NZZaS, Reaktionen auf "Kostenschub bei der Psychotherapie"
Leserinnenbriefe auf diesen Artikel in der NZZ am Sonntag vom 11.12.05
Dass in der Schweiz eine Unterversorgung mit Psychotherapie besteht, ist in Fachkreisen schon lange bekannt. Es ist daher erfreulich, dass das Bundesamt für Gesundheit dies nun auch zur Kenntnis nimmt. Es erstaunt mich allerdings sehr, dass man sich dort nicht fragt, was man dagegen tun kann, sondern nur, wie man die Kosten für Psychotherapie senken kann. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass eine ungenügende Behandlung psychischer Erkrankungen zu Mehrkosten in anderen Bereichen der Medizin führt und vermeidbare Arbeitsunfähigkeit und Invalidität zur Folge hat. Leute mit Panikstörungen haben ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt; die Prognose für Leute, die nach einem Herzinfarkt depressiv sind, ist schlechter usw. Von den Belastungen für die Angehörigen und ihre Kinder ganz zu schweigen.
Es wird heute schon verlangt, dass eine Psychotherapie - wie jede medizinische Behandlung - die «WZW-Kriterien» (Wissenschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) erfüllen muss. Dies bedeutet aber nicht, dass jede psychische Störung mit einer Kurz-Psychotherapie geheilt werden kann. Bei Personen mit einer neu aufgetretenen psychischen Erkrankung und intakten Ressourcen (gut strukturierte prämorbide Persönlichkeit, normale Intelligenz, gutes Umfeld usw.) ist eine Kurztherapie häufig ausreichend, nicht aber bei psychisch schwer beeinträchtigten Patienten, die schon jahrelang krank sind, schwer traumatisiert wurden oder in einer sehr belastenden psychosozialen Situation leben.
Es gibt eine ganze Reihe körperlicher Krankheiten, deren Behandlung ebenfalls aufwendig ist. Bei manchen dieser Erkrankungen haben in den letzten Jahren die Häufigkeit wie auch die Behandlungskosten des einzelnen Patienten ebenfalls zugenommen, zum Beispiel bei den chronischen obstruktiven Lungenkrankheiten oder beim Diabetes mellitus Typ 2. Bisher ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, zu sagen, die Kosten dieser Behandlungen müssten gesenkt werden, indem diese Patienten weniger oft inhalieren dürfen oder weniger Insulin bekommen als nötig.
Dr. med. Monika Diethelm-Knoepfel, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Uzwil (SG)
Eine halbe Million Schweizer hätten eine psychotherapeutische Behandlung nötig. Heute weiss man, dass die Ursache sämtlicher späterer Neurosen in den ersten Lebensjahren liegen, d. h. von Umweltfaktoren der ersten zehn Lebensjahre abhängig sind. Wäre es nicht an der Zeit, als Sparmassnahme die Ursachen zu verändern, die zu seelischen Störungen führen? Eine Elternausbildung als vorbeugende Massnahme und eine Lehrer-Weiterbildung für die Grundstufe würden dem Bund Millionen von Franken einsparen! Die erste und vorläufig einzige Elternausbildung in der Schweiz, die seit zehn Jahren erfolgreich betrieben wird, hat sich zum Ziel gesetzt, zur Gesundung der nächsten Generation beizutragen.
Mària Kenessey, Zürich
Dass in der Schweiz eine Unterversorgung mit Psychotherapie besteht, ist in Fachkreisen schon lange bekannt. Es ist daher erfreulich, dass das Bundesamt für Gesundheit dies nun auch zur Kenntnis nimmt. Es erstaunt mich allerdings sehr, dass man sich dort nicht fragt, was man dagegen tun kann, sondern nur, wie man die Kosten für Psychotherapie senken kann. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass eine ungenügende Behandlung psychischer Erkrankungen zu Mehrkosten in anderen Bereichen der Medizin führt und vermeidbare Arbeitsunfähigkeit und Invalidität zur Folge hat. Leute mit Panikstörungen haben ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt; die Prognose für Leute, die nach einem Herzinfarkt depressiv sind, ist schlechter usw. Von den Belastungen für die Angehörigen und ihre Kinder ganz zu schweigen.
Es wird heute schon verlangt, dass eine Psychotherapie - wie jede medizinische Behandlung - die «WZW-Kriterien» (Wissenschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) erfüllen muss. Dies bedeutet aber nicht, dass jede psychische Störung mit einer Kurz-Psychotherapie geheilt werden kann. Bei Personen mit einer neu aufgetretenen psychischen Erkrankung und intakten Ressourcen (gut strukturierte prämorbide Persönlichkeit, normale Intelligenz, gutes Umfeld usw.) ist eine Kurztherapie häufig ausreichend, nicht aber bei psychisch schwer beeinträchtigten Patienten, die schon jahrelang krank sind, schwer traumatisiert wurden oder in einer sehr belastenden psychosozialen Situation leben.
Es gibt eine ganze Reihe körperlicher Krankheiten, deren Behandlung ebenfalls aufwendig ist. Bei manchen dieser Erkrankungen haben in den letzten Jahren die Häufigkeit wie auch die Behandlungskosten des einzelnen Patienten ebenfalls zugenommen, zum Beispiel bei den chronischen obstruktiven Lungenkrankheiten oder beim Diabetes mellitus Typ 2. Bisher ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, zu sagen, die Kosten dieser Behandlungen müssten gesenkt werden, indem diese Patienten weniger oft inhalieren dürfen oder weniger Insulin bekommen als nötig.
Dr. med. Monika Diethelm-Knoepfel, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Uzwil (SG)
Eine halbe Million Schweizer hätten eine psychotherapeutische Behandlung nötig. Heute weiss man, dass die Ursache sämtlicher späterer Neurosen in den ersten Lebensjahren liegen, d. h. von Umweltfaktoren der ersten zehn Lebensjahre abhängig sind. Wäre es nicht an der Zeit, als Sparmassnahme die Ursachen zu verändern, die zu seelischen Störungen führen? Eine Elternausbildung als vorbeugende Massnahme und eine Lehrer-Weiterbildung für die Grundstufe würden dem Bund Millionen von Franken einsparen! Die erste und vorläufig einzige Elternausbildung in der Schweiz, die seit zehn Jahren erfolgreich betrieben wird, hat sich zum Ziel gesetzt, zur Gesundung der nächsten Generation beizutragen.
Mària Kenessey, Zürich
patpatpat - 18. Dez, 13:53