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Hinweis

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Donnerstag, 1. September 2005

"Sesam" am Radio

SR DRS2 debattierte am Dienstag, 16.8., morgens von 9 bis 12 über das Projekt SESAM. Ab 9 Uhr im Studio:
  • Prof. Jürgen Margraf, Leiter SESAM
  • Prof. Christoph Rehmann-Sutter, Präsident Nationale Ethikkommission
  • Pascale Steck, Leiterin Basler Appell
  • Prof. Dieter Imboden, Präsident des Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds.
Ab 9:35 konnte das Publikum per Telefon mitdiskutieren. In einer zweiten Runde um 11 Uhr war Klaus Peter Rippe, Ethiker in Zürich, im Studio. Und DRS öffnete ein Forum für das Thema.

Science Fiction oder Gegenwart?

Den Schlüssel zu «Sesam» bilden 3000 Kinder. Sie sind das Herzstück der Langzeitstudie, die bis ins Jahr 2026 laufen soll. Im grossangelegten Forschungsschwerpunkt werden sie von der Schwangerschaft an über die ersten Lebensjahre bis zum 20. Lebensjahr systematisch geprüft. Beginnend mit der ersten Ultraschalluntersuchung, nehmen die Forscher ein Profil des heranwachsenden Menschen auf. In der vorgeburtlichen Phase wird beispielsweise das Bewegungsverhalten im Mutterbauch vermessen und der Herzschlag analysiert. Daraus könne man auf das Stressverhalten des Embryos schliessen. Nach der Geburt wird das Schreiverhalten aufgezeichnet und die Reaktionen der Eltern darauf. Genetische Analysen werden erstellt und das Umfeld analysiert. Ziel ist es, die Daten mit der Entwicklung psychischer Störungen zu verbinden. Und zu schauen, was gesund macht. Das Kind wächst und mit ihm die Datenberge, die angehäuft werden. Nicht nur über das Kind: In Querschnittstudien werden auch die Eltern und Grosseltern befragt und studiert. Insgesamt wollen die Forscher mit «Sesam» die Daten von 15'000 bis 17 '000 Menschen sammeln. Natürlich nur mit deren Zustimmung und anonymisiert. Dies genüge, sagt Margraf, um zu statistisch abgesicherten Daten zu kommen. Etwa darüber, was eine psychische Störung hervorrufen kann, welche Kombination von biologischen, genetischen und sozialen Faktoren dafür verantwortlich sind. Und was dagegen unternommen werden kann.

Der Text ist aus der baz vom 23.3.05. Und Margraf ist Prof. Juergen Margraf von der Uni BS. SESAM - was macht uns gesund? ist ein insgesamt über 70 Millionen Fr. schwerer NFS ("Nationaler Forschungsschwerpunkt"). Die Berner Zeitung schreibt am 4.8. darüber:

Das Budget für die erste Phase bis 2009 beträgt 17 Millionen Franken. Bis dahin sind Bundesgelder in der Höhe von 10,2 Millionen bewilligt worden. Nach der kostenintensiven Startphase soll der jährliche Aufwand rund 3 Millionen betragen. Der offizielle Start ist am 1. Oktober dieses Jahres. Die Untersuchungen an Kindern beginnen am 1. Oktober 2006. Schon relativ rasch sollen erste Ergebnisse vorliegen. So zum Beispiel über den Einfluss der sozialen Belastung während der Schwangerschaft auf Geburtsgewicht, Schlaf- und Schreiverhalten des Säuglings.

Das EDI von Couchepin weiss jetzt schon:

Die Erkenntnisse von SESAM (Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health – Schweizerische ätiologische Studie zu Entwicklung und seelischer Gesundheit) ermöglichen es der Wissenschaft, den politisch Verantwortlichen und künftigen Generationen, das psychische Wohl des Landes nachhaltig zu stärken.

"Das psychische Wohl des Landes stärken", "nachhaltig"? SESAM plant Menschenversuche:

By adding an experimental manipulation of the nurture component of the assumed etiological factors (i.e., preventive intervention modules in precisely defined high-risk subjects), causal understanding will be enhanced.

SESAM sagt von sich selber:

In this way, the NCCR will help reduce or even avoid harm in human beings as well as reduce health care costs and increase competitiveness of the Swiss economy.

"Kosten im Gesundheitswesen runter" und "Wettbewerbsfähigkeit hoch"? Und weiter unten:

The NCCR will provide a large number of students and research assistants with an important opportunity to gain practical experience and acquire skills that will enhance their chances on the job market.

"Die Chancen der Forscher auf dem Arbeitsmarkt verbessern"? "Sesam" als die eierlegende Wollmilchsau mit Flügeln, die einer Strömung in der Psychologie das Goldene Zeitalter verspricht? Kritik meldet sich bisher (fast) keine, ausser:

(4.8.05) Der Basler Appell wehrt sich vehement gegen die Instrumentalisierung von Kindern zu Forschungszwecken. Wer schliesslich Zugriff auf die erhobenen Daten haben wird, ist unklar, denn als Geldgeber wird nicht nur auf Kanton und Nationalfonds, sondern auch auf die Pharmaindustrie gesetzt. SESAM ist aus den genannten Gründen mehr als fragwürdig. Der Basler Appell gegen Gentechnologie verlangt, dass das Projekt sistiert und endlich der kantonalen Ethikkommission vorgelegt wird. Der Verein wird gegebenenfalls Schritte unternehmen, gegen das Projekt rechtlich vorzugehen.

Der Verdacht bleibt, dass es darauf hinausläuft: 3'000 Kinder 20 Jahre lang totalüberwacht vom ersten Herzschlag an, 15'000 Menschen ringsum gleich mit, auf dass über diesen massenhaften Menschenversuch endgültig geklärt werde, warum die einen "nützliche Mitglieder der Gesellschaft" werden und die anderen unverbesserliche Punks (wobei ein Goldschatz an Rohdaten anfällt, der sich x-fach weiterverscherbeln lässt), alles überschrieben mit der verführerischen Frage "Was macht uns gesund?". Ist das mehr als nur eine totalitäre Männerphantasie? Unter den 15 "Principal Investigators" [davon sind 11 Deutsche] hat's 1 Frau)! Was damit aktuell läuft, weiss z.B. Google.

"Psychologie ist die Wissenschaft von der menschlichen Software."

Das sagt: Prof. Juergen Margraf, Leiter Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Uni Basel.

WOZ 10.3.05

«Wenn das Projekt bewilligt wird [Anm. d. Red.: Proj. SESAM ist bewilligt], eröffnet es eine neue Ära in der Gesundheitsforschung, indem es psychosoziale, genetisch-biologische und neurobiologische Ansätze interdisziplinär zusammenführt», sagt Projektleiter Jürgen Margraf, während seine Sekretärin im elegant eingerichteten Büro Kaffee serviert. Er wirkt in seinem anthrazitfarbenen Anzug eher wie ein Designer oder ein Manager denn wie ein Seelenkundiger. «Ich will herausfinden, wie viele psychische Krankheiten es gibt, bei welchen Bevölkerungsgruppen sie auftreten und welche Ursachen sie haben. Ich will wissen, warum Leute mit einem bestimmten genetischen Profil oder in bestimmten Lebensumständen erkranken, andere aber nicht und wie man die Erkrankung verhindern könnte. (...) Jeder Einzelne wird von Angesicht zu Angesicht von ausgebildeten Klinikern untersucht, mit strukturierten Interviews und einer verhaltensgenetischen Beobachtung in standardisierten Situationen», sagt Margraf. Von den ausgewählten Fällen hätten etwa vierzig Prozent eine Störung; bei einigen werde man intervenieren, sofern das Ethikkomitee damit einverstanden sei, beispielsweise bei akutem Suizidrisiko oder bei schwerem Missbrauch. Personen mit hohem Krankheitsrisiko erhielten eine vorbeugende Intervention. So werde mit Müttern die richtige Reaktion auf die Signale ihrer Kinder eingeübt, etwa auf das Schreien. «Das kann man früh trainieren, bei Hochrisikofamilien ist das wirkungsvoll.»
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

Grundsätze



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