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Medienreaktionen

Donnerstag, 1. Dezember 2005

"Synapse" über Sesam I

Im Editorial der Novemberausgabe von "SYNAPSE – die Zeitung der Ärztinnen und Ärzte von Baselland und Baselstadt" schreibt Dr. med. Benjamin Pia:

SESAM (Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health) ist umstritten, zumal die für das Forschungsprojekt erforderlichen Gesetze noch nicht in Kraft sind, weder das Bundesgesetz über die genetischen Untersuchungen am Menschen (GUMG) noch das Gesetz über die Forschung am Menschen – letzteres ist noch nicht einmal in der Vernehmlassung. Am 1.10.2005 wurde SESAM jedoch gestartet, obwohl selbst die Voten der Ethikkommission beider Basel (EKBB) bzw. der nationalen Ethikkommission (NEK) noch nicht vorliegen. Auch der Mental-Health-Fachwelt bereitet SESAM Sorgen, denn bis zum Jahr 2026 würde durch das Forschungsprojekt eine scheinbar objektive, der Komplexität der menschlichen Psyche kaum angemessene Forschungsmethodik etabliert. Zudem ist SESAM ethisch kaum verantwortbar, weil «eine Beobachtung über viele Jahre hinweg beim beobachteten Menschen, besonders wenn es sich um Kinder handelt, einen verändernden Eingriff darstellt» (Dr.med. Peter Dreyfus im Forum-Artikel dieser Ausgabe). In welcher Weise SESAM einen verändernden Eingriff darstellt, müsste besser vor Beginn der Studie durch Sachverständige mit umfangreicher Erfahrung bei psychischen Langzeitprozessen allgemeinverständlich gemacht werden. Wegen der Wucht von SESAM (Gesamtkosten bis 2026 derzeit rund 70 Millionen Franken) hat die regionale Mental- Health-Fachwelt das energische Treiben um den angekündigten «Datenschatz von nationaler Bedeutung» bisher aus sicherer Distanz beobachtet. Herrn Dr. med. Peter Dreyfus, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, Basel, danken wir daher für seinen aktuellen Forum-Beitrag, der hoffentlich zu weiteren prägnanten Voten anregen wird.

"Synapse" über Sesam II

In der Novemberausgabe von "SYNAPSE – die Zeitung der Ärztinnen und Ärzte von Baselland und Baselstadt" schreibt der Psychiater Dr. med. Peter Dreyfus:

SESAM, Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health, ist ein Forschungsprogramm, für das der Leiter des Instituts für Psychologie der Universität Basel, Prof. J. Margraf, verantwortlich ist. Es wurde als Schwerpunktprogramm des Schweizerischen Nationalfonds ausgewählt und am 22. März 2005 von Bundesrat Couchepin für vorerst 4 Jahre bestätigt. 3000 Embryonen sollen von der zwölften Schwangerschaftswoche an untersucht und bis zum 20. Lebensjahr psychosozial und genetisch-biologisch studiert werden. Damit sollen Daten über die Entstehungsgeschichte der Anpassung und geistigen Gesundheit erfasst werden.
Die grosse Zahl erfasster Daten werde nicht bloss zu einer Vertiefung unserer wissenschaftlichen Kenntnisse der Entstehungsgeschichte von Anpassung und geistiger Gesundheit führen, sondern auch ganz wesentlich zur Entwicklung und Umsetzung von Prävention, Behandlung und gesundheitspolitischen Strategien beitragen, so sagt Prof. Margraf. Auf Grund dieser Untersuchungen könnten, so sagt er weiter, die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft durch gezielte Behandlung mit Verhaltenstraining und Medikamenten nachhaltig gesichert, die Gesundheitskosten herabgesetzt und somit die Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft verbessert werden. Das lässt sich nachlesen unter http://www.psycho.unibas.ch/sesam. Mit SESAM solle aber nicht nur die Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft verbessert werden, sondern auch die internationale Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wissenschaft werde mit dieser Studie gefördert, was von grosser Bedeutung sei, sagt Margraf, denn Studien hätten gezeigt, dass das Niveau schweizerischer wissenschaftlicher Studien schnell sinke. SESAM werde dazu beitragen, dass wir in der Schweiz qualitativ hochstehende Akademiker, ein hoher Prozentsatz davon Frauen, haben werden, sagt Margraf, und viel Gutes mehr. Ich kann hier bloss einen Bruchteil aufzählen von dem, was SESAM alles verspricht, aber Sie können es ohne weiteres im Internet nachlesen. Ich gehe davon aus, dass, wenn diese Untersuchung wirklich durchgeführt wird, Sie als Arzt mit grosser Wahrscheinlichkeit an irgendeinem Punkt während dieser Studie direkt oder indirekt in die Studie involviert sein werden und dass es deshalb von grosser Bedeutung ist, dass Sie sich schon jetzt Gedanken darüber machen, ob es sinnvoll ist, da mitzutun. Also Sie werden z.B. von einer schwangeren Patientin gefragt werden, ob es sinnvoll sei, dass das Kind, das sie erwartet, am Projekt mitmacht. Wie ich den Ausführungen im Internet über das Projekt entnehme, sollen die Daten über die 3000 untersuchten Personen gewonnen werden u.a. durch operationalisierte, strukturierte Interviews, gelenkte Verhaltensbeobachtungen, Untersuchung kognitiver Fähigkeiten, Messung des vagalen Tonus oder die Untersuchung genetischer Polymorphismen. Die Psyche gibt es nicht – das Subjekt auch nicht. Das Wort Psyche kommt in der ganzen Beschreibung von SESAM nicht vor. Gibt es die Psyche beim Leiter des Psychologischen Instituts der Universität Basel gar nicht? Ich denke, es geht darum, dass Prof. Margraf sich um Objektivität bemüht und den Untersucher und Untersuchten als Subjekt in der Studie nach Möglichkeit nicht haben will. Auf diese Weise wird dem Leser Wissenschaftlichkeit vorgegaukelt, während der beschriebene Forschungsansatz der Komplexität des Menschen überhaupt nicht gerecht wird, und zwar gerade wegen der Art und Weise, wie die Daten in der Studie erhoben werden.
Margraf verwendet samt und sonders objektivierende Untersuchungsmethoden. Er macht die Menschen zu messbaren Objekten, und sogar dort, wo er mit den zu Versuchsobjekten gewordenen Menschen spricht, macht er operationalisierte, strukturierte Interviews und schaltet nach Möglichkeit wiederum das Subjekt aus. Wir Ärztinnen und Ärzte wissen aus unserer täglichen Praxis, was für eine Rolle das persönliche Erleben des Patienten in der Entwicklung seiner psychischen Gesundheit und Krankheit spielt. Natürlich gibt es den objektiveren Zugang zum Menschen. Wir alle kennen den Wert von Laboruntersuchungen. Doch es gibt nicht bloss die Laboruntersuchungen und das schon gar nicht bei psychischen Erkrankungen. Das ärztliche Gespräch, wie Sie es alle mit Ihren Patienten führen, wird als einzigartiges diagnostisches und therapeutisches Instrument entwertet.
Als wesentliche kritische Fragen stellen sich mir im Zusammenhang mit diesem Projekt Fragen nach der Ethik der Studie, so wie sie angelegt ist. In der Synapse vom September 2005 hat Prof. Hans Kummer, Präsident der Ethikkommission beider Basel, uns dargelegt, womit sich diese Ethikkommission befasst. Davon ist manches relevant für die Beurteilung von SESAM. Ich möchte nur einige wenige Punkte herausgreifen: die Respektierung der Autonomie des Patienten in einer Studie sowie die Aufklärung des Patienten/gesunden Probanden über die Ziele der Studie und die damit verbundenen Gefahren und Unannehmlichkeiten. Beides kann natürlich bei dieser Studie nicht gewährleistet werden, da es sich im Anfang der Studie um einen Embryo und später um ein Kleinkind handelt, so dass von Autonomie und Aufklärung natürlich nicht die Rede sein kann. Die Eltern, die einwilligen, dass ihr Kind in der Studie mitmachen soll, sind keineswegs das Kind selbst. Auch Eltern können nicht über die Zukunft ihrer Kinder verfügen. Die Einwilligung durch die Eltern erscheint mir auch deshalb als äusserst problematisch, da hier Daten angehäuft werden, die zwar sogenannt anonymisiert sein sollen, aber dennoch Unsicherheit darüber besteht, was mit den Daten geschehen kann.
Es muss auch bedacht werden, dass eine Beobachtung über viele Jahre hinweg beim beobachteten Menschen, besonders wenn es sich um Kinder handelt, einen verändernden Eingriff darstellt. Die Ethikkommission beider Basel wird sich noch mit dem Projekt von Prof. Margraf befassen und ihr Urteil darüber abgeben müssen, ob die Studie aus ethischer Sicht durchgeführt werden darf. Dass aber die Studie am 1. Oktober 2005 bereits begonnen hat, ist kein gutes Zeichen. Wir werden von SESAM überrannt, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem wir über die Einzelheiten der Untersuchung noch sehr wenig wissen. Ich möchte die Behauptung aufstellen, dass die Tatsache, dass Prof. Margraf verspricht, dass SESAM die Gesundheitskosten in der Zukunft senken wird, ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass viele Millionen gesprochen worden sind, um dieses Projekt zu unterstützen. Dieses Versprechen wird von Prof. Margraf gegeben, als wäre es eine bewiesene Tatsache. Davon kann aber gar keine Rede sein. Die Festlegung dieses Schwerpunktes durch den Schweizerischen Nationalfonds bedeutet, dass auf viele Jahre hinaus Forschungsgelder im Bereich der Erforschung der Psyche des Menschen gebunden sein werden in einer Studie, die von ihrer Anlage her niemals halten kann, was sie grossartig verspricht. Sie erscheint mir zudem als in mancher Hinsicht fragwürdig und verdient es nicht, unterstützt zu werden.

Donnerstag, 17. November 2005

Nachtrag: SDA über Kritik an Sesam

(Schweizerische Depeschenagentur, 4.8.05) Ein Forschungsschwerpunkt des Nationalfonds sorgt für Diskussionen: Die Studie SESAM erhebt Daten von 3000 Kindern zur Untersuchung psychischer Störungen. Die Kinder könnten aber keine Einwilligung geben, kritisiert ein Mitglied der Ethikkommission. "Was ich über das Projekt gelesen habe, stimmt mich skeptisch", bestätigte Carola Meier-Seethaler, Mitglied der Nationalen Ethikkommission (NEK), einen Bericht der "Berner Zeitung" vom Donnerstag. "Ich finde es gefährlich, einen Fötus von drei Monaten bis ins Alter von 20 Jahren als Versuchsperson zu nehmen." (...) Dem Schweizerischen Nationalfonds werfen Meier-Seethaler und der "Basler Appell" vor, vor der Bewilligung der 10,2 Millionen Bundesgelder keine Ethikkommission eingeschaltet zu haben. Philippe Trinchan, Kommunikationschef des Nationalfonds, weist diese Vorwürfe zurück: "Es handelt sich hier um ein grosses Missverständnis. Die Forscher erhalten vom Nationalfonds keinen Blankoscheck." Das Projekt sei in einer ersten Voranalyse bewilligt worden. Nun würden die einzelnen Teilprogramme von einem Forschungsteam an der Universität Basel ausgearbeitet. "Jedes Teilprojekt wird später den zuständigen lokalen Ethikkommissionen vorgelegt", sagte Trinchan. Erst dann bewillige der Nationalfonds die Bundesgelder definitiv. Dieses Vorgehen kritisiert Meier-Seethaler. Die Nationale Ethikkommission werde vor vollendete Tatsachen gestellt. "Das Projekt ist von nationaler Bedeutung." Ihrer Meinung nach hätte es daher zum "demokratischen Anstand" gehört, die Nationale Ethikkommission schon früher einzubeziehen. (...)

Freitag, 23. September 2005

Carola Meier-Seethaler in der WoZ zu Sesam

In der Ausgabe von gestern Donnerstag. Titel "Was bitte ist Ethik?"

(...) Was in der Wirtschaft schon lange üblich ist, scheint sich in den letzten Jahren auch in der Forschung einzustellen: nämlich unbedenklich in eine Gesetzeslücke zu springen, wie dies bei der Einführung embryonaler Stammzellen aus dem Ausland für die Genfer Forschung geschah. Bereits in diesem Fall ging es um die Vollendung von Tatsachen, bevor das Parlament sich mit einem zu schaffenden Embryonengesetz befasste und kurz bevor die eigens dazu berufene Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin ihre Empfehlungen abgeben konnte.
Heute zeichnet sich ein ähnlicher Vorgang im Zusammenhang mit dem ehrgeizigen Forschungsprojekt Sesam ab (siehe WOZ Nr. 10/05), das mit einer genetischen, medizinischen und psychologischen Untersuchung von 3000 Kindern und ihren Familien schon diesen Oktober beginnen soll. Auch dies knapp vor dem Zeitpunkt, an dem sich das Parlament mit den grundlegenden Rahmenbedingungen für die Forschung am Menschen beschäftigen wird. Vorgesehen ist eine Untersuchung an Kindern bereits im Mutterleib vom dritten Schwangerschaftsmonat an bis zum zwanzigsten Lebensjahr.
Dass ein solches Forschungsprojekt eine Reihe von ethischen Problemen mit sich bringt, liegt auf der Hand. Dennoch sollen erst im Laufe des nächsten Jahres der Kantonalen Ethikkommission in Basel Einzelheiten über die erste Phase der Untersuchung vorgelegt werden. Da es sich aber um eine ganz neuartige Verbindung verschiedener Forschungsansätze sowie um die Datenerhebung bei nicht einwilligungsfähigen Personen handelt, wäre es ethisch und politisch angezeigt, mit dem Start des Projekts abzuwarten, bis sich sowohl die Nationale Kommission im Bereich Humanmedizin als auch die Kantonale Ethikkommission und das Parlament ein Urteil gebildet haben. Meines Erachtens verlangt dies der demokratische Anstand. Vor dem jetzt sich abzeichnenden Hintergrund sehen sich die Mitglieder von Ethikkommissionen in die Lage gedrängt, den Beweis für ihre ethischen Bedenken zu führen, während die Forschung das Recht beansprucht, ihre Chancen ungehindert wahrzunehmen, solange vermutete Gefahren nicht eindeutig nachweisbar sind.
Auch darf es bei ethisch-moralischen Entscheidungen nicht nur um individuelle Bedürfnisse gehen. Moralische Verantwortung bezieht sich immer auch auf gesamtgesellschaftliche Konsequenzen. So ist wesentlich, in welchem Umfeld und angesichts welcher kulturellen Tendenzen wir unsere Fragen stellen. Wohin führt die Vorstellung von der möglichen Ausmerzung von genetisch bedingten Krankheiten? Kommen wir damit zur Unterscheidung zwischen wertem und unwertem Leben oder gar zu dem Gedanken, dass imperfekte Menschen der Gesellschaft der Fitten nicht zumutbar sind? Und wenn es das erklärte Ziel des Sesam-Projektes ist, die Ursachen für psychische Beeinträchtigungen und Störungen zu verstehen, um sie möglichst umfassend zu vermeiden, verstärkt dies nicht den Druck auf Eltern und Jugendliche, möglichst angepasste und reibungslos funktionierende Mitglieder der Gesellschaft hervorzubringen beziehungsweise zu werden?
(...)
Carola Meier-Seethaler ist seit 2001 Mitglied der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin. Sie studierte Philosophie und Psychologie in München und promovierte mit einem Thema aus der Ethik. Unterrichtstätigkeit an höheren Fachschulen und private psychotherapeutische Praxis. Autorin unter anderem von «Gefühl und Urteilskraft» (München 1997) und «Das Gute und das Böse. Die mythologischen Hintergründe des Fundamentalismus in Ost und West» (Stuttgart 2004).

Freitag, 16. September 2005

Projektbeschrieb veröffentlichen?

Der Basellandschaftlichen Zeitung vom 14.9. ist zu entnehmen:

Die Vorbereitungsarbeiten sind gemacht. Der über 200-Seitige Projektbeschrieb liegt vor.

Liegt vor wo? Die Website von Sesam gibt sich weiterhin sehr zugeknöpft. Wär ja eine noble Geste, die wenig Aufwand verlangt, den Projektbeschrieb dort als .pdf-File öffentlich zugänglich zu machen. Was soll die Geheimniskrämerei? Im direkten Kontakt war nämlich wenig zu erfahren. Oder soll ich mich gar angelogen fühlen, wenn auf meine Anfrage vom 17.8. am 9.9. die im Gegensatz zur Aussage der bz stehende Antwort eintrudelt:

Die Förderung des durch das SNF unterstützten Projektes beginnt ab 1. Oktober 2005, weshalb wir bis dahin keine weiteren Informationen zu den geplanten Teilstudien haben werden als jetzt auf der SESAM-Homepage vorhanden.

"Wir werden bis 1.10. keine weiteren Informationen haben als auf der Homepage." vs. "Der über 200-Seitige Projektbeschrieb liegt vor."

männliche Ratio ws. weibliche Emotio

Ist es Interpretation der Journalistin oder sinngemässes Zitat, wenn Andrea Masek in der Basellandschaftlichen Zeitung vom 14.9.05 schreibt, die Kritik mittels "Kampagne" sei "emotional" (Pascale Steck, Margrith von Felten und andere), Grob hingegen "versucht zu begegnen" mit "rationalen Argumenten"? Ein Griff tief in die patriarchale Mottenkiste zur Denunziation schon nur nachfragender Frauen ist es in jedem Fall:

Alexander Grob, stellvertretender Leiter des Projektes Sesam an der Universität Basel, findet es richtig und wichtig, dass über Sesam diskutiert wird. Er versucht, der emotionalen Kampagne vor allem des "Basler Appells" mit rationalen Argumenten zu begegnen. So stellt er gleich als erstes klar: "An Föten werden keine Interventionen vorgenommen, es wird kein Genmaterial entnommen."

"Foeten Genmaterial entnehmen"? 1. heisst "Genmaterial entnehmen" nichts und 2. hat davon gar niemand gesprochen. Es geht um die Genomanalyse, wofür es ausreicht, nachgeburtlich Gewebe / Blut zu entnehmen. Und das Genom der Beobachteten ist explizit einer der "specific research foci" von Sesam:

- genetics of positive mental health and psychopathology and its interactions with psychological and social factors

Heiligsprechung

Wieviel Kritik ist noch möglich an einem Grossprojekt, das der ehemalige Vizerektor der Universität Basel und in dieser Funktion Vorsteher des Ressorts Forschung, vielfältig engagierte Physikprofessor, Forschungspolitiker und ehemalige baselstädtische SP-Ständerat Gian-Reto Plattner adelt mit der folgenden Bezeichnung, die der Vizeleiter Sesam zitiert, gemäss der Basellandschaftlichen Zeitung vom 14.9.05, noch bevor das erste Teilprojekt gestartet ist?

"Ein Schatz von nationaler Bedeutung"

Wer wollte da noch Fragen stellen? Ein Zweifel bleibt: Hat Plattner dies wirklich gesagt? Die Quellenlage ist unklar. Ich konnte das Original nicht ausfindig machen, welches ihm direkt die Aussage in den Mund legt. In der bz behauptet Grob, Plattner habe dies gesagt, ohne die Quelle zu nennen. Die bz druckt die Aussage von Grob über Plattner, wohl unverifiziert:

Zudem werde die Studie je länger desto wertvoller; "ein Schatz von nationaler Bedeutung", wie der ehemalige Prorektor der Uni, Gian-Reto Plattner, Sesam bezeichnet habe, erklärt Grob.

Übrigens: Seit wann hat die Uni Basel einen "Prorektor"? Da hab ich wohl was verpasst...

Woher der Wind weht

basellandschaftliche Zeitung, vorgestern 14.9.: zwei längere Artikel über das Projekt Sesam (als Bilder: bz-14-09-05-1 (gif, 120 KB) bz-14-09-05-2 (jpg, 192 KB)). Alexander Grob, stellvertretender Leiter des Projektes auf die Frage, wie damit umzugehen sei, dass die Kinder, deren Leben 20 Jahre lang durchleuchtet werden sollen, ihr Einverständnis nicht geben können:

"Der Punkt ist", sagt er, "dass wir davon ausgehen, dass die Eltern zum wohl des Kindes entscheiden." Würden die Kinder etwa gefragt, ob sie geimpft werden wollen? Würden die Eltern den Foetus fragen, ob sie während der Schwangerschaft rauchen und trinken dürfen? Und würden die Erwachsenen nicht etwa täglich mit der Einnahme der Pille über das Leben eines Kindes entscheiden?

Die Pilleneinnahme sehen als täglichen Mord am ungeborenen Kind? Ratzinger lässt grüssen! Die christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegner frohlocken und singen "Halleluja!", dass ein Mann von dieser Geisteshaltung, also mindestens implizit einer der ihren, Vizechef von Sesam ist. Es kommt aber noch besser. Nochmals die basellandschaftliche:

Ganz anderer Art sind die ethischen Fragen, die für die Forscher relevant sind. "Was tun, wenn wir bei einer Untersuchung etwa einen Gehirntumor entdecken?", fragt sich Grob. Für solche Fälle wird man sich absichern und die Teilnehmenden eine Erklärung unterschreiben lassen.

Der Onkel von Sesam stellt also fest, dass die kleine Anna einen Gehirntumor entwickelt. Was soll der Onkel jetzt tun? Eine ethische Frage? Soll er den Eltern nichts sagen und als Beobachter zurücktreten und fasziniert zuschauen, wie sich das Familiensystem entwickelt, wenn ein Gehirntumor unentdeckt bleibt (Eine interessante Fragestellung, Herr Kollega, tatsächlich!)? Die Eltern haben ja unterschrieben, dass sie die Sesam-Onkelz von jeglicher Informationspflicht entbinden. Oder soll der Sesamonkel die kleine Anna retten indem er die Eltern informiert über etwas, das nur aufgefallen ist, weil Anna regelmässig untersucht wird (regelmässiger als Nicht-Sesam-Kinder)? Damit würde der Sesamonkel Anna einen Vorteil verschaffen gegenüber den Nicht-Sesam-Kindern. Aber der Sesamonkel greift in das Experiment "Annas Leben" ein und macht so sein Setting kaputt. Was für ein perverses Dilemma!
Und nochmals aus der Zeitung:

"Wir machen keine tiefenpsychologischen Studien der einzelnen Personen", fasst Grob zusammen, "sondern sehen uns Ausschnitte aus dem Alltag an". Denn das Umfeld zeige immer mehr Wirkung auf die Entwicklung des Kindes. Ein Kind wachse zum Beispiel im Kleinbasel anders auf, als eines in Riehen, verdeutlicht Grob. Ob die Eltern in einem Einfamilienhaus wohnen oder in einem Wohnblock, könnte ebenfalls eine Rolle spielen. In einem Block könnten etliche Belastungsfaktoren wie lärmende Nachbarn oder bellende Hunde dazukommen und ein Kleinkind vermehrt zum Schreien bringen.

Ich kenn das Resultat von Grobs vergleichender Studie über von bellenden Hunden und krakeelenden Nachbarn gestörte Kleinbasler BlockKidz einerseits und in sozialer Isolation gestillte, in Stoffwindeln gepackte Riehener Schuhschachtel-Kinder andererseits schon heute: Nur die Kleinfamilie im Reiheneinfamilienhaus garantiert die gemäss "SESAM-Standard 2026" als gesund geltende Normalbiographie des Sprösslings. Denn um die Definition von "gesund" geht es ziemlich explizit:

Gewisse so genannte Risikofaktoren haben ebenfalls - manchmal positiven, in anderen Fällen negativen - Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes und sollen genau studiert werden. Wie Grob erläutert, können dies Kindergarten- oder Schuleintritte, Wohnortswechsel, die Trennung der Eltern oder der Tod einer nahen Person sein. " Die Wissenschaft hat kaum Erkenntnisse darüber, was passiert, wenn sich solche Faktoren summieren", meint er. Solche Erkenntnisse soll Sesam liefern, damit die Frage "Was macht uns gesund?" beantwortet werden kann.

Was passiert mit der kleinen Anna, wenn während des Zügelns kurz vor dem Schuleintritt die Eltern sich scheiden lassen nach dem Tod der geliebten Grossmutter? Ein Fragestellung, die unbedingt der wissenschaftlichen Klärung bedarf, ganz offensichtlich!

Donnerstag, 1. September 2005

"Sesam" am Radio

SR DRS2 debattierte am Dienstag, 16.8., morgens von 9 bis 12 über das Projekt SESAM. Ab 9 Uhr im Studio:
  • Prof. Jürgen Margraf, Leiter SESAM
  • Prof. Christoph Rehmann-Sutter, Präsident Nationale Ethikkommission
  • Pascale Steck, Leiterin Basler Appell
  • Prof. Dieter Imboden, Präsident des Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds.
Ab 9:35 konnte das Publikum per Telefon mitdiskutieren. In einer zweiten Runde um 11 Uhr war Klaus Peter Rippe, Ethiker in Zürich, im Studio. Und DRS öffnete ein Forum für das Thema.
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

Grundsätze



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