Sonntag/MLZ vom 16.3.08: Nationalfonds verliert 10 Millionen Franken
Das Scheitern der gross angelegten Sesam-Studie hat finanzielle Folgen. Die Suche nach den Schuldigen läuft
Von David Sieber
Das Projekt hätte nichts weniger als die Frage beantworten sollen, welche Faktoren die menschliche Seele gesund sein oder krank werden lassen. 3000 Kinder, ihre Mütter, Väter und Grosseltern hätten in dieser Langzeitstudie während 20 Jahren beobachtet und untersucht werden sollen. Doch Sesam scheiterte schon im Mutterleib. Es fanden sich schlicht zu wenig Schwangere, die eine solche Verpflichtung eingehen wollten, wie der «Sonntag» bereits am 3. Februar schrieb. Deshalb hat die Sesam-Leitung am Donnerstag beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) die Einstellung der Kernstudie beantragt. Mit enormen Kostenfolgen: Insgesamt wird der SNF 10,2 Millionen Franken abschreiben müssen. Gut 7,5 Millionen sind in den Jahren 2005 bis 2007 bereits nach Basel geflossen, wo Sesam den Hauptsitz hat. Der Rest, der im Sommer hätte ausbezahlt werden sollen, wird gemäss SNF-Pressesprecher Alan Knaus «in die Auslauffinanzierung gehen». Schliesslich könne der SNF die Doktoranden, die für Sesam arbeiteten, nicht einfach im Stich lassen. «Wir stehen in der Verantwortung.» Bei Sesam ist man nun daran, die Abwicklung vorzubereiten. Konkret werden Stellen abgebaut werden müssen. Laut Sprecher Daniel Habegger wird es vor allem Festangestellte und Hilfskräfte im administrativen Bereich treffen. Auch sein 40-Prozent-Job werde gestrichen, sagt Habegger. Klar ist aber: «Die 31 Doktoranden sollen ihre Forschungsarbeiten zu Ende führen können.» Man wolle deren berufliche Zukunft nicht gefährden. Diverse Teilstudien würden weitergeführt. Wie viel Geld Sesam für die Deinvestition benötigen wird, weiss Habegger noch nicht. Sicher ist nur: «Auch das kostet.» Für die Grüne Nationalrätin Maya Graf (BL), Sesam-Kritikerin der ersten Stunde, ein Skandal. «Zehn Millionen Franken öffentliche Forschungsgelder ohne die geringste Gegenleistung? Das ist inakzeptabel.» In einer Interpellation will sie vom Bundesrat wissen, wer die Verantwortung dafür trägt, dass Sesam «ohne saubere Abklärungen und ohne klare Rahmenbedingungen überhaupt grünes Licht erhalten konnte». Graf vermutet neben dem SNF das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) als treibende, aber blauäugige Kraft. Gregor Adolf Haefliger, Leiter nationale Forschung beim SBF, meint dazu: «Aus wissenschaftlicher Sicht war Sesam wichtig und innovativ.» Deshalb habe man Forschungsminister Pascal Couchepin einen zustimmenden Antrag gestellt. Haefliger will sich über die Gründe des Scheiterns nicht auslassen. Das überrascht nicht, wird doch auch im Umfeld von Sesam harsche Kritik geübt. Das SBF habe weder die rechtlichen Grundlagen sauber abgeklärt, noch Sesam öffentlich den Rücken gestärkt, als Kritik am Projekt laut wurde. «Man hätte uns zum Beispiel sagen können: Wartet bis das Humanforschungsgesetz vorliegt», sagt ein Insider. Stattdessen habe man die Forscher allein gelassen. In der Folge gab Sesam selbst ein Rechtsgutachten über die Verfassungsmässigkeit der Untersuchungen in Auftrag. «Das hat viele Kräfte gebunden», heisst es hinter vorgehaltener Hand. Kräfte, die dem Projektaufbau entzogen wurden. Indirekt, so diese Lesart, trägt das SBF eine Mitschuld am Sesam-Aus.
Von David Sieber
Das Projekt hätte nichts weniger als die Frage beantworten sollen, welche Faktoren die menschliche Seele gesund sein oder krank werden lassen. 3000 Kinder, ihre Mütter, Väter und Grosseltern hätten in dieser Langzeitstudie während 20 Jahren beobachtet und untersucht werden sollen. Doch Sesam scheiterte schon im Mutterleib. Es fanden sich schlicht zu wenig Schwangere, die eine solche Verpflichtung eingehen wollten, wie der «Sonntag» bereits am 3. Februar schrieb. Deshalb hat die Sesam-Leitung am Donnerstag beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) die Einstellung der Kernstudie beantragt. Mit enormen Kostenfolgen: Insgesamt wird der SNF 10,2 Millionen Franken abschreiben müssen. Gut 7,5 Millionen sind in den Jahren 2005 bis 2007 bereits nach Basel geflossen, wo Sesam den Hauptsitz hat. Der Rest, der im Sommer hätte ausbezahlt werden sollen, wird gemäss SNF-Pressesprecher Alan Knaus «in die Auslauffinanzierung gehen». Schliesslich könne der SNF die Doktoranden, die für Sesam arbeiteten, nicht einfach im Stich lassen. «Wir stehen in der Verantwortung.» Bei Sesam ist man nun daran, die Abwicklung vorzubereiten. Konkret werden Stellen abgebaut werden müssen. Laut Sprecher Daniel Habegger wird es vor allem Festangestellte und Hilfskräfte im administrativen Bereich treffen. Auch sein 40-Prozent-Job werde gestrichen, sagt Habegger. Klar ist aber: «Die 31 Doktoranden sollen ihre Forschungsarbeiten zu Ende führen können.» Man wolle deren berufliche Zukunft nicht gefährden. Diverse Teilstudien würden weitergeführt. Wie viel Geld Sesam für die Deinvestition benötigen wird, weiss Habegger noch nicht. Sicher ist nur: «Auch das kostet.» Für die Grüne Nationalrätin Maya Graf (BL), Sesam-Kritikerin der ersten Stunde, ein Skandal. «Zehn Millionen Franken öffentliche Forschungsgelder ohne die geringste Gegenleistung? Das ist inakzeptabel.» In einer Interpellation will sie vom Bundesrat wissen, wer die Verantwortung dafür trägt, dass Sesam «ohne saubere Abklärungen und ohne klare Rahmenbedingungen überhaupt grünes Licht erhalten konnte». Graf vermutet neben dem SNF das Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) als treibende, aber blauäugige Kraft. Gregor Adolf Haefliger, Leiter nationale Forschung beim SBF, meint dazu: «Aus wissenschaftlicher Sicht war Sesam wichtig und innovativ.» Deshalb habe man Forschungsminister Pascal Couchepin einen zustimmenden Antrag gestellt. Haefliger will sich über die Gründe des Scheiterns nicht auslassen. Das überrascht nicht, wird doch auch im Umfeld von Sesam harsche Kritik geübt. Das SBF habe weder die rechtlichen Grundlagen sauber abgeklärt, noch Sesam öffentlich den Rücken gestärkt, als Kritik am Projekt laut wurde. «Man hätte uns zum Beispiel sagen können: Wartet bis das Humanforschungsgesetz vorliegt», sagt ein Insider. Stattdessen habe man die Forscher allein gelassen. In der Folge gab Sesam selbst ein Rechtsgutachten über die Verfassungsmässigkeit der Untersuchungen in Auftrag. «Das hat viele Kräfte gebunden», heisst es hinter vorgehaltener Hand. Kräfte, die dem Projektaufbau entzogen wurden. Indirekt, so diese Lesart, trägt das SBF eine Mitschuld am Sesam-Aus.
sesaminput - 16. Mär, 16:55