führen. Das Programm Nationale Forschungsschwerpunkte (NFS) des Schweizerischen Nationalfonds fördert langfristig angelegte Forschungsvorhaben zu Themen von strategischer Bedeutung für die Zukunft der schweizerischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
Drei Hauptaspekte prägen die NFS: exzellente und international sichtbare Forschung, Wissens- und Technologietransfer, Ausbildung und Frauenförderung. Zudem sollen die NFS zur besseren Strukturierung der schweizerischen Forschungslandschaft beitragen.
sesam arbeitet mit einem Netzwerk von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland und kooperiert mit Spitälern in der ganzen Schweiz. Die Heiminstitution des NFS ist die Universität Basel, viele weitere Universitäten kooperieren.
Die Abkürzung "sesam" steht für "swiss etiological study of adjustment and mental health", was mit "Schweizerische Ursachenstudie zu seelischer Gesundheit und Anpassung" übersetzt werden kann. sesam möchte dazu beitragen, menschliche Entwicklung und seelische Gesundheit besser zu verstehen. Dazu begleitet die interdisziplinäre Studie 3000 Kinder und ihre Familien über 20 Jahre, beginnend ab Frühling 2007. Dabei kommt der älteren Generation eine besondere Bedeutung zu. In der mitteleuropäischen Gesellschaft ist das drei-Generationen-Haus selten geworden: Grosseltern werden aus einer Vielzahl von Gründen (immer) weniger in die Erziehung der Enkelkinder einbezogen. Gleichzeitig leben Menschen heute länger und haben damit auch Erwachsene eine viel grössere Chance, noch mit ihren Grosseltern gemeinsam auf der Welt zu sein. Während im Jahr 1900 nur 2% aller 20jährigen lebende Grosseltern hatten, sind dies heute 76%! Grosseltern können das Aufwachsen der Enkel wesentlich bereichern. Und auch umgekehrt kann gelten, dass eine nahe Beziehung zu ihren Kindern und Enkeln die Senior/innen länger jung erhält und zu ihrer Lebenszufriedenheit beiträgt. In sesam wird daher u.a. erforscht, welche Rolle Grosseltern bei der Erziehung oder Transferleistungen zwischen Generationen spielen. Ebenso wird die Frage untersucht, welchen Einfluss grosselterliche Unterstützung auf die psychische Gesundheit aller drei Generationen hat.
Die wichtigsten Ziele, die sesam erreichen möchte, lauten:
- gesundheitsfördernde und schützende Faktoren identifizieren
- kritische Konstellationen im Lebenskontext verstehen, die einer gesunden seelischen Entwicklung entgegenstehen
- zur Entstigmatisierung seelischen Störungen beitragen
- Grundlagen für die Entwicklung wirksamer Prävention, Behandlung und Bewältigungsstrategien bei seelischen Krankheiten und Lebenskrisen entwickeln
Der Vortrag informiert über die Hintergründe und Vorgehensweisen der sesam-Studie unter besonderer Berücksichtigung der älteren Generation.
patpatpat - 28. Dez, 11:00
Was für eine Welt
Engmaschige Begleitung für «sesam», Basler Untersuchung zeigt: «Seebach ist kein Einzelfall»; baz 7. 12. 06
Die Idee der SP, mit einem Positionspapier zu «sesam» das Nationalfondsprojekt wieder ins Gespräch zu bringen und an einem Abend im Merian-Saal des Café Spitz zwei Projektleiter mit kritischen Fragen zu konfrontieren, scheint mir äusserst verdienstvoll. In derselben baz finden sich aber auf der Frontseite und im Regionalteil Berichte über den Fall «Seebach» und entsprechende Vorfälle in Basel. In was für einer Welt leben wir, und was dient unserer Gesellschaft? Sind es Untersuchungen, die über zwanzig Jahre heute noch ungeborene Kinder samt ihren Eltern und teilweise Grosseltern in einen ethisch äusserst problematischen Forschungsraster zwingen? Wozu setzen wir öffentliche Gelder ein? Für Forschungen über zwanzig Jahre, die kaum viel mehr erbringen können, als wir eigentlich schon wissen, oder für Hilfe an die heutige Erziehergeneration, Eltern, Lehrerinnen, Ausbildner? Wir können durch Weiterbildung, Coaching und Ähnliches die heutige Erwachsenengeneration vor Burn-outs bewahren und den Jugendlichen helfen, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Nur, das braucht Geld, so gut wie die Forschung, und solches wird heute gerne weggespart.
Judith Gessler, Riehen
patpatpat - 15. Dez, 10:38
Stefan Stöcklin in der Basler Zeitung vom 07.12.:
Engmaschige Begleitung für «sesam»
An einer Podiumsdiskussion nahmen Projektverantwortliche und Exponentinnen der SP zum kontrovers diskutierten Projekt Stellung. Gefordert wird mehr Transparenz.
Dass das Forschungsprogramm «sesam» die Öffentlichkeit bewegt, machte am Dienstagabend eine öffentliche Podiumsdiskussion mit den Projektverantwortlichen und Politikerinnen der SP Basel-Stadt deutlich. Knapp hundert Besucherinnen und Besucher folgten der Einladung ins Café Spitz, wo der stellvertretende Direktor des nationalen Forschungsschwerpunktes, der Entwicklungspsychologe Alexander Grob, in einer Einführung das Projekt vorstellte.
Im Rahmen von «sesam» sollen 3000 Kinder vorgeburtlich erfasst und bis zum 20. Lebensjahr begleitet werden. Ziel sei es, so Grob, mehr über die Faktoren zu lernen, die eine gute psychische Entwicklung begünstigten. «Es gibt einen Mangel an Forschung bei Kleinkindern, zuverlässige Daten fehlen», so Grob. Seine Kollegin Silvia Schneider, Professorin für Kinder- und Jugendpsychologie, führte danach aus, wie diese Daten erhoben werden sollen. Geplant ist, Schwangere anlässlich der ersten Routineuntersuchung in der 12. Schwangerschaftswoche auf «sesam» hinzuweisen und sie zur Teilnahme zu motivieren. Im Falle ihres Einverständnisses würden sie ab der 16. Woche ins Programm aufgenommen. Die Idee ist, das soziale, medizinische und biologische Umfeld mit Befragungen und Tests möglichst gut zu erfassen. Miteinbezogen werden auch die Eltern und Grosseltern.
So weit die Ausgangslage des Projektes, das gegenwärtig bei der Ethikkommission beider Basel (EKBB) zur Begutachtung liegt und seit Bekanntwerden im Frühling 2005 zu vielen teilweise kritischen Fragen Anlass gab, wie Gesprächsleiter Christian Heuss, Wissenschaftsredaktor bei Radio DRS 2, bemerkte. Die öffentliche Kontroverse sei denn auch der Grund, weshalb die SP Basel-Stadt das Thema aufgegriffen habe und zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen wolle, wie Tanja Soland, Grossrätin, Juristin und Mitglied der SP-Geschäftsleitung, ausführte. Sie präsentierte ein Positionspapier zu «sesam» mit einem ganzen Strauss kritischer Punkte. Es gehe nicht um die Befürwortung oder Ablehnung von «sesam», so Soland, sondern um eine kritische Begleitung des Projektes in der Öffentlichkeit.
Nebst der «wenig transparenten Informationspolitik», die ein latentes Misstrauen generiert habe, postulierte sie eine engmaschige Begleitung des Projektes durch die EKBB und eine unabhängige Ombudsstelle. Zu diskutieren wäre auch, ob mit dem Projektstart nicht abgewartet werden müsste, bis das Humanforschungsgesetz in Kraft trete, das gegenwärtig auf nationaler Ebene in Vernehmlassung sei und bessere juristische Grundlagen schaffe.
Die Basler Ständerätin Anita Fetz, Präsidentin der ständerätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, lehnte diesen Vorschlag ab. Allerdings dürfe «sesam» kein Präjudiz für die nationale Gesetzgebung schaffen. Auch sie forderte mehr Transparenz: «Wir müssen eine öffentliche Diskussion über ‹sesam› führen», sagte Fetz. Sibylle Schürch, Mitglied des Universitätsrates und Geschäftsführerin der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, legte den Finger auf die ethischen «Knacknüsse» und benannte mit dem Thema «Kinder als Forschungsobjekte» den Kern der Auseinandersetzung.
Ein Versprechen. In der allgemeinen Diskussion überwogen kritische Fragen und Stellungnahmen. Mit Rücksicht auf die Arbeiten der EKBB, die gegenwärtig das Projekt analysiert und möglicherweise auch Änderungen verlangen wird, wollten und konnten sich die Verantwortlichen zu Projektdetails nicht äussern. Sie versprachen aber eine Verstärkung der Information, sobald der EKBB-Entscheid vorliege. «Es geht nicht gegen die Öffentlichkeit», so Silvia Schneider.
So war der Titel der Veranstaltung «sesam öffne dich!» durchaus gut gewählt und programmatisch zu verstehen, wie Moderator Christian Heuss anmerkte. «sesam» sollte sich inhaltlich öffnen und mehr Transparenz schaffen.
patpatpat - 15. Dez, 10:31
Das Dokument im Wortlaut:
Positionspapier der SP Basel-Stadt zur Studie SESAM
Die SP Basel-Stadt begrüsst es grundsätzlich, dass die Studie SESAM als Nationaler Forschungsschwerpunkt bei der Universität Basel angesiedelt worden ist. Die SP Basel-Stadt setzt sich für eine Universität auf hohem Niveau ein und ist der Meinung, dass die Hochschulen ein wichtiges Rückgrat der Wirtschaftsregion Nordwestschweiz sind. Das Ziel von SESAM, die Erforschung der Ursachen, die zu einer gesunden psychischen Entwicklung vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter führen, halten wir auch für erstrebenswert. Doch erscheint es uns als problematisch, dass der Ansatz dazu sehr einseitig ist und die geisteswissenschaftliche Komponente nicht miteinbezogen wird. Die SP Basel-Stadt möchte das Projekt SESAM kritisch begleiten und wir weisen daher auf einige heikle Bereiche hin.
- Die SP Basel-Stadt möchte hervorheben, dass die Informationspolitik von SESAM bisher wenig transparent war und wir fordern deshalb die Forschungsleitung auf, in Zukunft aktiver zu informieren. Die Abläufe bzw. der aktuelle Stand der Studie, sollte für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein. Dies kann auch mittels eines Newsletters für interessierte Kreise erzielt werden. Zudem erachten wir den Internetauftritt des Projektes eher als einen Propagandatext. Wir erwarten von der Projektleitung eine sachlichere Informationspolitik. Damit die öffentliche Diskussion weitergeführt werden kann und SESAM während dessen Laufzeit auch kritisch von allen Interessierten begleitet werden kann.
- Die SP Basel-Stadt möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass öffentliche Gelder in das Projekt SESAM investiert wurden. Aus diesem Grund hat die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information. Die Öffentlichkeit muss wissen, wie die Gelder verwendet werden.
- Die SP Basel-Stadt betont ausserdem, dass wir das bisherige Vorgehen der Projektleitung als fragwürdig betrachten. Es erscheint uns problematisch, dass der Nationalfonds bereits Gelder gesprochen hat und diese auch schon für die Vorbereitungen eingesetzt wurden. Und dies, bevor eine Ethikkommission das Projekt geprüft, geschweige denn bewilligt hat. Die Unterlagen wurden der Ethikkommission beider Basel (EKBB) zudem sehr spät zugestellt. Dieses Vorgehen macht misstrauisch und hinterlässt ein ungutes Gefühl.
- Die SP Basel-Stadt fordert, dass der Forschungsleitung Auflagen betreffend der Rahmenbedingungen gemacht werden. Zum einen muss der Datenschutz gesichert sein. Insbesondere unter dem Aspekt, dass die Studie sich über zwanzig Jahre erstrecken soll. Es stellt sich insbesondere die Frage, wie die Studienleitung mit dem Wissen aus diesen Datenerhebungen umgehen wird. Wie werden z.B. negative Ergebnisse aus diesen Untersuchungen den betroffenen Personen kommuniziert und wie wirkt sich dies auf ihre persönliche Situation bzw. auf ihren Versicherungsschutz aus. Ausserdem sollen die internationalen Abkommen im Bereich Datenschutz beachtet werden.
- Zum anderen erachtet die SP es für unerlässlich, dass die teilnehmenden Personen ihren Entscheid autonom treffen können. Daher ist es wichtig, dass in den Informationsunterlagen, welche den zu befragenden Personen ausgehändigt werden, auch kritische Punkte angesprochen werden. Ideal wäre die Beilage eines Infoblattes, welches von KritikerInnen der Studie angefertigt wird. Kontradiktorisch zusammengestellte Unterlagen ermöglichen den angesprochenen Personen, sich ein unabhängiges Bild machen zu können.
- Die SP Basel-Stadt wünscht sich von der EKBB eine engmaschige Kontrolle und Begleitung von SESAM. Dazu soll die EKBB auch die nötigen finanziellen Mittel erhalten. Die SP fordert, dass neben der Ethikkommission auch die Öffentlichkeit SESAM kritisch auf die Finger sehen. Wir schlagen zudem dem Unirat Basel-Stadt vor, dass er von SESAM während der ganzen Laufzeit regelmässig (z.B. jährlich) Rechenschaftsberichte einfordert und genehmigt. Wir würden es als sinnvoll erachten, wenn zu SESAM eine Ombudsstelle eingerichtet resp. benennt und allen Teilnehmenden resp. direkt oder indirekt Betroffenen klar kommuniziert würde.
- Die SP Basel-Stadt fordert, dass die rechtlichen Abklärungen differenzierter durchgeführt werden. Die rechtlichen Abklärungen müssen notwendigerweise vor dem Anlauf der Teilprojekte erledigt sein. Dafür sollen die finanziellen Mittel der Studie verwendet werden. Es stellt sich bei SESAM die Frage, ob Datenerhebungen von Kindern überhaupt rechtlich möglich sind. Im neuen Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Art. 10 Abs. 2 GUMG; Inkrafttreten voraussichtlich am 1.1.07) wird dies verboten, wenn es den Kindern nicht direkt nützt. Daher scheint es rechtlich fragwürdig, ob die Eltern überhaupt in solche Untersuchungen einwilligen können. Daneben wurde auch nicht sorgfältig abgeklärt, ob es sich bei den geplanten Forschungsprojekten um grundrechtliche Eingriffe handelt und inwiefern diese zulässig sind.
- Die SP Basel-Stadt erachtet es zudem als unabdingbar, dass SESAM sich an die geltenden Internationalen Abkommen hält, namentlich in bezug auf die fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen. Gemäss der Deklaration von Helsinki wie auch der Bioethikkonvention wird gefordert, dass minderjährige Personen nicht in die Forschung mitein-bezogen werden, es sei denn, die Forschung ist für die Förderung der Gesundheit von Minderjährigen erforderlich und kann nicht mit einwilligungsfähigen Personen durchgeführt werden. Zudem soll von einem Kind, welches fähig ist, die Zustimmung zu erteilen, diese Zustimmung auch eingeholt werden. Daher fordern wir, dass der Nachweis erbracht wird, dass SESAM für die Gesundheit von Kindern einen absehbaren Nutzen erbringt und dass die Einwilligung dieser Kinder spätestens ab der Einschulung eingeholt wird.
- Im Weiteren können auch aus ethischen Gründen Bedenken angemeldet werden. So ist die Frage zu klären, ob es vertretbar ist, dass jemand für 20 Jahre zum Versuchsobjekt gemacht wird, ohne je dazu gefragt worden zu sein. Ebenso ändert sich unter Beobachtung auch die Eltern/Kind-Beziehung oder die Beziehung zu Geschwistern. Das Projekt SESAM wirft ethische Fragen auf, welche die Gesellschaft in ihrem Selbstverständnis betreffen. Noch ein Grund, weshalb für das Projekt Transparenz gefordert wird, damit genau diese sensiblen Fragen in der Öffentlichkeit diskutiert werden können.
Abschliessend stellt die SP Basel-Stadt folgenden Forderungen auf:
- Die Voraussetzungen für die Bewilligung des Projektes und das Vorgehen dazu müssen eindeutig sein. Es muss klar definiert sein, welche Ethikkommission zuständig ist.
- Es dürfen keine weiteren öffentlichen Gelder ausgegeben werden, bevor das Projekt von der zuständigen Ethikkommission bewilligt worden ist.
- Die SP kann der zuständige Ethikkommission nur dann empfehlen, das Projekt zu genehmigen, wenn folgende Punkte klar und transparent erfüllt sind:
a) Der Datenschutz muss gewährleistet sein. Es muss nachvollziehbar sein, ob und wie die Daten anonymisiert werden.
b) Die Studienleitung muss klar und nachvollziehbar darlegen, wie sie mit dem allfälligen Nachweis behandlungsbedürftiger Leiden umgehen wird.
c) Es muss klar, kontrollierbar und nachvollziehbar dargelegt werden, wie die Studienleitung mit Daten umgeht, welche für einzelne Probanden, Probandinnen oder deren Familien tief greifende Konsequenzen haben können.
d) Es muss klar, kontrollierbar und nachvollziehbar dargelegt werden, ob und wie die Studienleitung das "Recht auf Nichtwissen" von Probanden, Probandinnen oder deren Familien respektieren wird.
patpatpat - 15. Dez, 10:21
Der Sesamwebsite
ist zu entnehmen:
Nachdem die geplanten Vorstudien des NFS sesam der Ethik-Kommission beider Basel (EKBB) am 12. Juni 2006 zur Begutachtung eingereicht wurden, wurde am 31. Oktober 2006 in Absprache mit der EKBB ergänzend die sesam-Hauptstudie zur Begutachtung eingereicht.
patpatpat - 4. Dez, 16:49
VERANSTALTUNGSHINWEIS
sesam öffne dich!
Veranstaltung mit Podiumsdiskussion
Dienstag, 5. Dezember 2006, 20.00 – 21.30 Uhr, Meriansaal im Café Spitz, Rheingasse 2, Basel
SESAM IST EIN NATIONALER FORSCHUNGSSCHWERPUNKT ZUR MENSCHLICHEN ENTWICKLUNG UND SEELISCHEN GESUNDHEIT. DAS PROJEKT WILL DIE KOMPLEXEN URSACHEN ERFORSCHEN, WELCHE DIE PSYCHISCHE ENTWICKLUNG BEEINFLUSSEN UND DAMIT ZUM BESSEREN VERSTÄNDNIS BEITRAGEN, WAS MENSCHEN GESUND ODER KRANK MACHT. DAZU BEGLEITET DIE INTERDISZIPLINÄRE STUDIE 3000 KINDER UND IHRE FAMILIEN ÜBER 20 JAHRE.
DIE SP BASEL-STADT HAT FRAGEN, WÜNSCHE UND SUCHT DAS GESPRÄCH
- 3000 KINDER UND IHRE FAMILIEN WERDEN VOM 1. LEBENSTAG AN 20 JAHRE LANG BEOBACHTET
- ES WERDEN DATEN ÜBER EIN GANZES LEBEN GESAMMELT
- DIE URSACHEN VON DEPRESSIONEN UND ANDEREN SEELISCHEN LEIDEN SOLLEN HERAUSGEFUNDEN WERDEN
- AUCH DAS ERBGUT DER KINDER WIRD ANALYSIERT
Inputreferate
- Was ist sesam? Alexander Grob, Stv. NFS sesam Direktor, Silvia Schneider, NFS sesam Ausbildungsleiterin
- sesam im nationalen Kontext: Anita Fetz, Ständerätin Basel-Stadt
- Die ethische Knacknuss: Sibylle Schürch, Mitglied Universitätsrat Basel, Geschäftsführerin Nationale Ethikkommission
- Das Positionspapier der SP Basel-Stadt: Tanja Soland, Grossrätin und Mitglied der Geschäftsleitung SP Basel-Stadt
Diskussion mit den Referierenden und dem Publikum
Gesprächsleitung: Christian Heuss, Wissenschaftsjournalist Radio DRS 2
patpatpat - 1. Dez, 07:43
Stefan Stöcklin heute in der Basler Zeitung auf Seite 15:
Gesuch für «sesam» eingereicht
Seit Mitte dieser Woche ist es
auf der Webseite von «sesam» nachzulesen: Per 31. Oktober hat die Projektleitung die Hauptstudie des Nationalen Forschungsschwerpunktes «sesam» bei der Ethikkommission beider Basel (EKBB) eingereicht › still und leise unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nach langen Verzögerungen kann sich die EKBB somit an die Arbeit machen und das kontrovers diskutierte Projekt begutachten (vgl. baz vom 25. August 2006). Bewilligt wurde der Forschungsschwerpunkt vom Nationalfonds bereits im März 2005.
Die Expertenkommission wird die Vereinbarkeit der Studie, welche die psychische Entwicklung von 3000 Kindern ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum 20. Altersjahr verfolgen will, mit den ethischen Prinzipen für die Forschung am Menschen prüfen und über die Zulässigkeit entscheiden. Im Zentrum von «sesam» steht die Ursachenforschung für Depressionen und Angststörungen.
Bis ein Entscheid der EKBB vorliegt, dürften nochmals Wochen, allenfalls Monate vergehen. Zu den Terminen will man sich bei der EKBB nicht äussern, zugesichert ist bis Ende November eine «erste Einschätzung». Zu rechnen sei angesichts der Komplexität aber mit zusätzlichen Expertengutachten. Auf Seiten von «sesam» äussert man sich diesbezüglich zurückhaltend. Der stellvertretende Direktor, Prof. Alexander Grob sagt nur: «Die Entscheidungsgrundlagen sollten vorliegen.» Man gehe aber davon aus, dass frühestens nächsten Frühling mit der Rekrutierung von Schwangeren begonnen werden könne, wie Sprecher Daniel Habegger sagt. Der Einreichung gingen monatelange Abklärungen voraus.
Es stellte sich heraus, dass das Projekt trotz der Zusage durch den Nationalfonds auf der juristisch-ethischen Seite schwach abgestützt war. Besonders die Frage der Zuständigkeit der Ethikkommissionen war unklar, da mehrere Forschungsgruppen in verschiedenen Kantonen beteiligt sind, eine eidgenössische Kommission aber fehlt. Die nationale Ethikkommison im Bereich Humanmedizin hat nur eine beratende Aufgabe. Eine ethische Begutachtung ist aber nötig, damit die Studie starten kann.
Zudem bewegt sich «sesam» an der Schnittstelle Psychologie/Medizin, die kantonalen Ethikkommissionen haben in der Regel aber kein Mandat für die Prüfung psychologischer Forschung. Das führte anfänglich zu Unstimmigkeiten zwischen der «sesam»-Leitung und der EKBB. Unterdessen seien diese Fragen geklärt. «Wir haben die EKBB für zuständig erklärt», sagt Grob. «Und wir haben ein gutes Einvernehmen.»
Bei der Einreichung der Unterlagen sei die ganze Projektleitung von «sesam» anwesend gewesen. EKBB-Präsident Hans Kummer habe die Unterlagen persönlich in Empfang genommen.
Die EKBB hat auch aufgerüstet und beschäftigt neu eine Psychiaterin. Zudem wurde ein Psychologe der Universität Basel als Berater beigezogen, dessen Name aber nicht bekannt gegeben wird.
Jetzt liegt der Ball bei der EKBB, die das Projekt auf allfällig unzulässige Projekte abklopfen muss und Auflagen machen kann. Im Zentrum geht es um die Abwägung von Risiken und Nutzen der Forschung an unmündigen, nicht urteilsfähigen Kindern, ein unter Spezialisten heiss diskutiertes Feld. Klare Antworten gibt es nicht. Die Kernstudie wird daraufhin geprüft werden müssen, ob sie die Kinder in ihrer Entwicklung in irgend einer Form behindern könnte. Dazu gehören unter anderem die Ultraschalluntersuchungen und ihre Analysen, die Befragungen der Familien oder die genetischen Studien. Auch setzt die lange Zeitdauer des Vorhabens von 20 Jahren hohe Hürden für eine umfassende ethische Bewertung.
«sesam»-Direktor Jürgen Margraf war für eine Stellungnahme gestern nicht erreichbar.
«Herr Margraf schreibt an einem Buch und ist in Klausur», sagte die Sekretärin.
patpatpat - 10. Nov, 10:17