Basis von sesam-Teilprojekt "unzumutbar"
baz 23.05.06
Affenversuche an ETH sind «unzumutbar»
Ethische Bedenken gegen Tierversuche mit Menschenaffen - Forscher widersprechen
Autor: GERHARD LOB
Zwei Fachkommissionen kritisieren die Depressionsforschung an Äffchen an der ETH Zürich schwer. Sie fordern strengere Auflagen bei der Bewilligung von Versuchen mit Menschenaffen (Primaten). Tierversuche an grossen Menschenaffen sollen strikt verboten werden.
Die Eidgenössische Kommission für Tierfragen (EKTV) und die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) stellten gestern in Bern ihren gemeinsamen Ethikbericht zur Forschung an Menschenaffen vor. Auslöser für die Stellungnahme war ein Versuch an der ETH Zürich, der im vergangenen Sommer für einigen Wirbel gesorgt hatte.
Depression erforscht.
Beim mittlerweile eingestellten Experiment von Christopher Pryce, der auch Projektnehmer des Basler Nationalforschungsprogramms «Sesam» ist, wurden Marmosetten (Weissbüscheläffchen) am ETH-Labor für Verhaltensneurobiologie in Schwerzenbach im Bereich der Depressionsforschung eingesetzt. Die jungen Äffchen wurden dabei zwischen dem 2. und 28. Lebenstag gewaltsam und zu immer anderen Tageszeiten 30 bis 120 Minuten von ihren Müttern getrennt, um die Entstehung von Depressionen aufgrund von «Early Life Stress» zu untersuchen. Physiologische Untersuchungen, speziell auch die Messung von Stresshormonen im Urin der Affenbabys, sollten Aufschluss über die physiologischen, neurochemischen und neuroanatomischen Langzeitfolgen für die Äffchen geben. Primaten sind in der Depressionsforschung beliebt, weil ihre Psyche der des Menschen am ähnlichsten ist.
Grenze überschritten.
Für die beiden genannten Kommissionen hat dieser, von den Zürcher Instanzen bewilligte Versuch jedoch die Grenze des Zumutbaren überschritten. Die Versuche hätten zudem in den Schweregrad 3 kategorisiert werden müssen (siehe Text rechts). «Unabhängig von irgendwelchen damit verbundenen menschlichen Interessen sind sie aus ethischer Sicht nicht vertretbar. Auf den Erkenntnisgewinn ist deshalb grundsätzlich zu verzichten», heisst es im Bericht. An diesem Befund ändert auch nichts, dass die Autoren des Berichts die Forschung zur Bekämpfung der Depression ausdrücklich begrüssen.
Ausgehend von dieser konkreten Versuchsbeurteilung, haben die Kommissionen generelle Empfehlungen zu Tierversuchen mit Primaten formuliert. Wegen der kognitiven Fähigkeiten dieser Tiere sei bei der Bewilligung von Versuchen grössere Zurückhaltung angebracht. Zudem gebe es ein Belastungsausmass, welches den Tieren generell nicht zugemutet werden dürfe. Gesuche um Primatenversuche müssten zwingend interdisziplinär auf ihre Wissenschaftlichkeit und die Forschungsziele begutachtet werden. Gefordert wird zudem eine nationale Bewilligungsstelle.
Versuchsverbot.
Versuche an den grossen Menschenaffen - Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang Utans - sollen gemäss Kommissionsvorschlägen gänzlich verboten werden. Belastende Versuche an ihnen seien grundsätzlich unzulässig. Einzig die beobachtende Forschung sei moralisch vertretbar.
Die Vorschläge der beiden eidgenössischen Kommissionen für den Umgang mit Experimenten an Primaten sind auf geteiltes Echo gestossen. Durch den Bericht seien Missverständnisse vorprogrammiert, teilte die ETH mit. Die Kommissionen leiteten ihre Empfehlungen aus einem einzigen Fall ab, machten die ETH-Vertreter gestern geltend. Skeptisch bis ablehnend reagierte auch Novartis in Basel (siehe Bericht auf Seite 1). Der Schweizerische Nationalfonds, der neben anderen Primatenversuchen auch die Krallenäffchen-Studie finanziell gefördert hatte, kündigte an, die Forderungen der beiden Kommissionen zu prüfen.
Affenversuche an ETH sind «unzumutbar»
Ethische Bedenken gegen Tierversuche mit Menschenaffen - Forscher widersprechen
Autor: GERHARD LOB
Zwei Fachkommissionen kritisieren die Depressionsforschung an Äffchen an der ETH Zürich schwer. Sie fordern strengere Auflagen bei der Bewilligung von Versuchen mit Menschenaffen (Primaten). Tierversuche an grossen Menschenaffen sollen strikt verboten werden.
Die Eidgenössische Kommission für Tierfragen (EKTV) und die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) stellten gestern in Bern ihren gemeinsamen Ethikbericht zur Forschung an Menschenaffen vor. Auslöser für die Stellungnahme war ein Versuch an der ETH Zürich, der im vergangenen Sommer für einigen Wirbel gesorgt hatte.
Depression erforscht.
Beim mittlerweile eingestellten Experiment von Christopher Pryce, der auch Projektnehmer des Basler Nationalforschungsprogramms «Sesam» ist, wurden Marmosetten (Weissbüscheläffchen) am ETH-Labor für Verhaltensneurobiologie in Schwerzenbach im Bereich der Depressionsforschung eingesetzt. Die jungen Äffchen wurden dabei zwischen dem 2. und 28. Lebenstag gewaltsam und zu immer anderen Tageszeiten 30 bis 120 Minuten von ihren Müttern getrennt, um die Entstehung von Depressionen aufgrund von «Early Life Stress» zu untersuchen. Physiologische Untersuchungen, speziell auch die Messung von Stresshormonen im Urin der Affenbabys, sollten Aufschluss über die physiologischen, neurochemischen und neuroanatomischen Langzeitfolgen für die Äffchen geben. Primaten sind in der Depressionsforschung beliebt, weil ihre Psyche der des Menschen am ähnlichsten ist.
Grenze überschritten.
Für die beiden genannten Kommissionen hat dieser, von den Zürcher Instanzen bewilligte Versuch jedoch die Grenze des Zumutbaren überschritten. Die Versuche hätten zudem in den Schweregrad 3 kategorisiert werden müssen (siehe Text rechts). «Unabhängig von irgendwelchen damit verbundenen menschlichen Interessen sind sie aus ethischer Sicht nicht vertretbar. Auf den Erkenntnisgewinn ist deshalb grundsätzlich zu verzichten», heisst es im Bericht. An diesem Befund ändert auch nichts, dass die Autoren des Berichts die Forschung zur Bekämpfung der Depression ausdrücklich begrüssen.
Ausgehend von dieser konkreten Versuchsbeurteilung, haben die Kommissionen generelle Empfehlungen zu Tierversuchen mit Primaten formuliert. Wegen der kognitiven Fähigkeiten dieser Tiere sei bei der Bewilligung von Versuchen grössere Zurückhaltung angebracht. Zudem gebe es ein Belastungsausmass, welches den Tieren generell nicht zugemutet werden dürfe. Gesuche um Primatenversuche müssten zwingend interdisziplinär auf ihre Wissenschaftlichkeit und die Forschungsziele begutachtet werden. Gefordert wird zudem eine nationale Bewilligungsstelle.
Versuchsverbot.
Versuche an den grossen Menschenaffen - Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang Utans - sollen gemäss Kommissionsvorschlägen gänzlich verboten werden. Belastende Versuche an ihnen seien grundsätzlich unzulässig. Einzig die beobachtende Forschung sei moralisch vertretbar.
Die Vorschläge der beiden eidgenössischen Kommissionen für den Umgang mit Experimenten an Primaten sind auf geteiltes Echo gestossen. Durch den Bericht seien Missverständnisse vorprogrammiert, teilte die ETH mit. Die Kommissionen leiteten ihre Empfehlungen aus einem einzigen Fall ab, machten die ETH-Vertreter gestern geltend. Skeptisch bis ablehnend reagierte auch Novartis in Basel (siehe Bericht auf Seite 1). Der Schweizerische Nationalfonds, der neben anderen Primatenversuchen auch die Krallenäffchen-Studie finanziell gefördert hatte, kündigte an, die Forderungen der beiden Kommissionen zu prüfen.
Belastung der Tiere kennt vier StufenWeitere Zeitungen: NZZ. Sesam reagierte gleichentags kurz und knapp:
Das Bundesamt für Veterinärwesen teilt Tierversuche in vier Belastungs-Schweregrade ein:
>Der Schweregrad 0 steht für Eingriffe und Handlungen, durch die den Tieren keine Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zugefügt werden. Beispiel: Blutentnahme.
>Unter den Schweregrad 1 fallen Eingriffe und Handlungen, die eine leichte kurzfristige Belastung (Schmerzen oder Schäden) bewirken. Beispiel: Injektion unter Zwang.
>Dem Schweregrad 2 werden Eingriffe und Handlungen zugeordnet, die eine kurzfristig mittelgradige oder mittel- bis langfristig leichte Belastung (wie Schmerzen, Schäden, schwere Angst) bewirken. Beispiele: Futter- oder Wasserentzug.
>Zum Schweregrad 3 werden Eingriffe und Handlungen gezählt, die eine schwere bis sehr schwere oder eine mittel- bis langfristig mittelgradige Belastung bewirken. Beispiele: Tödlich verlaufende Infektions- und Krebskrankheiten ohne vorzeitige Euthanasie.
Mitteilung der sesam-Leitung vom 23. Mai 2006
sesam hat den gemeinsamen Bericht der Eidg. Kommission für Tierversuche (EKTV) und der Eidg. Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) zur „Forschung an Primaten – eine ethische Bewertung“ zur Kenntnis genommen. Im Rahmen des sesam-Projektes sind keine Tierversuche geplant. Resultate der Grundlagenforschung zu Depressionen sind für sesam relevant. sesam wird bis Mitte Juni 2006 prüfen, ob sich aus dem Bericht der EKTV und der EKAH mögliche Implikationen für den Nationalen Forschungsschwerpunkt ergeben.
patpatpat - 24. Mai, 00:31