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Sonntag, 12. März 2006

Berner Zeitung: Island - Volk will keine nationale Gendatenbank

BZ vom 11.3.06:
Den «grössten je im Bereich der Humangenetik abgeschlossenen Deal» kündigten im Februar 1998 die Biotechfirma DeCode, die Basler Pharmafirma Roche und Islands Ministerpräsident David Oddson an. Das von Roche in Aussicht gestellte Engagement von 200 Millionen Franken sollte Islands Parlament beflügeln, ein entsprechendes Gesetz für eine zentrale isländische Gesundheitsdatenbank zu unterzeichnen. DeCode wollte gratis eine umfassende Datenbank zur Planung des Gesundheitswesens liefern. Als Gegenleistung forderte die Firma Zugang zu staatlichen Gesundheitsdaten, die sie mit Gen-Daten der 290 000 Isländer ergänzen wollte, gewonnen aus Blutproben. Diese Daten und die öffentlich zugänglichen Familienstammbäume sollten DeCode Informationen über vererbbare Volkskrankheiten wie hoher Blutdruck oder Asthma liefern, um gezielt Medikamente zu entwickeln.
Nach einem weltweiten Echo ist es um das Projekt still geworden. Roche hat ihren Vertrag zwar mehrmals verlängert, aber sukzessive eingeschränkt, wie Klaus Lindpaintner, Leiter der Roche-Genforschung, präzisiert. Für die ambitiöse Gendatenbank hat DeCode, gemäss eigenen Angaben, nur einen Drittel der Bevölkerung, etwa 100 000 Isländer, gewinnen können. Die zentrale Gesundheitsdatenbank, der lukrative Deal für die Behörde, ist nie erstellt worden, sagt DeCode-Sprecher Edward Farmer gegenüber dieser Zeitung, ohne Gründe nennen zu wollen.
chr

Berner Zeitung: "Blauäugige Begeisterung"

Interview in der BZ vom 11.3.:
Das gescheiterte Genom-Datenprojekt über Islands Bevölkerung vergleicht die Philosophin Sigridur Thorgeirsdottir mit dem Dürrenmatt-Stück «Der Besuch der alten Dame».

Haben Sie Ihre Daten für Islands geplante Gesundheitsdatenbank zur Verfügung gestellt?


Sigridur Thorgeirsdottir: Nein, ich gehöre zu den 7 Prozent der Bevölkerung, die ausgestiegen sind. Weil ich das dazu gehörige Gesetz von 1998 nicht gut fand.

Warum nicht?

Das Gesetz ist fehlerhaft. Die Gesundheitsdaten sollten ohne schriftliche Einwilligung zur Verfügung gestellt werden. Der Staat ging von einer pauschalen mutmasslichen Einwilligung aus. Patienten, die damit nicht einverstanden waren, konnten ihre Daten ausschliessen lassen, so wie ich es getan habe. Es wurde offenbar befürchtet, zu viele Leute könnten ihre Unterschrift verweigern, falls sie explizit dazu angefragt würden.

Hat Islands Parlament zu diesem Gesetz keine Debatte geführt?

Das Gesetz war im Parlament sehr umstritten, ebenso bei den Ärzten und Forschern. Das Konzept der mutmasslichen Einwilligung ist moralischer Müll. Gerade weil auch eine kommerzielle Verwendung vorgesehen war, hätte man die Bürger auffordern sollen, der Freigabe ihrer Daten schriftlich zuzustimmen. Diese Einwilligung wäre wohl eher zu erhalten, wenn die Leute regelmässig über die Verwendung der Daten informiert würden und jederzeit ihre Daten zurückziehen könnten.

Zwei Drittel der 290 000 Isländer sagten nein. Sie trauen der Anonymisierung ihrer Daten offenbar nicht.


In einem so kleinen Land ist es tatsächlich schwierig, die Anonymität zu gewährleisten. Zwar gab es die Zusicherung, dass man keine Individuen in der Datenbank erkennen kann. Auf Grund von Informationen über Gruppen mit seltenen Krankheiten hätte man aber möglicherweise Schlüsse über bestimmte Leute ziehen können.

Was ist aus dem Scheitern von Islands Datenbank zu lernen?

Ein Gesetz für eine Gesundheitsdatenbank darf man nicht unter Zeitdruck verabschieden, wie dies geschehen ist. Dies hat zu einer hitzigen Debatte mit viel Kritik und Missverständnissen geführt. Es müssten alle Interessenvertreter für das Aushandeln einer Lösung gewonnen werden.

Dann würden die Leute eine Datenbank vielleicht akzeptieren?

Aber nur, wenn ein breites Wissen über Genetik und Pharmagenetik vorhanden ist. Dazu ist guter Wissenschaftsjournalismus unentbehrlich. In Islands Hauptstadt Reykjavik gab es während der Gesetzesdebatte viele Kulturjournalisten und Theaterkritiker, aber kaum kritische Wissenschaftsjournalisten. Was aber hat auf unser Leben mehr Einfluss, ein Theaterstück oder neue Forschungen und Tendenzen in den Biowisssenschaften? Es ist wichtig, dass wir uns fragen, was für Folgen die neue Technologie und Wissenschaft – hier eine mögliche Genetisierung der Gesundheitsvorsorge – haben könnte.

Sollte es weiterhin ein Recht auf Nichtwissen geben?

Darauf gibt es keine einfache Antwort. Dazu ein Beispiel. Es werden Diagnoseinstrumente entwickelt, die genetische Veranlagung für einen Herzinfarkt festzustellen. Stellt man diese Veranlagung bei einem zehnjährigen Mädchen fest, wird sie vielleicht künftig zum Medikamenten-Abonnenten. Und wächst im Wissen auf, potenziell herzkrank zu sein. Genetische Diagnosen können unser Selbstbild verändern. Es sollte nicht soweit kommen, dass dadurch andere Faktoren wie Ernährung oder Lebensstil unterbewertet werden.

Aber eine genetische Diagnose könnte doch zu individuell ab-gestimmten Medikamenten führen?

Man muss sich aber fragen, wie teuer solche Medikamente zu stehen kämen. Wird die staatliche Gesundheitsversorgung eine solche Entwicklung finanziell verkraften können? Und wird die genetische Ausrichtung der Medizin zudem die Gefahr der eingeschränkten Sicht auf Gesundheit und Krankheit mit sich bringen? Hoffentlich nicht.

Was ist Ihre Bilanz aus der Gesundheitsdatenbank-Affäre Ihres Landes?


Dass die Wirklichkeit manchmal dazu neigt, dem Stoff eines Dürrenmatt-Theaterstücks zu gleichen. Ich denke da an den «Besuch der alten Dame». Viele Leute, die sich als kritisch einschätzen, werden blauäugig, wenn Markt und wirtschaftlicher Gewinn im Spiel sind. Viele der Juristen und Ethiker, die sich mit Pro und Kontra von Biodatenbanken befassen, haben sich im Prinzip nicht den wirklich wichtigen Fragen gestellt. Es sind folgende Fragen: Welche Bedeutung haben solche Datenbanken für die Gesundheitsfürsorge, wie wird dabei unser Menschenbild und unsere Gesellschaft verändert?
Interview: Christian Bernhart

Sigridur Thorgeirsdottir ist Philosophin und Ethikerin in Islands Hauptstadt Reykjavik.

Berner Zeitung: "Die durchsichtigen Leiden des schutzlosen Patienten"

BZ, 11.3.:
Keine Angst: Genetische Daten sind in der Schweiz vor unbefugten Mitwissern geschützt durch das Gesetz! Ist das so? Leider nein. Das gültige Gen-Gesetz kann es nicht, alte Gesetze werden nicht eingehalten. Und das Arztgeheimnis ist in der Versicherungspraxis längst aufgeweicht. Bloss will das alles niemand wissen.
Es ist ein medizinischer Traum: Wissenschaftler möchten das Erbgut ganzer Völker auf Datenbanken ablegen und durchforsten, um so genetische Defekte zu finden, die womöglich die grossen Volkskrankheiten steuern. Die Pharmaindustrie träumt mit, in der Hoffnung, treffsicherere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen zu entwickeln. Das lukrative Geschäft wäre eine angenehme Begleiterscheinung.
Zukunftsmusik? Nein. Das kleine Island startete 1998 das Projekt für eine nationale Gendatenbank (siehe Interview und Box). Die Schweizer Pharmaindustrie legt schon Biodatenbanken an. Und im letzten Oktober hat der Schweizerische Nationalfonds den Forschungsschwerpunkt «Sesam» gestartet. Von der Wiege bis zur Mündigkeit sollen 3000 Kinder mit Hilfe ihrer genetischen Daten und ihres familiären Umfelds Aufschluss über psychische Leiden geben. Das Projekt geniesst die Unterstützung von Novartis und Roche. Budget bis Ende 2009: 17 Millionen Franken.
Keine gesetzliche Basis
Die schönen Träume stossen aber auf Widerstand. In Island ist das optimistisch angekündigte Projekt vorerst gescheitert, weil zwei Drittel der Isländer ihre Gesundheitsdaten nicht für eine Gen-Datenbank preisgeben wollten. Die genetische Durchleuchtung des Menschen, vor ein paar Jahren noch euphorisch gefeiert, löst nun die Angst vor dem gläsernen Patienten aus, dessen versteckte Leiden für Staat, Medizin und Krankenkassen einsehbar werden – und missbraucht werden könnten. In der Schweiz lief unlängst der «Basler Appell gegen Gentechnologie» Sturm und forderte die Sistierung von «Sesam». Die grüne Nationalrätin Maya Graf doppelte in einer Interpellation nach, weniger radikal allerdings. Graf: «Ich will Wissen nicht stoppen, aber die Forschung kritisch begleiten und hinterfragen.»
Die Thematik würde eigentlich nicht nur gentechkritische Kreise betreffen. Sondern alle Bürgerinnen und Bürger. Es könnte sie insbesondere interessieren, dass die Verwendung genetischer Daten, wie sie in Schweizer Forschungsprojekten schon läuft, gesetzlich gar nicht, noch nicht oder nur unvollständig geregelt ist. Das bewilligte Bundesgesetz über die genetischen Untersuchungen beim Menschen (GUMG) tritt erst auf den 1. Januar 2007 in Kraft. Und für das übergeordnete «Gesetz über die Forschung am Menschen» ist Anfang Jahr erst die bis am 31. Mai andauernde Vernehmlassungsfrist angelaufen.
Das GUMG regelt Gen-Daten primär als Personenschutzgesetz. Es überlässt also dem Einzelnen den Entscheid, ob er sich über seine Gen-Daten ins Bild setzen will oder nicht – und überfordert ihn bald einmal. Inwiefern die ganze Gesellschaft vom Wissen über das Erbgut betroffen ist, das bleibt im Gesetz ausgeklammert. Eine allgemeine Debatte wird von Artikel 6 des Gesetzes gewissermassen verhindert: «Jede Person hat das Recht, die Kenntnisnahme von Informationen über ihr Erbgut zu verweigern.»
Nicht wissen geht nicht
Der Entscheid des Einzelnen ist aber nicht absolut. Wollen beispielsweise Paare vor einer Schwangerschaft wissen, ob in ihren Genen oder in jenen des Nachkömmlings mögliche Krankheiten stecken, dann muss sie der Arzt informieren, wenn der Gentest Hinweise gibt, dass sie unmittelbar selbst bedroht sind oder der Fötus im Mutterleib gefährdet ist. Wer sich also einem Gentest unterzieht, sei es aus Neugier oder für die Familienplanung, macht bereits den entscheidenden Schritt, nach dem es kein Zurück mehr gibt.
Auch der Stand von Forschung und Technik zwingt dem Einzelnen bald Kenntnisse über sein Erbgut auf, ob er das nun will oder nicht. Eine Gen-Diagnose ist in Kürze schnell und problemlos lieferbar. An der Universität Basel hat Christoph Gerber im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes der Nanowissenschaften ein handliches Gerät entwickelt, das genetische Untersuchungen so schnell und einfach wie ein Blutgruppentest-Gerät durchführt. Der Gentest als Routineuntersuchungen dürfte in naher Zukunft kommen.
Wer an das verbriefte Recht auf Nichtwissen glaube, sei blauäugig, meint der Arzt und Informatiker Martin Denz, der als Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik eingehend mit der Problematik medizinischer Daten vertraut ist. Wichtige Fragen stehen an: Was wird der Arzt als genetische Bedrohung einstufen, wenn er bei seiner Diagnose auf sicher gehen will, damit ihn später nicht der Vorwurf trifft, lebensrettende Informationen für sich behalten zu haben? Und wird der Patient auf Informationen verzichten wollen, verzichten können, wenn er weiss, dass es womöglich ein Hinweis auf eine Krankheit gibt?
Schon heute kann der Patient eigentlich gar nicht mehr nicht wissen wollen. Weil es immer mehr heikle Daten gibt. Damit ist für Denz eine Spirale angestossen: «Einmal bekannt gewordene Gesundheitsdaten lassen sich nicht ungeschehen oder rückgängig machen.»
Einblick für Versicherer
Dazu kommt: Das GUMG garantiert den Versicherungen unter bestimmten Bedingungen ein Mitwissen. Sie sollen laut Artikel 27 vor Abschluss einer Lebensversicherung, die über 400 000 Franken liegt, bestehende Gentests zur Risikoabklärung verlangen können. Versicherer dürfen sogar genetische Risikodiagnosen einbeziehen, wenn Kunden bei ihnen eine Spitalzusatzversicherung absichern oder andere Leistungen privat versichern wollen. Der medizinische Fortschritt ist hier Massstab. Zulässig sind Gen-Diagnosen etwa, wenn der «wissenschaftliche Wert der Untersuchung für die Prämienberechnung nachgewiesen ist». Wer aber entscheidet über den wissenschaftlichen Wert solcher Untersuchungen? Zunächst Experten, letztlich dann die Gerichte, die für teures Geld exemplarische Urteile zu fällen haben.
Schon heute ist das Arztgeheimnis zugunsten der Privatversicherer aufgeweicht. Erst nachdem das Parlament das GUMG im Oktober 2004 verabschiedet hatte, deckte der Bundesrat im Februar 2005 diesen Tatbestand im Bericht zum Postulat «Regelungslücken im medizinischen Datenschutz in den Sozialversicherungen» auf. Das Fazit des Berichts, zu dem das Institut für Gesundheitsrecht der Universität Neuenburg die Daten lieferte: Gesetze und Regeln sind zwar lückenlos, werden aber nicht eingehalten.
So geben befragte Krankenkassen freimütig zu, die Gesundheitsdaten zwischen der Sozialversicherung (obligatorische Krankenversicherung) und der Privatversicherung (Spitalzusatzversicherung) hin- und her zu schieben. Und Mitarbeiter der Versicherer können Patientengeschichten, die für den Vertrauensarzt bestimmt sind, ohne weiteres einsehen, weil diese elektronisch unter einheitlichem Code gespeichert sind.
Patientenschutz ausgehöhlt
Diese Praxis ist eigentlich gesetzeswidrig: Sozialversicherungen sind zur Schweigepflicht gegenüber Dritten verpflichtet. Und Privatversicherer sind solche Dritte, denn im Gegensatz zu den Sozialversicherern dürfen sie als profitorientierte Unternehmen kranke Patienten ausschliessen oder deren Gebühren drastisch erhöhen. Diesen Verstoss gegen das Gesetz listet der Bericht kommentarlos auf, was den Arzt Denz folgern lässt: «Der Bericht ist ein Blankoscheck zugunsten der heutigen Praxis.»
Er findet es zudem stossend, wie das Arztgeheimnis zunehmend durch die Verordnung ausgehöhlt wird. So misst das Krankenversicherungsgesetz (KVG) dem Arztgeheimnis und Patientenschutz grossen Wert bei und verpflichtet die Ärzte, Diagnosen erst auf speziellen Antrag und nur zuhanden des Vertrauensarztes der Krankenkasse zu liefern. Die Verordnung zum KVG hingegen macht diese Verpflichtung zur Makulatur. Sie verlangt nämlich, dass der Arzt die Rechnung mit einem Diagnosecode zu versehen hat.
Vergeblich hatte die Berner Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga 2001 noch als Nationalrätin versucht, den Datenschutz des Patienten anzumahnen. Heute verpflichtet der Tarmed-Vertrag bei der ambulanten Behandlung die Ärzte dazu, die Diagnose aufgrund von 100 Krankheitsbildern zu übermitteln.
Widersprüchliches Gesetz
Den Versicherern liegen somit die Gesundheitsdaten bald einmal detailliert vor. Der gläserne Patient wird immer mehr Wirklichkeit. Gesundheitsdaten wandern nicht nur von der Sozial- zur Privatversicherung, sondern geraten in gewissen Fällen auch schon in die Hände der Lebensversicherer. In der Praxis haben die Versicherer heute schon das Risiko zu ihren Gunsten reduziert. Und das GUMG gibt ihnen nun mit dem Zugang zu genetischen Daten ein weiteres Instrument in die Hand.
Das gleiche Gesetz, das das Individuum schützt und ihm eine umfassende Entscheidungsfähigkeit einräumt und verbietet, dass persönliche Daten an Dritte geliefert werden, lässt genau das durch die Hintertüre zu. Auch das nun in die Vernehmlassung geschickte Humanforschungsgesetz schützt die Person und wird doch nicht verhindern können, dass dieser Schutz in der Versicherungspraxis unterlaufen wird.
Diese Schwäche des Rechts hat vielleicht auch mit einer reduzierten Perspektive auf die ganze Thematik zu tun. Der isländischen Philosophin Sigridur Thorgeirsdottir (siehe Interview) fiel mit Befremden auf, wie Ethiker, Behördenvertreter und Politiker in der Schweiz Gesundheit und Krankheit fast ausschliesslich auf juristischer Ebene abhandeln und zufrieden sind, wenn Gesetze mit klaren Paragrafen vorliegen.
Die Philosophin berichtete an einer Tagung der Schweizer Stiftung für Datenschutz und Informationssicherheit zum Thema «Biobanken – Forschung und Persönlichkeitsschutz» über die Gendaten-Debatte in ihrem Heimatland. Sie forderte in ihrem Referat eine breite Diskussion über Sinn, Zweck und Kosten von Biodatenbanken.
Ich bin gesunder als du!
Ein Aspekt schliesslich ist bis jetzt gar nicht debattiert worden: Der Einzelne könnte seine Gen-Daten schamlos zu seinem Vorteil verwenden. Im harten Wettbewerb bei zunehmender Arbeitslosigkeit könnte der Gesunde dem Arbeitgeber freiwillig seine Gen- oder Gesundheits-Daten unter die Nase halten. Insbesondere dann, wenn eine belastbare Persönlichkeit gefragt ist. Bruno Baeriswyl, Präsident der Stiftung Datenschutz und Informationssicherheit, aber auch der Arzt Denz hält solch unlauteren Wettbewerb für möglich. Beiden kommt der Science-Fiction Film «Gattaca» von 1997 in den Sinn. Der Film, der den genetisch perfekten Menschen zum Thema macht, zeigt eine Welt auf, in der Menschen genetisch manipuliert werden, um Krankheitsrisiken auszuschalten. Menschen mit genetischen Fehlern haben kaum mehr Aussichten auf einen Job.

Samstag, 11. März 2006

Zahlen psychisch Kranker massiv zu hoch?

Die US-Professoren Allan V. Horwitz (Soziologie) und Jerome Wakefield (Sozialarbeit) vertreten in einem soeben erschienen Fachartikel die Ansicht, dass die in letzter Zeit publizierten enorm hohen Zahlen von Menschen mit unbehandelten Depressionen massiv zu hoch seien. Diese Ziffern seien ein Produkt der gewählten Methodologie, die quasi zwingend zu überhöhten Zahlen führen müsse.

The High Percentages of Depression Have Been Greatly Exaggerated
The Methodology of Community Surveys Leads to an Overestimate of Mental Illness
Washington, DC—According to widely reported community-based research, almost half the U.S. population suffers from depression. But research by two sociologists indicates that percentage is greatly exaggerated or is a misrepresentation.
The extraordinarily high rates of untreated mental illness reported by community studies are false, say Allan V. Horwitz, a sociology professor in the Institute of Health at Rutgers University, and Jerome Wakefield, a professor in the School of Social Work at New York University. Community studies rely on standard, closed-format questions about symptoms with no context provided to differentiate between reactions to normal life stress (i.e., a death, a romantic break up, work or school stress) and pathological conditions that indicate clinical mental illness.


Hier der Link zum Originalartikel in der Fachzeitschrift "Contexts" im .pdf-Format (Alternativlink, falls ersterer nichts liefert). Könnte es sein, dass wenn Horwitz und Wakefield recht haben, Sesam ein Teil der Legitimation wegbricht? Immerhin wird ja von Sesam selber explizit mit hohen Zahlen argumentiert:
Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer psychischen Störung zu erkranken, liegt derzeit bei über 40%.
Wo kommen diese "über 40%"genau her? Der allgemeine Verweis auf "The global burden of disease" ist etwas dürftig. Auch hier kommen die % wieder:
Die Tatsache, dass die Forschung die Ursachen und Wirkungsfaktoren von psychischen Erkrankungen noch nicht hinreichend erklären kann, ist angesichts von Erkrankungsraten von weit über 40% beunruhigend. (...) Die Häufigkeit und die alarmierende Zunahme psychischer Erkrankungen führen unweigerlich zu gesundheitsökonomischen Herausforderungen. Selbst in der „reichen“ Schweiz befinden sich die Gesundheits- und Sozialausgaben in einer Höhe, die viele Menschen, insbesondere Familien und Alleinerziehende, vor finanzielle Probleme stellt. Ein besseres Verständnis der psychischen Gesundheit ist daher von Bedeutung für die Gesundheits- und Sozialpolitik wie auch für die Volkswirtschaft.
Im Weltgesundheitsbericht der WHO von 2001 steht:
Mental and behavioural disorders are estimated to account for 12% of the global burden of disease
12%, es ist nicht die Rede von "Erkrankungsraten von weit über 40%". Im Weltgesundheitsbericht von 2002 sind bei den developed countries "neuropsychiatric disorders" (Das sind: Unipolar depressive disorders, Bipolar disorder, Schizophrenia, Epilepsy, Alcohol use disorders, Alzheimer and other dementias, Parkinson disease, Multiple sclerosis, Drug use disorders, Post-traumatic stress disorder, Obsessive-compulsive disorder, Panic disorder, Insomnia [primary], Migraine, Mental retardation [lead-caused], Other neuropsychiatric disorders) laut Grafik 4.8 für gut 20% der DALYs (ungefähr: durch Tod und Krankheit verlorene Lebensjahre) verantwortlich. Das sind immer noch nicht "über 40%". Die 450 Millionen, die laut WHO an "mental or behavioural disorder"s leiden, sind sogar nur 7% der Weltbevölkerung. Es würde der Klarheit wohl dienen, wenn irgendwo bei Sesam eine Referenz zu finden wär auf die Quelle dieser 40%. Vielleicht vergleich ich hier ja ständig Aepfel mit Birnen.
Was aber, wenn die psychischen Erkrankungen gar nicht so häufig und erst noch nicht alarmierend am Zunehmen sind? Horwitz und Wakefield reden in ihrem Artikel eine sehr klare Sprache:
According to large, community-based research studies that the media report with great fanfare, alarming numbers of Americans suffer from mental disorders. The most frequently cited study, the National Comorbidity Survey, claims that half the population suffers from a mental illness at some point. Moreover, these same studies show that few people diagnosed as mentally ill seek professional treatment. Policy discussions, scientific studies, media reports, advocacy documents, and pharmaceutical advertisements routinely cite such figures to show that mental disorder is a public health problem of vast proportions, that few sufferers receive appropriate professional treatment, that untreated disorders incur huge economic costs, and that more people need to take medication or seek psychotherapy to overcome their suffering.
Awareness of large numbers of untreated, mentally ill people in the community has reshaped mental health policy, justifying efforts to address this “unmet need for treatment”—for example, by training general practitioners or public school personnel to screen for and treat mental disorders. Despite their rhetorical value, the high rates are a fiction; the studies establish no such thing.

Tages-Anzeiger heute über Sesam

Protest gegen Psycho-Studie an Kindern
Darf man Forschung betreiben an Embryonen und Kindern? Nein, finden Kritiker und haben gegen ein ehrgeiziges Projekt des Nationalfonds über 10 000 Unterschriften gesammelt.
Von Antonio Cortesi
Das sei «gut investiertes Geld», sagte Pascal Couchepin im vergangenen März, als er 50 Millionen Franken für sechs nationale Forschungsschwerpunkte der Geistes- und Sozialwissenschaften freigab. Mit 10,2 Millionen wurde auch ein Grossprojekt der Universität Basel bedacht. Projektleiter Jürgen Margraf, Professor für klinische Psychologie, hatte damals allen Grund zur Freude.
Inzwischen dürfte die Freude getrübt sein. Gegen das Projekt «Sesam» (Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health) hat sich erbitterter Widerstand formiert. Federführend ist dabei der Basler Appell gegen Gentechnologie. Der Verein hat eine Petition lanciert und in kurzer Zeit über 10'000 Unterschriften gesammelt, wie Geschäftsführerin Pascale Steck auf Anfrage bekannt gab. Das sei ein «beachtlicher Erfolg», zumal in Basel für eine Volksinitiative bloss 4000 Signaturen nötig sind.
Der Basler Appell wird die Petition am kommenden Dienstag dem Präsidenten der Ethikkommission beider Basel überreichen. Diese wird demnächst darüber beraten, ob die Studie moralischen Richtlinien standhält. Für die Realisierung von Sesam ist dies entscheidend.
Sesam ist ein weltweit einzigartiges Langzeitprojekt, das über die Ursachen psychischer Krankheiten Aufschluss geben soll. Die Forscher wollen die Entwicklung von 3000 Kindern und ihren Familien über einen Zeitraum von zwanzig Jahren wissenschaftlich begleiten - und zwar bereits ab der zwölften Schwangerschaftswoche. Dabei soll auch das Erbgut analysiert werden. Im Vordergrund steht die Frage, wie relevant genetische Faktoren beziehungsweise Umwelteinflüsse für die psychische Gesundheit sind.
Für den Basler Appell stossen die Forscher in einen Tabubereich vor. Zudem, so Pascale Steck, werfe die Studie heikle rechtliche Fragen auf:
Kinder würden instrumentalisiert, lautet der Hauptvorwurf. Da sie nicht urteilsfähig seien, könnten sie nicht selber entscheiden, ob sie sich am Projekt beteiligen wollen. Zudem würden sie nicht direkt von der Forschung profitieren.
Mit Speichelproben soll das Erbgut der Kinder und Eltern analysiert werden. Damit bewegten sich die Forscher im juristischen Graubereich.
Das genetische Material werde in Biobanken gespeichert. Das sei datenschützerisch höchst problematisch, zumal auch die Pharmaindustrie das Projekt unterstütze und Interesse an den Daten habe.
Bekämpft wird die Studie auch im eidgenössischen Parlament. Die grüne Basler Nationalrätin Maya Graf hat eine von Vertretern aus GP, SP, CVP und EVP mitunterzeichnete Interpellation eingereicht. Darin fragt sie den Bundesrat, ob er die «fremdnützige klinische Forschung an Kindern» gutheisse - zumal das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen noch ausstehend sei und mit der Bewilligung der Studie ein Präjudiz geschaffen werde.
Der Bundesrat sieht darin jedoch kein Problem, wie er in seiner Antwort schreibt. Inzwischen hat er zudem das Gesetz über die Forschung am Menschen in die Vernehmlassung geschickt. Gemäss dem Entwurf sollen Forschungen an unmündigen und nicht urteilsfähigen Personen erlaubt sein, wenn die gesetzlichen Vertreter einwilligen und die Risiken und Belastungen minimal sind.
Diese Kriterien seien bei Sesam ohne Zweifel erfüllt, sagte Projektleiter Margraf auf Anfrage: «Es steht jedem Beteiligten jederzeit frei, sich aus der Studie zurückzuziehen.» Erfahrungen mit ähnlichen Studien aus dem Ausland zeigten jedoch, dass die Familien in den meisten Fällen begeistert mitmachten, weil sie vom Wissen der Forscher profitierten. Margraf rechnet bei Sesam mit einer Ausstiegsquote von maximal 30 Prozent.
Maya Graf kritisiert aber auch «die ökonomielastige Grundhaltung» der Studie. Sauer aufgestossen ist ihr die Formulierung im Projektbeschrieb, Sesam trage dazu bei, «die Position des Landes in einem Feld von grösster strategischer Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig zu stärken». Dass der Pharmakonzern Roche das Projekt mit sechs Millionen Franken unterstützt, schürt die Befürchtungen der Nationalrätin, Sesam habe einseitig das «ökonomische Funktionieren des Menschen» zum Ziel.
Auch diese Bedenken teilt der Bundesrat nicht: Die Erforschung psychischer Krankheiten gehe «weit über ökonomische Interessen hinaus». Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) würden im Jahr 2020 Depressionen «die zweithäufigste Ursache für vorzeitige Sterblichkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen» sein, so die Regierung. Und Margraf ergänzt: In der Schweiz gebe es jährlich dreimal mehr Suizide (1546) als Verkehrstote. Die Studie könne zur Prävention beitragen, was volkswirtschaftlich sehr wohl bedeutsam sei.
Geplanter Starttermin für Sesam ist der kommende Oktober. Am Anfang der Studie steht die Rekrutierung von 3000 schwangeren Frauen in diversen Frauenkliniken der Schweiz - was laut Margraf «kein Problem» sein werde. Bereits im Mutterleib sollen die Ungeborenen mit Ultraschall untersucht werden, beispielsweise auf ihr Stressverhalten hin. Nach der Geburt ist etwa das Schreiverhalten des Kindes und die Reaktion der Eltern ein Thema. Der Hauptteil der Daten soll aus Gesprächen, Fragebogen und Beobachtungen stammen.
Sesam ist ein Megaprojekt. Mit zwölf Teilstudien sind auch die Universitäten Zürich, Bern, Lausanne und Genf beteiligt. Ein hoch dotiertes Gremium mit Professoren aus den USA, aus Grossbritannien, Kanada und Australien soll den hiesigen Forschern beratend zur Seite stehen.

Freitag, 10. März 2006

baz über Klaus Schmeck, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie

von Timm Eugster:

Klaus Schmeck setzt auf Versöhnung
Neuer Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik will keinen Psychologenstreit
Was passiert mit Freuds Erbe in Basel? Klaus Schmeck (49), Nachfolger des Psychoanalytikers Dieter Bürgin, schlägt sich im aktuellen Richtungsstreit auf keine Seite - er will aber verstärkt auch verhaltenstherapeutische Konzepte anwenden.
Klaus Schmeck blickt von seinem Arbeitszimmer in der alten Villa am Schaffhauserrheinweg auf das verschneite Rheinbord - und ist begeistert: «Das Klima gefällt mir sehr, sehr gut hier!» Er meint es im meteorologischen Sinne - sogar Palmen gebe es in Basel, anders als in Frankfurt und Ulm, wo er bis vor zwei Monaten noch tätig war - aber nicht nur: «Ich bin von allen Seiten sehr gut aufgenommen worden.» Der neue Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik (KJPK) lotet gegenwärtig in der hiesigen Szene das Terrain aus - sehr sorgfältig, systematisch und auf sympathische Art, wie ihm attestiert wird.
Der deutsche Diplompsychologe hat eine heikle Aufgabe angetreten. Schon während des Berufungsverfahrens hatte helle Aufregung unter Psychotherapeuten geherrscht. Denn mit der Pensionierung Dieter Bürgins hat einer der letzten grossen Basler Psychoanalytiker einen wichtigen Posten abgegeben. Im Rennen um die Nachfolge war auch eine Kandidatin, die stark auf Verhaltenstherapie und Medikamente setzt und bei psychoanalytisch arbeitenden Therapeuten die Angst nährte, ihre Methoden würden weiter ausgegrenzt. Mit der Fakultät für Psychologie der Uni Basel, die ihr Fach als «Life Science» versteht und die Psychoanalyse in der Tradition Freuds für überholt hält, liegen die Therapeuten im Clinch. Die Berufungskommission wollte den Streit nicht weiter anheizen - und wählte den Favoriten Schmeck.
Sein Programm lautet: «Es bringt uns nicht weiter, Gegensätze zu pflegen - wir müssen sie überwinden.» So möchte er die nur in Ansätzen vorhandene Zusammenarbeit zwischen KJPK und den Psychologen der Uni Basel verstärken, ohne den engen Kontakt zu frei praktizierenden Therapeuten zu vernachlässigen. Ob es ihm gelingen wird, allen Parteien gerecht zu werden? Schmeck: «Es kann schon sein, dass ich noch an harte Grenzen stossen werde...» Als Vermittler will er nicht bezeichnet werden: «Ich will meine Rolle nicht überschätzen.»
NEUE AKZENTE. Was aber hat Schmeck vor mit dem Erbe Bürgins? - Er könne sich glücklich schätzen, dass so viel psychoanalytisches Wissen da sei: «Bürgin geniesst über die Grenzen hinaus einen guten Ruf und hat viel bewegt.» Aber: «Ich möchte neue Akzente setzen und vermehrt auch andere therapeutische Verfahren einsetzen.»
So will er die Stärken der bisherigen tiefenpsychologischen Methoden mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen in neuen Konzepten kombinieren. Konkret: Bei Zwangsstörungen - wenn ein Kind zum Beispiel ständig auf Gegenstände klopft oder Türen auf- und zuschlägt - sei eine Verhaltenstherapie sehr hilfreich. Bei Persönlichkeitsstörungen aber - wenn Beziehungen zu anderen Menschen schwierig und wenig tragfähig sind, Gefühle schwer regulierbar sind, Depressionen, Essstörungen oder Selbstmordgedanken auftreten - müsse man die Beziehung selbst zum Thema machen. «Dann setzen wir uns an den Tisch und besprechen, was zwischen uns passiert», so der Chefarzt. Eine Couch hat er nicht im Arbeitszimmer. Dafür wird die Ritterburg bald ausgepackt, die noch in Schachteln verstaut ist, und die Plüschbären stehen schon bereit.
FÜR «SESAM». Dass die tiefenpsychologische Psychotherapie in Bedrängnis ist, liegt für Schmeck nicht an mangelnder Wirksamkeit - sondern am Mangel an Studien: «Solange die Löwen keine Geschichten erzählen, werden die Sieger immer die Jäger sein», zitiert er ein afrikanisches Sprichwort und meint damit: Wer Studien verfasst, ist im Vorteil. Die nächste Geschichte, die in Basel geschrieben wird, steht unter der Leitung des Uni-Psychologen Jürgen Margraf, der mit dem Erbe Freuds auch nichts am Hut hat: Mit «sesam» will Margraf 3000 Kinder vom Mutterleib bis zum 20. Altersjahr inklusive deren Eltern und Grosseltern untersuchen. Bei Psychotherapeuten und den Gentech-Kritikern stösst die Studie auf massive Kritik.
Er sei kaum informiert über «sesam», sagt Schmeck, und nimmt doch vorsichtig Partei für das Projekt: «Kollegen aus der ganzen Welt beneiden uns.» Doch müssten ethische Bedenken ernst genommen werden: «Die Kinder müssen zum Beispiel jederzeit aussteigen können.» Und er selbst, wird er versuchen, bei «sesam» einzusteigen? Schmeck bestätigt: «Ich würde sehr gerne meine Ideen einbringen.»

Donnerstag, 9. März 2006

Jürgen Margraf in der TeleBar

"TeleBar" heisst die relativ kurze Interviewsequenz mit einem Gast des Tages auf dem Lokal-TV "TeleBasel". Heute stand der Leiter von Sesam dort Red und Antwort:

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Mittwoch, 1. März 2006

Leserbrief in Zeitung "Der Bund", Bern, heute

Wegweisend
«Umstrittene Studie an Kindern», «Bund» vom 22. Februar

Die Kritik von Simonetta Sommaruga und des «Basler Appells gegen Gentechnologie» an der Studie Sesam zur Entwicklung psychischer Erkrankungen ist polemisch und unberechtigt: Gerade dass die Pharmaindustrie mitbeteiligt sein wird, spricht für die Qualität. Heute kann es sich keine grosse Firma mehr leisten, Gesetze und Standards nicht einzuhalten. Die geplante Zusammenarbeit von Universität, Spital, Industrie ist wegweisend und das einzig Richtige. Auch in Sachen Ethik!

Christoph Küng, Lohn-Ammannsegg

Dienstag, 28. Februar 2006

Brief in der baz heute

Bedenken zu «sesam»

Leserbrief - Tür zu «sesam» wird definitiv geschlossen; baz 24. 2. 06

Ich freue mich, dass die zu erwartende Reihe von kritischen Leserbriefen zum Projekt «sesam» von Kollege Mark Fellmann so kurz, gehaltvoll und kompetent eröffnet wurde. Meine Bedenken: Nicht nur in der Tierverhaltensforschung, sondern in allen Naturwissenschaften ist heute bekannt, dass allein schon Beobachtung die zu beobachtenden Prozesse stört. Im Falle der sensiblen Beziehungen zwischen Eltern und Kind in der Entstehungs- und Entwicklungsphase können Beobachtungen darüberhinaus durchaus schädlich sein. In dieser Phase entstehen die beiden Geisseln psychischen Leidens: Kontrollängste - sowohl vor dem Kontrollierenden als auch vor dem Verlust autonomer Kontrolle - und Schuldgefühle (wesentliche Depressionsauslöser). Dies weiss man heute schon. Die Planer des «sesam»-Projekts seien gewarnt, mit Forschungseifer das sich entwickelnde zarte Geflecht von Eltern- und-Kind-Beziehungen zu gefährden.

Dr. med. Ann Leiser, Psychoanalytikerin, Muttenz

Montag, 27. Februar 2006

Brief in der baz heute

Wer soll das seinen Kindern zumuten?
«sesam» öffnet sich noch nicht; baz 16. 2. 06. Und: Tür von «sesam» öffnet sich einen Spalt weit; baz 22. 2. 06

Ich bin recht froh darüber, dass sich «sesam» so schnell nicht öffnet. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, wie unsere kantonale Ethikkommission (EKBB) für ein solches Projekt grünes Licht geben könnte. Und sollte es in der Wirrnis der Zuständigkeiten doch durch eine Lücke schlüpfen, so habe ich immer noch die grosse Hoffnung, dass sich die 3000 Elternpaare (!) nicht finden, und auch nicht nur ein paar hundert, die sich und ihren noch ungeborenen Nachwuchs für solch ein gigantisches Projekt zur Verfügung stellen. Man stelle sich vor, was das heisst: Noch ungeborene Kinder werden für die Dauer ihrer ganzen Jugend und über das Mündigkeitsalter hinaus mitsamt ihren Eltern in ein Forschungsnetz eingebunden, wo sie genetisch, medizinisch und sozial von allen Seiten beäugt und durchleuchtet werden. Wenn das nicht eine gewaltige Einschränkung ihrer Freiheit ist, die - von mir aus gesehen - ihre gesunde Entwicklung massgeblich beeinträchtigt! Wer soll das als Elternteil sich und seinen Kindern zumuten? Ich hoffe, da siege, wenn nicht die zuständigen Instanzen, so der gesunde Menschenverstand über ungebremsten Forschungsehrgeiz, und das Projekt komme wegen mangelnder Teilnehmergruppen gar nicht zustande.

Judith Gessler, Riehen, ehemalige Lehrerin für Pädagogik und Psychologie an einem bernischen Lehrerseminar

Basler Appell reagiert auf Kritik

Per e-mail eingegangene, deshalb von mir hier publizierte Replik des Basler Appells auf den Kommentar von user phk auf das Communiqué der Organisation:

Die Fragestellung des besagten Muba-Besuchers war eine andere: Er meinte, er könne sich über SESAM keine Meinung bilden, das Projekt sei für ihn zu kompliziert, um darüber entscheiden zu können. Daher der Vergleich mit dem Fernseh-Konsum: Auch hier kann man sich für oder gegen eine Technologie entscheiden, ob man nun versteht, warum die Bilder am Schirm flimmern oder nicht.

Selbstverständlich informieren wir in unseren Publikationen, auf unserer Homepage und auch am NATUR-Stand an der Muba ausführlich zum Anliegen der SESAM-Opposition - bestimmt ausführlicher, als es die SESAM-Projektleitung tut, deren Aufgabe dies ja in erster Linie wäre: Bis heute ist der Antrag, der im letzten Sommer vom Nationalfonds bewilligt wurde, nicht publiziert worden. Und auch an der Pressekonferenz vom 21. Februar wurden die Details zu den einzelnen Projekten nicht offen gelegt. Wer hier provoziert, ist SESAM - ein mit Steuermillionen finanziertes Projekt, das die Öffentlichkeit und damit die demokratische Mitsprache scheut.

Sonntag, 26. Februar 2006

Sesam Medienspiegel II

baz, 22.2.06, Tageskommentar von Stefan Stöcklin

So ist «sesam» in Gefahr

Der Rektor der Universität Basel setzt sich mit dem ganzen Gewicht seines Amtes für den Nationalen Forschungsschwerpunkt «sesam» ein. Er vergibt über zwei Millionen Franken seiner finanziell darbenden Universität an das Projekt, er holt Roche als Sponsor an Bord. Und er nimmt das Projekt gegen Angriffe in Schutz mit der Bemerkung, die Universität habe ein hohes ethisches Bewusstsein.
Gerade was die Ethik betrifft, so hat das ambitiöse Forschungsprojekt bis jetzt nicht mit Bestnoten geglänzt. Stattdessen hatte man den Eindruck, die Verantwortlichen versuchten den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Seit gestern ist wenigstens klar, dass das Forschungsvorhaben von den kantonalen Ethikkommissionen begutachtet wird, wobei der hiesigen Ethikkommission EKBB eine koordinierende Rolle zukommen dürfte. Die Fachleute bieten Gewähr, dass das Projekt regelkonform durchgeführt werden wird. Diese Begutachtung ist noch nicht erfolgt, sie findet in den kommmenden Monaten statt. Ob «sesam» im Herbst also richtig starten kann, wird sich erst noch zeigen müssen.
Man kann den Verantwortlichen nur raten, in Zukunft besser zu informieren. Ein Grund für das latente Misstrauen gegenüber «sesam» hat mit der widersprüchlichen Informationspolitik zu tun. So ist es im Moment für Aussenstehende unmöglich, sich über die genauen Inhalte des Projektes ein klares Bild zu machen. Die neue Homepage ist nicht sehr vielsagend. Intransparenz aber gibt Kritikern Auftrieb.
So kommt das Projekt vielleicht nie richtig in Fahrt. Und Rektor Gäbler verlöre nicht nur den guten Ruf - auch die Universität trüge ihren Schaden davon.
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

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