Archiv

Juli 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Aargauer Zeitung: "Margraf...
Bis vor einigen Monaten war unklar, ob Jürgen Margraf...
sesaminput - 21. Nov, 10:21
Geht Margraf doch nicht...
Jürgen Margraf habe sich noch nicht endgültig festgelegt,...
sesaminput - 21. Nov, 10:18
interessante Info zur...
Renato L. Galeazzi hat das Staatsexamen 1968 in Bern...
so nicht - 16. Okt, 18:25
NZZ-Leserbrief 13.8.09,...
Das Papier der Arbeitsgruppe «Lesson learned» (leider...
sesaminput - 16. Okt, 13:32
"Sesam" heisst auf Englisch...
Was in der Schweiz mit 3'000 Kindern scheiterte, soll...
sesaminput - 9. Jul, 08:26

Hinweis

-+-+-+-+-+-+-+-

Samstag, 27. Mai 2006

"Eskalation der Argumentation": Pressechef Nationalfonds in Leserbrief an baz

zu «Es wäre viel mehr Bescheidenheit angesagt»; baz 19. 5. 06

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) begrüsst den sachlichen öffentlichen Diskurs wissenschaftlicher Themen. Mit Bedauern muss er nun jedoch zur Kenntnis nehmen, dass in der Berichterstattung der baz zum NFS Sesam der Uni Basel eine Eskalation der Argumentation zu beobachten ist, welche einer konstruktiven Diskussion nicht dienlich ist. Im Interview mit Chefarzt Theodor Cahn wird ein ungeheuerlicher Zusammenhang von Sesam mit der Eugenik und Vernichtungsaktionen im Dritten Reich hergestellt und gar als Zitat in den Vordergrund gerückt. Es ist das Recht von Herrn Cahn, sich als Psychoanalytiker zu Sesam zu äussern, doch sollte unabhängig von Meinungsverschiedenheiten wissenschaftlicher Schulen äusserst vorsichtig umgegangen werden mit solch schwerwiegenden, in diesem Fall in keiner Weise fundierten historischen Vergleichen. Sesam ist vom SNF, basierend auf einer internationalen Expertenevaluation, vorgeschlagen und vom Bundesrat aufgrund seiner dringlichen Fragestellungen zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung zum Nationalen Forschungsschwerpunkt bestimmt worden. Herr Cahn hat selbst erwähnt, dass es im heutigen Wissenschaftsbetrieb glücklicherweise effiziente Sicherungen gegen missbräuchliche Forschung gibt, und dies im Interesse der Forschenden und natürlich der Gesellschaft.


Philippe Trinchan, Presse- und Informationsdienst des SNF, Bern

Mittwoch, 24. Mai 2006

Leserbrief in der baz

Zu «Es wäre viel mehr Bescheidenheit angesagt»; baz 19. 5. 06

Für bedenklich halte ich zwei Argumentationslinien in den Äusserungen von Theodor Cahn: 1. Herr Cahn bringt sesam in Zusammenhang mit Eugenik und der deutschen nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Er erhärtet diesen Zusammenhang inhaltlich in keiner Weise. Im Zusammenhang mit der Empfehlung von wissenschaftlicher Bescheidenheit an die Adresse der mehrheitlich aus Deutschland stammenden Projektleiter empfinde ich diese Argumentationslinie als ehrabschneidend, weil es das Gegenüber seiner wissenschaftlichen und menschlichen Seriosität beraubt. 2. Herr Cahn erweckt in dem Interview den Anschein, für die Psychoanalyse zu sprechen. Wie ist es dann zu erklären, dass mehrere Psychoanalytiker Mitantragsteller für sesam sind (siehe Homepage: www.sesamswiss.ch)? Zur Klarstellung: Ich selber bin an dem Projekt sesam nicht beteiligt.

Alexander Kiss, Professor für Psychosomatik, Universität Basel

Leserbrief vom 23.5.

Bei der Lektüre des Interviews zum Projekt sesam der Uni Basel, kam ich nicht mehr aus dem Staunen heraus. Da werden Fragen gestellt und beantwortet wie «Könnte man sagen, das Projekt beruhe auf sehr faktengläubigem Gedankengut?» Ich scheine verpasst zu haben, dass Fakten heutzutage scheinbar etwas Unanständiges sind. Aber, was ist denn die Alternative zu Fakten und, dass man sich bei der Beurteilung eines Sachverhalts auf Fakten abstützt? Ein Gedankengut, das jedem Scharlatan und Quacksalber Glauben schenkt? Ich bleibe auf jeden Fall Anhänger eines «faktengläubigen Gedankenguts» - und ich hoffe, die baz bleibt es auch.

Benedikt Schmidt, Pratteln

Basis von sesam-Teilprojekt "unzumutbar"

baz 23.05.06

Affenversuche an ETH sind «unzumutbar»
Ethische Bedenken gegen Tierversuche mit Menschenaffen - Forscher widersprechen

Autor: GERHARD LOB

Zwei Fachkommissionen kritisieren die Depressionsforschung an Äffchen an der ETH Zürich schwer. Sie fordern strengere Auflagen bei der Bewilligung von Versuchen mit Menschenaffen (Primaten). Tierversuche an grossen Menschenaffen sollen strikt verboten werden.

Die Eidgenössische Kommission für Tierfragen (EKTV) und die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) stellten gestern in Bern ihren gemeinsamen Ethikbericht zur Forschung an Menschenaffen vor. Auslöser für die Stellungnahme war ein Versuch an der ETH Zürich, der im vergangenen Sommer für einigen Wirbel gesorgt hatte.
Depression erforscht.
Beim mittlerweile eingestellten Experiment von Christopher Pryce, der auch Projektnehmer des Basler Nationalforschungsprogramms «Sesam» ist, wurden Marmosetten (Weissbüscheläffchen) am ETH-Labor für Verhaltensneurobiologie in Schwerzenbach im Bereich der Depressionsforschung eingesetzt. Die jungen Äffchen wurden dabei zwischen dem 2. und 28. Lebenstag gewaltsam und zu immer anderen Tageszeiten 30 bis 120 Minuten von ihren Müttern getrennt, um die Entstehung von Depressionen aufgrund von «Early Life Stress» zu untersuchen. Physiologische Untersuchungen, speziell auch die Messung von Stresshormonen im Urin der Affenbabys, sollten Aufschluss über die physiologischen, neurochemischen und neuroanatomischen Langzeitfolgen für die Äffchen geben. Primaten sind in der Depressionsforschung beliebt, weil ihre Psyche der des Menschen am ähnlichsten ist.
Grenze überschritten.
Für die beiden genannten Kommissionen hat dieser, von den Zürcher Instanzen bewilligte Versuch jedoch die Grenze des Zumutbaren überschritten. Die Versuche hätten zudem in den Schweregrad 3 kategorisiert werden müssen (siehe Text rechts). «Unabhängig von irgendwelchen damit verbundenen menschlichen Interessen sind sie aus ethischer Sicht nicht vertretbar. Auf den Erkenntnisgewinn ist deshalb grundsätzlich zu verzichten», heisst es im Bericht. An diesem Befund ändert auch nichts, dass die Autoren des Berichts die Forschung zur Bekämpfung der Depression ausdrücklich begrüssen.
Ausgehend von dieser konkreten Versuchsbeurteilung, haben die Kommissionen generelle Empfehlungen zu Tierversuchen mit Primaten formuliert. Wegen der kognitiven Fähigkeiten dieser Tiere sei bei der Bewilligung von Versuchen grössere Zurückhaltung angebracht. Zudem gebe es ein Belastungsausmass, welches den Tieren generell nicht zugemutet werden dürfe. Gesuche um Primatenversuche müssten zwingend interdisziplinär auf ihre Wissenschaftlichkeit und die Forschungsziele begutachtet werden. Gefordert wird zudem eine nationale Bewilligungsstelle.
Versuchsverbot.
Versuche an den grossen Menschenaffen - Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang Utans - sollen gemäss Kommissionsvorschlägen gänzlich verboten werden. Belastende Versuche an ihnen seien grundsätzlich unzulässig. Einzig die beobachtende Forschung sei moralisch vertretbar.
Die Vorschläge der beiden eidgenössischen Kommissionen für den Umgang mit Experimenten an Primaten sind auf geteiltes Echo gestossen. Durch den Bericht seien Missverständnisse vorprogrammiert, teilte die ETH mit. Die Kommissionen leiteten ihre Empfehlungen aus einem einzigen Fall ab, machten die ETH-Vertreter gestern geltend. Skeptisch bis ablehnend reagierte auch Novartis in Basel (siehe Bericht auf Seite 1). Der Schweizerische Nationalfonds, der neben anderen Primatenversuchen auch die Krallenäffchen-Studie finanziell gefördert hatte, kündigte an, die Forderungen der beiden Kommissionen zu prüfen.
Belastung der Tiere kennt vier Stufen
Das Bundesamt für Veterinärwesen teilt Tierversuche in vier Belastungs-Schweregrade ein:
>Der Schweregrad 0 steht für Eingriffe und Handlungen, durch die den Tieren keine Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zugefügt werden. Beispiel: Blutentnahme.
>Unter den Schweregrad 1 fallen Eingriffe und Handlungen, die eine leichte kurzfristige Belastung (Schmerzen oder Schäden) bewirken. Beispiel: Injektion unter Zwang.
>Dem Schweregrad 2 werden Eingriffe und Handlungen zugeordnet, die eine kurzfristig mittelgradige oder mittel- bis langfristig leichte Belastung (wie Schmerzen, Schäden, schwere Angst) bewirken. Beispiele: Futter- oder Wasserentzug.
>Zum Schweregrad 3 werden Eingriffe und Handlungen gezählt, die eine schwere bis sehr schwere oder eine mittel- bis langfristig mittelgradige Belastung bewirken. Beispiele: Tödlich verlaufende Infektions- und Krebskrankheiten ohne vorzeitige Euthanasie.
Weitere Zeitungen: NZZ. Sesam reagierte gleichentags kurz und knapp:
Mitteilung der sesam-Leitung vom 23. Mai 2006

sesam hat den gemeinsamen Bericht der Eidg. Kommission für Tierversuche (EKTV) und der Eidg. Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) zur „Forschung an Primaten – eine ethische Bewertung“ zur Kenntnis genommen. Im Rahmen des sesam-Projektes sind keine Tierversuche geplant. Resultate der Grundlagenforschung zu Depressionen sind für sesam relevant. sesam wird bis Mitte Juni 2006 prüfen, ob sich aus dem Bericht der EKTV und der EKAH mögliche Implikationen für den Nationalen Forschungsschwerpunkt ergeben.

Montag, 22. Mai 2006

Sesam reagiert in Leserbriefen

Heute in der Zeitung "Der Bund" reagieren ein Pressesprecher und der Vize-Leiter von Sesam auf den Artikel in dem Blatt vom 11. Mai:

Kindern helfen können - «Umstrittene Zwangsforschung», «Bund» vom 11. Mai

Solange Kinder nicht urteilsfähig sind, ist es sinnvoll, wenn innerhalb angemessener Grenzen die Eltern über das Wohl entscheiden, auch beispielsweise darüber, ob ihre Kinder geimpft werden oder an einem Forschungsprojekt teilnehmen.
Dieses Prinzip im Vorentwurf zum Humanforschungsgesetz HFG ist in anderen Lebensbereichen üblich und anerkannt: Können Kinder nicht selbst entscheiden, weil sie Sachverhalte noch nicht verstehen, entscheiden ihre gesetzlichen Vertreter, im Normalfall die Eltern, über die Teilnahme an einem Forschungsprojekt. Der zugrunde liegende Gedanke: Wenn Säuglinge oder Kleinkinder (allgemein: Urteilsunfähige) etwas nicht verstehen, kann man sie nicht befragen, ob sie zum Beispiel einer lebenserhaltenden oder -verbessernden Therapie, die erforscht wird, zustimmen oder nicht. Und es lässt sich meist auch nicht schlüssig prüfen, was eine «Unmutsäusserung» in diesem Rahmen bedeutet: Ist das Kind hungrig? Kennt es die Leute nicht? Möchte es jetzt lieber schlafen?
Es käme kaum jemandem in den Sinn, sein Kleinkind im 2. und 4. Monat deshalb nicht gegen Diphterie, Tetanus, Keuchhusten impfen zu lassen und später gegen Masern, Mumps und Röteln, weil es in der Arztpraxis unmutig ist oder bei der Impfung schreit, wenn es «gestochen» wird. Wer aber würde bei diesen elterlichen Entscheiden von «Zwangs-Impfung» sprechen?
Nicht selten verbinden verantwortungsbewusste Eltern ihre Entscheidung über die Teilnahme an Forschungsprojekten mit der Solidarität gegenüber Menschen in derselben Situation: Oft sind sie bereit, mit ihren Kinder an Forschungsprogrammen teilzunehmen, die einen Nutzen für Kinder versprechen, die sich künftig in derselben Lage befinden. Dies im Wissen, dass ihre Kinder heute von vielen Forschungsresultaten von gestern profitieren. Etwa davon, dass Eltern von Kindern mit Leukämie, Asthma, Cystischer Fibrose, aber auch mit ungewöhnlichen Lernschwierigkeiten, Aggressionen oder Hyperaktivität bereit waren, die schwierige Situation ihrer Kinder erforschen zu lassen - um mit den Ergebnissen wirksamere Therapien oder geeignetere Massnahmen zu entwickeln.
Dass gewisse Pressure Groups im selben Atemzug mit dem irreführenden Begriff «Zwangsforschung» auch noch den Nationalen Forschungsschwerpunkt «Sesam» nennen, ist völlig absurd: «Sesam» führt definitiv keine als «Zwangsforschung» zu bezeichnenden Untersuchungen durch, sondern erforscht via übliche Routineuntersuchungen und Befragungen die Entwicklungswege von seelischer Gesundheit und Krankheit.

Daniel Habegger, Öffentlichkeit und Wissenstransfer Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health, Nationaler Forschungsschwerpunkt

«Zwangsforschung» ist nach dem Entwurf zum Humanforschungsgesetz nicht rechtens und Forschung mit urteilsunfähigen Personen nur möglich, wenn höchstens minimale Risiken bestehen und die gesetzlichen Vertreter einverstanden sind. Im Interesse aller Betroffenen stellt dieses Gesetz klare, öffentlich kontrollierbare Rahmenbedingungen der Humanforschung sicher.
Als Vater zweier Kinder, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie SGP und Vize-Direktor des im Artikel angesprochenen Nationalen Forschungsschwerpunktes «Sesam» bin ich froh, dass der Bevölkerung die Schutzbedürftigkeit urteilsunfähiger Personen, besonders von Kindern, wichtig ist. Was aber braucht es seitens der Forschung, um Schutzbedürftigen beizustehen? Sicher nicht keine Forschung.
In unserer westlichen Gesellschaft bilden glücklicherweise wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse die Basis für Handlungen und Massnahmen, nicht Glaubensbekenntnisse und längst widerlegtes Wissen. Es kann deshalb nicht im Interesse einer besonders schützenswerten Gruppe sein, wenn ihre spezifischen Gesundheits- und Entwicklungsschancen nicht erforscht werden. Beispiel psychische Gesundheit: In der Schweiz sind Kinder eine Hauptrisikogruppe; rund 50 Prozent der psychischen Erkrankungen brechen bis zum 14. Lebensjahr aus und unsere Jugendlichen leiden unter der höchsten Suizidrate innerhalb der Gesamtbevölkerung, meist infolge psychischer Probleme. Zugleich weiss die Wissenschaft viel zu wenig über die tatsächlichen Ursachen psychischer Leiden bei Kindern und kann so die zentralen Fragen, die für effektive Behandlungen nötig sind, nicht beantworten.
Es stimmt nachdenklich, wenn die natürliche Sorge um unsere Kinder dazu instrumentalisiert wird, mit irreführenden Behauptungen neue Gesetze und Forschungsprojekte zu diskreditieren, die gerade den spezifischen Entwicklungssituationen und Bedürfnissen von Kinder gerecht werden wollen. Die spezifischen Anliegen von besonders schützenswerten Gruppen sollen nicht von der Forschung ausgeschlossen, sondern ihrer besonderen Situation entsprechend untersucht werden können. Mit dem Humanforschungsgesetz sollen Missbräuche, nicht aber wichtige Forschungsfragen bekämpft werden.

Prof. Dr. Alexander Grob, Muri, Full Professor for Personality and Developmental Psychology, Deputy Director National Center of Competence in Research Sesam, University of Basel

Freitag, 19. Mai 2006

baz heute: "Chefarzt Kantonale Psych. Klinik Liestal kritisiert sesam"

Titel: «Es wäre viel mehr Bescheidenheit angesagt»

Theodor Cahn, Chefarzt der Kantonalen Psychiatrischen Klinik in Liestal, übt Kritik am Projekt sesam der Uni Basel

Theodor Cahn wurde 1943 in Basel geboren. Hier absolvierte er auch hauptsächlich seine Ausbildung. Er ist Psychiater und Psychotherapeut psychoanalytischer Richtung. Seit 1978 ist er Chefarzt der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Liestal. Er wird Ende nächsten Jahres pensioniert. Cahns Hauptinteresse gilt der Sozialpsychiatrie und der Psychotherapie im psychiatrischen Milieu. Cahn ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.


Interview: Patrick Marcolli und Stefan Stöcklin

baz: Herr Cahn, das Projekt sesam untersucht im Kern das Thema Depressionen, möchte darüber mehr erfahren und forschen. Die Frage an Sie als Psychiater: Wie schätzen Sie dieses Vorhaben ein?

Theodor Cahn: Ich weiss nicht, wie spezifisch das Projekt zu Depressionen ist. Es möchte ja die psychische Gesundheit des Menschen als Ganzes erfassen. Die prospektiv angelegte epidemiologische Studie mit 3000 Probanden ist eine faszinierende Art, an die Fragestellung heranzugehen. Soweit man informiert ist, zielt das Projekt jedoch primär auf statistische Resultate ab. Da muss man sich fragen: Was kann mit einer solchen Methode ausgesagt werden - und was nicht?

Braucht es diese Forschung? Ist ein Projekt nötig, das primär zum Ziel hat, mehr über Depressionen zu erfahren?


Man kann statistisch abgestützte Aussagen zur Depression erwarten, die vielleicht schon Bekanntes bestätigen oder Unbekanntes zu Tage fördern. Aber Depression ist nichts Einheitliches. Depression nennen wir ein Zustandsbild, das in den unterschiedlichsten Zusammenhängen vorkommen kann. Ein grosser Teil der Depressionen ist erlebnisbedingt, ein kleiner Teil - das weiss man ziemlich genau - hat einen starken konstitutionell-genetischen Hintergrund.

Und gerade hier setzt die Studie ja an.

Ich glaube nicht, dass man am Ende - wie das suggeriert wird - einen Durchbruch haben wird in Bezug auf die Kenntnisse über Depressionen. Ich glaube auch nicht, dass dieser Durchbruch überhaupt zu erwarten ist, wie zum Beispiel der Durchbruch bei Infektionskrankheiten, wo eine einheitliche Ursache, ein Erreger vorliegt.

Warum nicht?

Man kann Depression auch als Reaktionsmöglichkeit aller Menschen betrachten, ähnlich wie Angst oder Trau er - mit den verschiedensten Ursa chen und Auswirkungen. Sehr viel geschieht durch Anstoss von aussen. Und dann gibt es Depressionen, bei denen nur noch die Eigendynamik erkennbar ist und nicht mehr ihr Ursprung. Depressivität gehört sozusagen zur menschlichen Ausrüstung. Die Depression als einheitliche Krankheit gibt es nicht.

Sie warnen also vor zu hohen Erwartungen an das Projekt sesam.


Ja. Was mich sehr stört ist die Art, wie die Studie auf den Markt gebracht wird.

Weshalb?

Weil grosse Hoffnungen erweckt werden und ziemlich apodiktisch gesagt wird, das und das werde diesen und jenen Nutzen haben, man werde daraus Prävention ableiten können, Mechanismen erkennen und wesentliche Schritte machen, um den Menschen in seiner psychischen Entwicklung besser zu verstehen und zu erfassen. Da wäre meines Erachtens viel mehr Bescheidenheit angebracht. Natürlich werden dank sesam einige statistische Zusammenhänge und wohl neue Hypothesen gefunden. Sehr oft können solche Resultate aber ziemlich trivial ausfallen.

Implizit gehen die Verantwortlichen noch weiter und suggerieren, dass es aufgrund der Resultate in Zukunft möglich sein wird, Kosten im Gesundheitswesen zu sparen.

Das ist reine Propaganda. Woher wissen die denn das?

sesam stösst gerade auch in Kreisen von Psychoanalytikern auf grossen Widerstand. Wie erklären Sie sich das?


Die Psychoanalyse stützt sich auf ein ganz anderes Menschen- und Forschungsbild. Die Analytiker - auch ich zähle mich dazu - versuchen zu erfassen, was ein Mensch erlebt und was ihn unbewusst bewegt. Was stellt ein Mensch als autonomes Wesen und als Subjekt dar? Über Messdaten findet man dazu kaum Zugang. Der Ansatz, den wir bei sesam sehen - wenigstens über die spärlichen Informationen, die bisher darüber veröffentlicht wurden -, geht auf diese Problematik nicht ein. Aber ich finde es eigentlich nicht gut, den ganzen Konflikt auf einen Schulen-Streit zu reduzieren.

Als Psychoanalytiker sagen Sie also, dass bei sesam ein zu einfaches Bild des Menschen transportiert wird?


Ja.

Ein Bild, das Ihrer Erfahrung aus der Praxis nicht gerecht wird?

Das kann man so sagen. Es wird sehr grob mit wichtigen Begriffen umgegangen. Auf der Homepage ist zum Beispiel nur von «Stress» als äusserem Wirkfaktor die Rede. Auf dieser groben Basis versprechen die Projektmacher sehr feine Resultate. Das ist keine Schulen-Frage: Auch aus einer biologischen oder kognitiven Sicht ist das zu simpel.

Sie haben vorhin von statistischen Zusammenhängen und neuen Hypothesen gesprochen, die dank sesam gefunden werden könnten. Was ist sonst noch möglich?

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man dank der Studie einige Risikokomponenten besser erfassen kann. Aber ein Risiko wiederum ist eine statistische Grösse. Wie man damit umgeht und Prävention betreibt, ist problematisch. Prävention heisst ja, dass man eingreift, bevor etwas geschieht. Als Beispiel sei die Schizophrenie genannt. Dank epidemiologischer Forschung wissen wir heute, dass diese Krankheit einen langen Vorlauf hat. Zu Beginn sind aber die Zeichen, die man retrospektiv als Anfang dieser Krankheit ausmachen kann, unspezifisch: Konzentrationsverlust, Desinteresse etc. Es ist daher umstritten, in welchen Fällen wann eine Intervention angebracht ist, bevor ein klares Krankheitsbild erscheint. Wenn man die Leute mit Risikofaktoren früh erfassen und unter Beobachtung halten kann, ist das schon ein Fortschritt. Dazu kann diese Studie bei anderen psychischen Krankheiten vielleicht einen Beitrag leisten. So viel, aber auch nicht mehr.

Welche Gefahren sehen Sie da, gerade im Bereich Prävention?

Eine Gefahr besteht, wenn man an den Menschen mit einer Haltung der Machbarkeit und des Wissenschaftsglaubens herangeht und sich zu tief greifenden Eingriffen legitimiert fühlt.

Aus einem wissenschafts- oder psychiatriehistorischen Blick stechen einige fatale Parallelen ins Auge.

Ja, das ist klar. Sie meinen die Eugenik? Natürlich haben wir heute bessere Sicherungen im wissenschaftlichen Betrieb. Aber die Eugenik hat vor hundert Jahren ja nicht angefangen mit den Vernichtungsaktionen im Dritten Reich, sondern bei hochkarätigen, gutmeinenden Wissenschaftlern. Und doch hat das in gerader Linie in den Abgrund geführt.

Weckt sesam eugenische Assoziationen?

Ja, durchaus.

Oder könnte man sagen, das Projekt beruhe auf sehr faktengläubigem Gedankengut?

Ja, zum Beispiel in der Idee, dass man aufgrund von Destillaten (Augenzwinkern, Hirnbildern, alles in Kombination mit Fragebogen von Eltern und Grosseltern) ein Bild des Menschen aufbauen kann, aus dem sich viel ableiten lässt. Dies halte ich für überzogen.

Steckt ein naiver Ansatz hinter sesam?

Auf jeden Fall ist er einseitig. Warum können die Projektverantwortlichen nicht wissenschaftliche Bescheidenheit walten lassen? Ist das für die Geldbeschaffung nötig?

Wenn Sie auf die Geschichte der Psychiatrie zurückblicken: Überrascht Sie, dass jetzt eine solche Studie mit diesem fortschrittsgläubigen Ansatz kommt?

Nein, das ist natürlich Mainstream und überrascht so gesehen gar nicht. Das ist das, was in die hochkarätigen Zeitschriften kommt. Das muss man für akademische Karrieren vorweisen. Das ist die Wahrheit, die heute zählt. Vielleicht ist es auch ein Pendelausschlag in die Genauigkeit, als Gegenreaktion zur Beliebigkeit von vor zwei, drei Jahrzehnten. Überraschend ist, mit welcher Propagandamacht die Studie vorangetrieben wird.

Sie haben sich vorhin gegen einen SchulenStreit zwischen den verschiedenen psychologischen Richtungen verwahrt. Doch geht es nicht genau darum: Ein biologischer, klinischer Ansatz gegen die Tradition der analytischen Tiefenpsychologie?

Ich weiss nicht, ob man das so verallgemeinern darf. Aber Jürgen Margraf und sein Institut sind auch schon sehr aggressiv vorgegangen gegen die analytische Richtung.

Besteht nicht auch bei den Analytikern die Angst, an Boden zu verlieren?

Ja, aber auch bei den Humanwissenschaftlern. Der Schweizerische Nationalfonds, der Geldgeber, hat dieses Projekt ja als Teil der sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte verkauft. Aber die Humanwissenschaften kommen jetzt kaum vor. Im Grossen und Ganzen ist es ein naturwissenschaftliches Projekt der Life Sciences. Das hat vermutlich auch mit lokaler Wissenschaftspolitik und Taktik zu tun.

Die Verantwortlichen von sesam betonen die Bedeutung von Depressionen und die Zunahme von psychischen Störungen. Sehen Sie dies auch in Ihrer alltäglichen Praxis?

Ich denke, diese Zunahme ist dramatisiert. Wir stehen nicht plötzlich vor einer Lawine von Depressionen und brauchen nun eine Studie, die grosse Heilsversprechungen macht. Depressionen waren schon immer ein grosses Problem. Nur kann ich nicht bestätigen, dass die Fallzahlen in der letzten Zeit stark zugenommen hätten. Depressionen, Angst und Sucht waren schon immer und sind die häufigsten psychischen Störungen, mit denen wir zu tun haben. Sie sind ein grosses Problem der Volksgesundheit. Dass man da die Forschung fördert, ist grundsätzlich sehr zu begrüssen. Was hingegen deutlich zunimmt, ist die Nachfrage nach fachpsychiatrischen Diensten, hauptsächlich ambulant. Das hat wohl einfach auch damit zu tun, dass die Wahrnehmung für psychologisch bedingte oder gefärbte Krankheiten stärker geworden ist und die Diskriminierung der Psychiatrie abgenommen hat.
Projekt sesam

>Die Studie. Der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) «sesam» hat zum Ziel, mehr über die Ursachen herauszufinden, die zu einer «gesunden psychischen Entwicklung» führen. Im Zentrum stehen Depressionen und Angststörungen. Kernpunkt des Projekts ist eine grossangelegte Studie an 3000 Kindern, die bereits vorgeburtlich ab der 12. Schwangerschaftswoche erfasst und bis zu ihrem 20. Lebensjahr begleitet werden sollen. Pränatal sind nicht invasive Untersuchungen via Ultraschall geplant, bei der Geburt sollen Speichelproben für DNA-Untersuchungen genommen werden, vorgesehen sind Interviews mit den Eltern, den Grosseltern und den Kindern. Dank dieser prospektiven Studie erhofft man sich mehr darüber zu erfahren, was zur psychischen Gesundheit beiträgt, welche inneren und externen Faktoren Depressionen und Angststörungen begünstigen.

Direktor des Forschungsschwerpunktes ist Jürgen Margraf, Professor für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Basel, Geschäftsführerin ist Roselind Lieb, Professorin für Epidemiologie und Gesundheitspsychologie in Basel. Insgesamt sind an der Kernstudie 12 Teilstudien angehängt, neben der Universität Basel sind Forschende der Universitäten Bern, Freiburg, Zürich und Trier (D) beteiligt. Das Budget der ersten Phase von 2005-2008 beträgt knapp 23 Millionen Franken. Sesam ist die Abkürzung für «Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health».

>Ethik. Wie alle Forschungsprojekte am Menschen braucht auch sesam die Zustimmung von Ethik-Experten der zuständigen Kommissionen in den betroffenen Kantonen. Bis jetzt hat die Ethik-Kommission beider Basel (EKBB) die zur Prüfung notwendigen Unterlagen nicht erhalten. Die Eingabe habe sich verzögert, weil Detailabklärungen nötig gewesen seien, wie es bei sesam heisst. Noch im Februar wurde von Seiten der Projektverantwortlichen eine Eingabe in den «nächsten Wochen» angekündet. Gemäss Plan sollte mit der Kernstudie diesen Herbst begonnen werden können. Ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, erscheint im Moment eher zweifelhaft. sts

Donnerstag, 11. Mai 2006

Vortrag Jürgen Margraf am Alumnitag der Uni Basel

Alumnitag (Programm als .pdf) Samstag, 17.6.2006, 17.25–17.45 Hörsaal 2

Prof. Dr. Jürgen Margraf, Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunktes sesam und Ordinarius für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Basel.

Die Vögel, die Furcht und die Psychologie der Risikowahrnehmung


In diesem Jahr sind in der Schweiz bereits Hunderte von Menschen am Suizid gestorben, viele andere an der ganz «normalen» Grippe, aber noch niemand an der Vogelgrippe. Warum fürchten viele Menschen dann die Vogelgrippe mehr als die normale Grippe, den Autoverkehr oder den Suizid? Die Psychologie hat die Mechanismen der Risikowahrnehmung systematisch erforscht. Ihre Erkenntnisse helfen uns dabei, wichtige von weniger wichtigen Gefahren zu unterscheiden und unser Verhalten danach auszurichten.


Zu dem Thema befragte ihn unlängst die Tribune de Genève.

Artikel zu Humanforschungsgesetz heute im "Bund": "Umstrittene Zwangsforschung"

Die Forschung am Menschen soll einheitlich geregelt werden - Kritiker weisen den Gesetzesvorschlag zurück

In der Schweiz fehlt ein Gesetz, das die Forschung am Menschen regelt. Ein Vorschlag steht nun zur Diskussion. Heikler Punkt: Untersuchungen an urteilsunfähigen Personen.

Yvonne Leibundgut

In der Schweiz soll die Forschung am Menschen einheitlich geregelt werden. Wie schwierig eine solche gesetzliche Regelung ist, zeigt das Forschungsprojekt «Sesam». Die Basler Untersuchung geht der Frage nach, wie sich psychische Krankheiten entwickeln. Dazu werden 3000 Kinder ab der 12. Schwangerschaftswoche bis zum 20. Lebensjahr regelmässig untersucht. Das Forschungsprojekt ist umstritten. Kritik und Fragen kommen vor allem aus dem linksgrünen Lager. Ist es erlaubt, das Erbgut von Neugeborenen zu untersuchen? Ist die medizinische Forschung an Kindern zulässig?
Jeder Kanton macht es anders
Zu diesen und ähnlichen Fragen gibt es heute keine abschliessende gesetzliche Antwort: So könnte in einigen Kantonen ein Projekt wie Sesam nicht durchgeführt werden. Die Kantone Jura, Neuenburg, Schaffhausen und Tessin verbieten die Forschung an urteilsunfähigen Personen, wie eben zum Beispiel Kindern. Diese ist nur dann zulässig, wenn die Betroffenen einen direkten Nutzen daraus ziehen können. Auf der anderen Seite haben heute fünf Kantone überhaupt keine gesetzliche Regelung zur Forschung am Menschen: Appenzell Innerrhoden, Nidwalden, Schwyz, Uri und Zug.
Mit dem Humanforschungsgesetz sollen nun einheitliche Rahmenbedingungen festgelegt werden (siehe dazu Kasten). Nach mehrjähriger Arbeit hat der Bundesrat einen Verfassungsartikel und ein entsprechendes Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, die bis Ende Mai dauert. Ziel ist es, möglichst viele verschiedene Bereiche unter einem Dach zu regeln. Der Forschung soll zwar ein möglichst grosser Freiraum gegeben werden, ohne dabei aber den «Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen» zu verletzen, hält der Bundesrat fest. Doch was heisst das? Darf künftig zum Beispiel ein totgeborener Embryo für Forschungszwecke untersucht werden? Soll nach dem Tod einer Person deren Leiche den Chirurgen zur Verfügung stehen, um neue Operationstechniken zu testen? Darf ein entfernter Tumor für die Forschung gebraucht werden?
Rücktritt aus Protest
Laut Gesetzesentwurf ist die Forschung am Menschen grundsätzlich erlaubt, wenn die Betroffenen eine Einwilligung dazu geben. Heikel wird es dann, wenn eine Person nicht einwilligen kann, bei allen so genannt Urteilsunfähigen wie Ungeborenen, Kindern, Demenzkranken oder Behinderten. Schwierig ist es auch, wenn der Entscheid nicht mehr getroffen werden kann, weil eine Person vorher verstorben ist.
«Eine urteilsunfähige Person darf gegen ihren Widerstand in ein Forschungsprojekt einbezogen werden, wenn davon eine Verbesserung ihrer Gesundheit erwartet wird.» Dieser Punkt stösst nun jedoch in der Vernehmlassung auf heftige Kritik. Für Carola Meier-Seethaler, Mitglied der Nationalen Ethikkommission und Philosophin, ist er unter anderem der Grund, um aus der Ethikkommission auszutreten. Der Vorschlag mache Zugeständnisse, die «weit über die bereits liberalen Regelungen der europäischen Biomedizinkonvention hinausgehen», erklärte Meier-Seethaler. Und auch die ersten Stellungnahmen aus der Vernehmlassung zeigen, dass dieser Punkt heikel ist und auf Kritik stösst. So schreibt der Basler Appell gegen Gentechnologie: «Damit werden alle nationalen und internationalen Standards unterlaufen.» Der Gesetzesvorschlag sei deshalb zurückzuweisen.
Transparenz ist oberstes Ziel
Im Bundesamt für Gesundheit ist man sich bewusst, dass der Vorschlag Diskussionen auslöst. Man wolle mit dem Gesetz vor allem «Transparenz» und ein Regelwerk schaffen, das wenig Interpretationsspielraum lasse, heisst es. In anderen Ländern würden die strengeren Gesetze oft so interpretiert, dass die Forschung dann trotzdem gemacht werden könne.
Tatsächlich würde die Schweiz mit der Regelung der Forschung an urteilsunfähigen Personen mehr zulassen als andere Länder. Auch die internationale Biomedizin-Konvention, ein Übereinkommen des Europarates, ist restriktiver und lehnt die Forschung an urteilsunfähigen Menschen ab, wenn diese Widerstand leisten.

Das Gesetz über die Forschung am Menschen sieht Regelungen in den folgenden Bereichen vor:

· die Forschung mit Personen (einschliesslich der Forschung mit besonders verletzbaren Personen wie Kindern, Menschen mit einer Behinderung, aber auch Gefangenen);
· die Forschung an Verstorbenen; · die Forschung an biologischem Material und mit Personendaten; · die Forschung an abortierten oder totgeborenen Embryonen und Föten.
Heute gibt es in den einzelnen Kantonen unterschiedliche Regelungen und Verbote. Auf Bundesebene sind lediglich klinische Versuche mit Heilmitteln oder Studien in der Transplantationsmedizin geregelt. Zudem hält das Strafgesetzbuch die Voraussetzungen fest, unter denen die persönlichen Daten von Patienten für die Forschung verwendet werden dürfen. Und schliesslich hat das Volk 2005 dem Stammzellengesetz zugestimmt, das die Forschung an Stammzellen erlaubt und regelt.

Sonntag, 7. Mai 2006

31.5.06: Podiumsdiskussion zu SESAM

sesam – Kontroverse um ein Forschungsprojekt; ein Podium

Der an der Uni Basel angesiedelte Nationale Forschungsschwerpunkt „sesam“ erregt die Gemüter: Die PromotorInnen erhoffen sich weit reichende Erkenntnisse über die psychologischen, biologischen, genetischen und sozialen Ursachen psychischer Krankheiten und seelischer Gesundheit – für die KritikerInnen ist das Projekt ethisch fragwürdig, sie haben 12'000 Unterschriften für seine Sistierung und Überarbeitung gesammelt. Und jetzt?
Ein Podium mit einer Präsentation von sesam; mit einer Kontroverse zwischen einem sesam-Vertreter und einer Kritikerin; und einem Gespräch mit zwei BeobachterInnen der Debatte.

mit:
Prof. Dr. Alexander Grob: Ordinarius für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie an der Universität Basel, Stellvertretender Direktor des Nationalen Forschungsschwerpunkts sesam
Pascale Steck: Biologin, Geschäftsführerin des Basler Appells gegen Gentechnologie
Dr. Ulrike Hoffmann-Richter: Psychiaterin, Leiterin des versicherungspsychiatrischen Dienstes der suva, vorher Oberärztin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel
Dr. Alexander Heit: Assistent für Ethik an der Theologischen Fakultät der Universität Basel
Moderation: Dr. Adrian Portmann, Forum für Zeitfragen

Mittwoch, 31. Mai, 19.30 Uhr Forum für Zeitfragen, Leonhardskirchplatz 11, Basel Eintritt: 15.-; für Personen in Ausbildung kostenlos; Veranstalter: Forum für Zeitfragen und Katholische Erwachsenenbildung beider Basel

Dienstag, 2. Mai 2006

Input von DRS3 über SESAM als MP3

Die Sendung Input vom vergangenen Sonntag über SESAM gibt's jetzt hier zum Download oder Onlinehören podcastlogo als MP3-Datei (rund 20 MegaBytes gross, Hördauer gut 43 Minuten). Analog zu den Podcasts von SR DRS gilt dafür diese Version der Creative Commons Lizenz.

Donnerstag, 27. April 2006

WoZ über Rücktritt von Carola Meier-Seethaler aus NEK

aktuelle WochenZeitung, Seite 16, über den Rücktritt:
CAROLA MEIER-SEETHALER: Die Philosophin tritt aus der Nationalen Ethikkommission aus. Sie beklagt die Ökonomisierung der forschungspolitischen Debatte

Würde mit Bedingungen

Von Marcel Hänggi
Werden in Zukunft in der Forschung Entscheide ausschliesslich aus ökonomischen Gründen gefällt? Ist Ethik nur noch ein Hindernis? Weil sie fürchtet, dass Entscheidungen über neue medizinische Techniken je länger, je mehr vor allem ökonomisch statt ethisch begründet werden, ist Carola Meier-Seethaler aus der Nationalen Ethikkommission (NEK) ausgetreten. Die Philosophin zweifelt, dass eine ethische Entscheidungsfindung noch möglich sei, wenn «Kreise der Wirtschaft oder der Wissenschaft mit dem Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Schweiz argumentieren». Mit ebendieser Argumentation stellte Thomas Zeltner, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Ende März das neue Humanforschungsgesetz vor. Meier-Seethalers Rücktritt ist vor allem ein Protest gegen dieses Gesetz. Das Humanforschungsgesetz soll die Forschung an Menschen regeln - auch an Menschen, die nicht urteilsfähig sind. «Dabei macht es Zugeständnisse an die Forschung, die noch über die bereits liberalen Regelungen der europäischen Biomedizinkonvention hinausgehen», sagt Meier-Seethaler.
Der Gesetzesentwurf befindet sich in der Vernehmlassung. Bis heute existiert auf Bundesebene kein solches Gesetz; einzig die Stammzellenforschung wurde - auf Druck von Wirtschafts- und Forschungslobby - in ein eigenes Gesetz ausgelagert und Ende 2004 an der Urne angenommen. Es gebe, sagt Meier-Seethaler im Gespräch mit der WOZ, im Entwurf sowohl überzeugende Abschnitte als auch stossende Bestimmungen. Ihr Protest richte sich gegen eine Grundtendenz gegenwärtiger Politik: Man scheine in erster Linie die Forschungsförderung anzustreben, erst in zweiter Linie den Schutz des Menschen.
Im zum Gesetz gehörigen Verfassungsartikel heisst es: «Der Bund sorgt unter Beachtung der Forschungsfreiheit für den Schutz der Menschenwürde.» Dass der Schutz der Menschenwürde unter eine Bedingung gestellt werde, sei in der Verfassung einzigartig. Im Kommentar zum neuen Verfassungsartikel wird ergänzt: «Der Bund darf nur so weit Vorschriften über die Forschung am Menschen erlassen, als er die Forschungsfreiheit nicht unzulässig einschränkt.»
«Ich frage mich», sagt Meier-Seethaler, «inwiefern der Schutz der Menschenwürde eine unzulässige Einschränkung sein kann.» Ein weiterer Grund für ihren Rücktritt ist, dass die Ethikkommissionen gemäss Gesetzesentwurf zur Überprüfung von Forschungsprojekten lediglich eingesetzt werden «können». Ein schlechtes Omen ist in dieser Hinsicht das gross angelegte, langfristige Forschungsprojekt Sesam: Dieses will Kinder vom Mutterbauch bis ins Erwachsenenalter begleiten. Die kantonalen Ethikkommissionen werden zwar angehört, doch das Projekt ist bereits angelaufen. Verweigern die Ethikkommissionen die Bewilligung, gefährden sie Arbeitsplätze. Wer will das schon in einer Zeit, in der alle vom Forschungs- und Wirtschaftsstandort sprechen?
In der derzeitigen politischen Landschaft ist Meier-Seethaler eine Ruferin in der Wüste. Unterstützung erhalten hat sie aus Norwegen: Knut Ruyter, Ethikprofessor in Oslo, hat den Schweizer Gesetzesentwurf auf Einladung der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften begutachtet. Sein Fazit: Lasst den Entwurf Entwurf sein.
logo

Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

Grundsätze



FAIR USE bei Zitaten.

Suche

 



Powered by FeedBlitz

Status

Online seit 7251 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 10. Sep, 15:53

Credits

powered by Antville powered by Helma

sorua enabled
Creative Commons License

xml version of this page

twoday.net AGB

Watchlinks


Aussenreaktionen
Diskussion
Ethik
Finanzen
Geistesverwandte
Grundlagen
Leserbriefe
Margraf
Medienbeobachtung
Medienreaktionen
Politikreaktionen
Sesamkontakt
Sesamprojekte
Sesamreaktionen
Sesamzitat
Veranstaltung
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren