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Freitag, 16. September 2005

Projektbeschrieb veröffentlichen?

Der Basellandschaftlichen Zeitung vom 14.9. ist zu entnehmen:

Die Vorbereitungsarbeiten sind gemacht. Der über 200-Seitige Projektbeschrieb liegt vor.

Liegt vor wo? Die Website von Sesam gibt sich weiterhin sehr zugeknöpft. Wär ja eine noble Geste, die wenig Aufwand verlangt, den Projektbeschrieb dort als .pdf-File öffentlich zugänglich zu machen. Was soll die Geheimniskrämerei? Im direkten Kontakt war nämlich wenig zu erfahren. Oder soll ich mich gar angelogen fühlen, wenn auf meine Anfrage vom 17.8. am 9.9. die im Gegensatz zur Aussage der bz stehende Antwort eintrudelt:

Die Förderung des durch das SNF unterstützten Projektes beginnt ab 1. Oktober 2005, weshalb wir bis dahin keine weiteren Informationen zu den geplanten Teilstudien haben werden als jetzt auf der SESAM-Homepage vorhanden.

"Wir werden bis 1.10. keine weiteren Informationen haben als auf der Homepage." vs. "Der über 200-Seitige Projektbeschrieb liegt vor."

männliche Ratio ws. weibliche Emotio

Ist es Interpretation der Journalistin oder sinngemässes Zitat, wenn Andrea Masek in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 14.9.05 schreibt, die Kritik mittels "Kampagne" sei "emotional" (Pascale Steck, Margrith von Felten und andere), Grob hingegen "versucht zu begegnen" mit "rationalen Argumenten"? Ein Griff tief in die patriarchale Mottenkiste zur Denunziation schon nur nachfragender Frauen ist es in jedem Fall:

Alexander Grob, stellvertretender Leiter des Projektes Sesam an der Universität Basel, findet es richtig und wichtig, dass über Sesam diskutiert wird. Er versucht, der emotionalen Kampagne vor allem des "Basler Appells" mit rationalen Argumenten zu begegnen. So stellt er gleich als erstes klar: "An Föten werden keine Interventionen vorgenommen, es wird kein Genmaterial entnommen."

"Foeten Genmaterial entnehmen"? 1. heisst "Genmaterial entnehmen" nichts und 2. hat davon gar niemand gesprochen. Es geht um die Genomanalyse, wofür es ausreicht, nachgeburtlich Gewebe / Blut zu entnehmen. Und das Genom der Beobachteten ist explizit einer der "specific research foci" von Sesam:

- genetics of positive mental health and psychopathology and its interactions with psychological and social factors

Heiligsprechung

Wieviel Kritik ist noch möglich an einem Grossprojekt, das der ehemalige Vizerektor der Universität Basel und in dieser Funktion Vorsteher des Ressorts Forschung, vielfältig engagierte Physikprofessor, Forschungspolitiker und ehemalige baselstädtische SP-Ständerat Gian-Reto Plattner adelt mit der folgenden Bezeichnung, die der Vizeleiter Sesam zitiert, gemäss der Basellandschaftlichen Zeitung vom 14.9.05, noch bevor das erste Teilprojekt gestartet ist?

"Ein Schatz von nationaler Bedeutung"

Wer wollte da noch Fragen stellen? Ein Zweifel bleibt: Hat Plattner dies wirklich gesagt? Die Quellenlage ist unklar. Ich konnte das Original nicht ausfindig machen, welches ihm direkt die Aussage in den Mund legt. In der bz behauptet Grob, Plattner habe dies gesagt, ohne die Quelle zu nennen. Die bz druckt die Aussage von Grob über Plattner, wohl unverifiziert:

Zudem werde die Studie je länger desto wertvoller; "ein Schatz von nationaler Bedeutung", wie der ehemalige Prorektor der Uni, Gian-Reto Plattner, Sesam bezeichnet habe, erklärt Grob.

Übrigens: Seit wann hat die Uni Basel einen "Prorektor"? Da hab ich wohl was verpasst...

Woher der Wind weht

basellandschaftliche Zeitung, vorgestern 14.9.: zwei längere Artikel über das Projekt Sesam (als Bilder: bz-14-09-05-1 (gif, 120 KB) bz-14-09-05-2 (jpg, 192 KB)). Alexander Grob, stellvertretender Leiter des Projektes auf die Frage, wie damit umzugehen sei, dass die Kinder, deren Leben 20 Jahre lang durchleuchtet werden sollen, ihr Einverständnis nicht geben können:

"Der Punkt ist", sagt er, "dass wir davon ausgehen, dass die Eltern zum wohl des Kindes entscheiden." Würden die Kinder etwa gefragt, ob sie geimpft werden wollen? Würden die Eltern den Foetus fragen, ob sie während der Schwangerschaft rauchen und trinken dürfen? Und würden die Erwachsenen nicht etwa täglich mit der Einnahme der Pille über das Leben eines Kindes entscheiden?

Die Pilleneinnahme sehen als täglichen Mord am ungeborenen Kind? Ratzinger lässt grüssen! Die christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegner frohlocken und singen "Halleluja!", dass ein Mann von dieser Geisteshaltung, also mindestens implizit einer der ihren, Vizechef von Sesam ist. Es kommt aber noch besser. Nochmals die basellandschaftliche:

Ganz anderer Art sind die ethischen Fragen, die für die Forscher relevant sind. "Was tun, wenn wir bei einer Untersuchung etwa einen Gehirntumor entdecken?", fragt sich Grob. Für solche Fälle wird man sich absichern und die Teilnehmenden eine Erklärung unterschreiben lassen.

Der Onkel von Sesam stellt also fest, dass die kleine Anna einen Gehirntumor entwickelt. Was soll der Onkel jetzt tun? Eine ethische Frage? Soll er den Eltern nichts sagen und als Beobachter zurücktreten und fasziniert zuschauen, wie sich das Familiensystem entwickelt, wenn ein Gehirntumor unentdeckt bleibt (Eine interessante Fragestellung, Herr Kollega, tatsächlich!)? Die Eltern haben ja unterschrieben, dass sie die Sesam-Onkelz von jeglicher Informationspflicht entbinden. Oder soll der Sesamonkel die kleine Anna retten indem er die Eltern informiert über etwas, das nur aufgefallen ist, weil Anna regelmässig untersucht wird (regelmässiger als Nicht-Sesam-Kinder)? Damit würde der Sesamonkel Anna einen Vorteil verschaffen gegenüber den Nicht-Sesam-Kindern. Aber der Sesamonkel greift in das Experiment "Annas Leben" ein und macht so sein Setting kaputt. Was für ein perverses Dilemma!
Und nochmals aus der Zeitung:

"Wir machen keine tiefenpsychologischen Studien der einzelnen Personen", fasst Grob zusammen, "sondern sehen uns Ausschnitte aus dem Alltag an". Denn das Umfeld zeige immer mehr Wirkung auf die Entwicklung des Kindes. Ein Kind wachse zum Beispiel im Kleinbasel anders auf, als eines in Riehen, verdeutlicht Grob. Ob die Eltern in einem Einfamilienhaus wohnen oder in einem Wohnblock, könnte ebenfalls eine Rolle spielen. In einem Block könnten etliche Belastungsfaktoren wie lärmende Nachbarn oder bellende Hunde dazukommen und ein Kleinkind vermehrt zum Schreien bringen.

Ich kenn das Resultat von Grobs vergleichender Studie über von bellenden Hunden und krakeelenden Nachbarn gestörte Kleinbasler BlockKidz einerseits und in sozialer Isolation gestillte, in Stoffwindeln gepackte Riehener Schuhschachtel-Kinder andererseits schon heute: Nur die Kleinfamilie im Reiheneinfamilienhaus garantiert die gemäss "SESAM-Standard 2026" als gesund geltende Normalbiographie des Sprösslings. Denn um die Definition von "gesund" geht es ziemlich explizit:

Gewisse so genannte Risikofaktoren haben ebenfalls - manchmal positiven, in anderen Fällen negativen - Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes und sollen genau studiert werden. Wie Grob erläutert, können dies Kindergarten- oder Schuleintritte, Wohnortswechsel, die Trennung der Eltern oder der Tod einer nahen Person sein. " Die Wissenschaft hat kaum Erkenntnisse darüber, was passiert, wenn sich solche Faktoren summieren", meint er. Solche Erkenntnisse soll Sesam liefern, damit die Frage "Was macht uns gesund?" beantwortet werden kann.

Was passiert mit der kleinen Anna, wenn während des Zügelns kurz vor dem Schuleintritt die Eltern sich scheiden lassen nach dem Tod der geliebten Grossmutter? Ein Fragestellung, die unbedingt der wissenschaftlichen Klärung bedarf, ganz offensichtlich!
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

Grundsätze



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