Artikel zu Humanforschungsgesetz heute im "Bund": "Umstrittene Zwangsforschung"
Die Forschung am Menschen soll einheitlich geregelt werden - Kritiker weisen den Gesetzesvorschlag zurück
In der Schweiz fehlt ein Gesetz, das die Forschung am Menschen regelt. Ein Vorschlag steht nun zur Diskussion. Heikler Punkt: Untersuchungen an urteilsunfähigen Personen.
Yvonne Leibundgut
In der Schweiz soll die Forschung am Menschen einheitlich geregelt werden. Wie schwierig eine solche gesetzliche Regelung ist, zeigt das Forschungsprojekt «Sesam». Die Basler Untersuchung geht der Frage nach, wie sich psychische Krankheiten entwickeln. Dazu werden 3000 Kinder ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum 20. Lebensjahr regelmässig untersucht. Das Forschungsprojekt ist umstritten. Kritik und Fragen kommen vor allem aus dem linksgrünen Lager. Ist es erlaubt, das Erbgut von Neugeborenen zu untersuchen? Ist die medizinische Forschung an Kindern zulässig?
Jeder Kanton macht es anders
Zu diesen und ähnlichen Fragen gibt es heute keine abschliessende gesetzliche Antwort: So könnte in einigen Kantonen ein Projekt wie Sesam nicht durchgeführt werden. Die Kantone Jura, Neuenburg, Schaffhausen und Tessin verbieten die Forschung an urteilsunfähigen Personen, wie eben zum Beispiel Kindern. Diese ist nur dann zulässig, wenn die Betroffenen einen direkten Nutzen daraus ziehen können. Auf der anderen Seite haben heute fünf Kantone überhaupt keine gesetzliche Regelung zur Forschung am Menschen: Appenzell Innerrhoden, Nidwalden, Schwyz, Uri und Zug.
Mit dem Humanforschungsgesetz sollen nun einheitliche Rahmenbedingungen festgelegt werden (siehe dazu Kasten). Nach mehrjähriger Arbeit hat der Bundesrat einen Verfassungsartikel und ein entsprechendes Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, die bis Ende Mai dauert. Ziel ist es, möglichst viele verschiedene Bereiche unter einem Dach zu regeln. Der Forschung soll zwar ein möglichst grosser Freiraum gegeben werden, ohne dabei aber den «Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen» zu verletzen, hält der Bundesrat fest. Doch was heisst das? Darf künftig zum Beispiel ein totgeborener Embryo für Forschungszwecke untersucht werden? Soll nach dem Tod einer Person deren Leiche den Chirurgen zur Verfügung stehen, um neue Operationstechniken zu testen? Darf ein entfernter Tumor für die Forschung gebraucht werden?
Rücktritt aus Protest
Laut Gesetzesentwurf ist die Forschung am Menschen grundsätzlich erlaubt, wenn die Betroffenen eine Einwilligung dazu geben. Heikel wird es dann, wenn eine Person nicht einwilligen kann, bei allen so genannt Urteilsunfähigen wie Ungeborenen, Kindern, Demenzkranken oder Behinderten. Schwierig ist es auch, wenn der Entscheid nicht mehr getroffen werden kann, weil eine Person vorher verstorben ist.
«Eine urteilsunfähige Person darf gegen ihren Widerstand in ein Forschungsprojekt einbezogen werden, wenn davon eine Verbesserung ihrer Gesundheit erwartet wird.» Dieser Punkt stösst nun jedoch in der Vernehmlassung auf heftige Kritik. Für Carola Meier-Seethaler, Mitglied der Nationalen Ethikkommission und Philosophin, ist er unter anderem der Grund, um aus der Ethikkommission auszutreten. Der Vorschlag mache Zugeständnisse, die «weit über die bereits liberalen Regelungen der europäischen Biomedizinkonvention hinausgehen», erklärte Meier-Seethaler. Und auch die ersten Stellungnahmen aus der Vernehmlassung zeigen, dass dieser Punkt heikel ist und auf Kritik stösst. So schreibt der Basler Appell gegen Gentechnologie: «Damit werden alle nationalen und internationalen Standards unterlaufen.» Der Gesetzesvorschlag sei deshalb zurückzuweisen.
Transparenz ist oberstes Ziel
Im Bundesamt für Gesundheit ist man sich bewusst, dass der Vorschlag Diskussionen auslöst. Man wolle mit dem Gesetz vor allem «Transparenz» und ein Regelwerk schaffen, das wenig Interpretationsspielraum lasse, heisst es. In anderen Ländern würden die strengeren Gesetze oft so interpretiert, dass die Forschung dann trotzdem gemacht werden könne.
Tatsächlich würde die Schweiz mit der Regelung der Forschung an urteilsunfähigen Personen mehr zulassen als andere Länder. Auch die internationale Biomedizin-Konvention, ein Übereinkommen des Europarates, ist restriktiver und lehnt die Forschung an urteilsunfähigen Menschen ab, wenn diese Widerstand leisten.
Das Gesetz über die Forschung am Menschen sieht Regelungen in den folgenden Bereichen vor:
· die Forschung mit Personen (einschliesslich der Forschung mit besonders verletzbaren Personen wie Kindern, Menschen mit einer Behinderung, aber auch Gefangenen);
· die Forschung an Verstorbenen; · die Forschung an biologischem Material und mit Personendaten; · die Forschung an abortierten oder totgeborenen Embryonen und Föten.
Heute gibt es in den einzelnen Kantonen unterschiedliche Regelungen und Verbote. Auf Bundesebene sind lediglich klinische Versuche mit Heilmitteln oder Studien in der Transplantationsmedizin geregelt. Zudem hält das Strafgesetzbuch die Voraussetzungen fest, unter denen die persönlichen Daten von Patienten für die Forschung verwendet werden dürfen. Und schliesslich hat das Volk 2005 dem Stammzellengesetz zugestimmt, das die Forschung an Stammzellen erlaubt und regelt.
In der Schweiz fehlt ein Gesetz, das die Forschung am Menschen regelt. Ein Vorschlag steht nun zur Diskussion. Heikler Punkt: Untersuchungen an urteilsunfähigen Personen.
Yvonne Leibundgut
In der Schweiz soll die Forschung am Menschen einheitlich geregelt werden. Wie schwierig eine solche gesetzliche Regelung ist, zeigt das Forschungsprojekt «Sesam». Die Basler Untersuchung geht der Frage nach, wie sich psychische Krankheiten entwickeln. Dazu werden 3000 Kinder ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum 20. Lebensjahr regelmässig untersucht. Das Forschungsprojekt ist umstritten. Kritik und Fragen kommen vor allem aus dem linksgrünen Lager. Ist es erlaubt, das Erbgut von Neugeborenen zu untersuchen? Ist die medizinische Forschung an Kindern zulässig?
Jeder Kanton macht es anders
Zu diesen und ähnlichen Fragen gibt es heute keine abschliessende gesetzliche Antwort: So könnte in einigen Kantonen ein Projekt wie Sesam nicht durchgeführt werden. Die Kantone Jura, Neuenburg, Schaffhausen und Tessin verbieten die Forschung an urteilsunfähigen Personen, wie eben zum Beispiel Kindern. Diese ist nur dann zulässig, wenn die Betroffenen einen direkten Nutzen daraus ziehen können. Auf der anderen Seite haben heute fünf Kantone überhaupt keine gesetzliche Regelung zur Forschung am Menschen: Appenzell Innerrhoden, Nidwalden, Schwyz, Uri und Zug.
Mit dem Humanforschungsgesetz sollen nun einheitliche Rahmenbedingungen festgelegt werden (siehe dazu Kasten). Nach mehrjähriger Arbeit hat der Bundesrat einen Verfassungsartikel und ein entsprechendes Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, die bis Ende Mai dauert. Ziel ist es, möglichst viele verschiedene Bereiche unter einem Dach zu regeln. Der Forschung soll zwar ein möglichst grosser Freiraum gegeben werden, ohne dabei aber den «Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen» zu verletzen, hält der Bundesrat fest. Doch was heisst das? Darf künftig zum Beispiel ein totgeborener Embryo für Forschungszwecke untersucht werden? Soll nach dem Tod einer Person deren Leiche den Chirurgen zur Verfügung stehen, um neue Operationstechniken zu testen? Darf ein entfernter Tumor für die Forschung gebraucht werden?
Rücktritt aus Protest
Laut Gesetzesentwurf ist die Forschung am Menschen grundsätzlich erlaubt, wenn die Betroffenen eine Einwilligung dazu geben. Heikel wird es dann, wenn eine Person nicht einwilligen kann, bei allen so genannt Urteilsunfähigen wie Ungeborenen, Kindern, Demenzkranken oder Behinderten. Schwierig ist es auch, wenn der Entscheid nicht mehr getroffen werden kann, weil eine Person vorher verstorben ist.
«Eine urteilsunfähige Person darf gegen ihren Widerstand in ein Forschungsprojekt einbezogen werden, wenn davon eine Verbesserung ihrer Gesundheit erwartet wird.» Dieser Punkt stösst nun jedoch in der Vernehmlassung auf heftige Kritik. Für Carola Meier-Seethaler, Mitglied der Nationalen Ethikkommission und Philosophin, ist er unter anderem der Grund, um aus der Ethikkommission auszutreten. Der Vorschlag mache Zugeständnisse, die «weit über die bereits liberalen Regelungen der europäischen Biomedizinkonvention hinausgehen», erklärte Meier-Seethaler. Und auch die ersten Stellungnahmen aus der Vernehmlassung zeigen, dass dieser Punkt heikel ist und auf Kritik stösst. So schreibt der Basler Appell gegen Gentechnologie: «Damit werden alle nationalen und internationalen Standards unterlaufen.» Der Gesetzesvorschlag sei deshalb zurückzuweisen.
Transparenz ist oberstes Ziel
Im Bundesamt für Gesundheit ist man sich bewusst, dass der Vorschlag Diskussionen auslöst. Man wolle mit dem Gesetz vor allem «Transparenz» und ein Regelwerk schaffen, das wenig Interpretationsspielraum lasse, heisst es. In anderen Ländern würden die strengeren Gesetze oft so interpretiert, dass die Forschung dann trotzdem gemacht werden könne.
Tatsächlich würde die Schweiz mit der Regelung der Forschung an urteilsunfähigen Personen mehr zulassen als andere Länder. Auch die internationale Biomedizin-Konvention, ein Übereinkommen des Europarates, ist restriktiver und lehnt die Forschung an urteilsunfähigen Menschen ab, wenn diese Widerstand leisten.
Das Gesetz über die Forschung am Menschen sieht Regelungen in den folgenden Bereichen vor:
· die Forschung mit Personen (einschliesslich der Forschung mit besonders verletzbaren Personen wie Kindern, Menschen mit einer Behinderung, aber auch Gefangenen);
· die Forschung an Verstorbenen; · die Forschung an biologischem Material und mit Personendaten; · die Forschung an abortierten oder totgeborenen Embryonen und Föten.
Heute gibt es in den einzelnen Kantonen unterschiedliche Regelungen und Verbote. Auf Bundesebene sind lediglich klinische Versuche mit Heilmitteln oder Studien in der Transplantationsmedizin geregelt. Zudem hält das Strafgesetzbuch die Voraussetzungen fest, unter denen die persönlichen Daten von Patienten für die Forschung verwendet werden dürfen. Und schliesslich hat das Volk 2005 dem Stammzellengesetz zugestimmt, das die Forschung an Stammzellen erlaubt und regelt.
patpatpat - 11. Mai, 10:45