Zeitungskommentare zu EKBB-Entscheid
20.3.07, baz:
Notwendige Korrektur
Stefan Stöcklin
Vor zwei Jahren hat der Nationalfonds das Forschungsprojekt «sesam» genehmigt, seit gestern erst liegt das Verdikt der Ethikkommission vor, die das Projekt im Kern zwar gutheisst, aber heikle DNA-Untersuchungen bei Kindern stoppt. Dass es so lange gedauert hat, liegt nicht an der Langsamkeit der Ethiker, sondern an der Unfähigkeit der Bewilligungsbehörden und der «sesam»-Leitung. Die Behörden haben ein Projekt durchgewinkt, ohne Rücksicht auf offene Fragen und fehlende Gesetze. Die Leitung hat die Komplexität des eigenen Vorhabens massiv unterschätzt und die Probleme kleingeredet. Angesichts dieser Umstände muss man der Ethikkommission unter der Leitung von Hans Kummer ein Kränzchen winden. Sie hat ungeachtet aller Druckversuche entschieden, dass auf die genetischen Untersuchungen bei Neugeborenen verzichtet werden muss › eine notwendige Korrektur. Zudem hat sie mit der geforderten unabhängigen Begleitstudie die Kontrolle erhöht: eine Forderung etwa der SP Basel-Stadt.
Mit dem Entscheid gelingt der Doppelschlag: einerseits die Öffentlichkeit zu besänftigen und anderseits die Forscher zu befriedigen. Trotz diesem Verdikt ist das Projekt realisierbar. Auf einem anderen Blatt steht, ob es auch so viel Erkenntnis bringen wird, wie heute noch immer versprochen wird. Da sind Zweifel angebracht.
Nach dem harzigen Vorlauf steht nun die praktische Prüfung an › mit der Rekrutierung der Schwangeren. In den nächsten Monaten muss sich zeigen, ob die Probanden mitmachen, sonst wird die Finanzierung gestoppt. So entscheidet am Ende die Bevölkerung, ob sich «sesam» wirklich öffnet. Gut so.
22.3. Aargauer Zeitung
Noch zu früh für Transparenz total
Christoph Bopp
DNA-Profile Um verantwortungsvoll mit ihnen umgehen zu können, fehlt es uns an Wissen
Der Entscheid der Ethik-Kommission beider Basel, das «Sesam»-Projekt grundsätzlich zu erlauben, war richtig. Dass sie es nur mit Auflagen tat, war sogar weise. Denn wir sind weder technisch- wissenschaftlich «klug» genug, noch philosophisch-sozial «reif» genug, um mit persönlichen DNA-Profilen umzugehen. Damit hat die Ethik-Kommission ihre Aufgabe erfüllt, denn aus Wissenschaftsperspektive wäre es attraktiv gewesen, das Projekt auch auf diesem biologisch-fundamentalen Level zu betreiben. Man wird es zweifellos eines Tages auch tun. Eine «DNA-sesam-Datenbank» wäre für die Forschung in personalisierter Medizin von hohem Wert. Aber dass möglicherweise höchstens auf spekulativer Basis stehende Vermutungen über Veranlagungen oder Krankheits-Dispositionen die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen werden, das ist klar.
Was in uns ist vererbt und was wird erworben? Die Debatte ist teilweise tabuisiert durch das «Erbe» der Nazi-Zeit, weil sie unweigerlich «eugenische Reflexe» provoziert. Wer nicht über eine tiptoppe genetische Ausstattung verfügt, darf sich gar nicht erst als vollberechtigtes Mitglied der Gesellschaft fühlen. Das ist natürlich Unsinn. Denn über diese Dinge wissen wir schlicht praktisch nichts. Man vermutet, dass das menschliche Genom aus rund 25 000 Genen besteht. Ungefähr 17 000 sind kartiert. Und bei etwa 400 weiss man, dass ein Defekt eine Erkrankung zur Folge hat. Dabei handelt es sich um sehr spezielle Fälle. Dann wird es sehr schnell sehr komplex. Die Medizin hat zudem den Vorteil, dass sie ihre «Krankheiten» viel präziser definieren kann als die Psychiatrie. Noch problematischer ist es bei der Psychologie oder bei welcher Wissenschaft auch immer, die über Charakter und Begabung nachdenkt.
Notwendige Korrektur
Stefan Stöcklin
Vor zwei Jahren hat der Nationalfonds das Forschungsprojekt «sesam» genehmigt, seit gestern erst liegt das Verdikt der Ethikkommission vor, die das Projekt im Kern zwar gutheisst, aber heikle DNA-Untersuchungen bei Kindern stoppt. Dass es so lange gedauert hat, liegt nicht an der Langsamkeit der Ethiker, sondern an der Unfähigkeit der Bewilligungsbehörden und der «sesam»-Leitung. Die Behörden haben ein Projekt durchgewinkt, ohne Rücksicht auf offene Fragen und fehlende Gesetze. Die Leitung hat die Komplexität des eigenen Vorhabens massiv unterschätzt und die Probleme kleingeredet. Angesichts dieser Umstände muss man der Ethikkommission unter der Leitung von Hans Kummer ein Kränzchen winden. Sie hat ungeachtet aller Druckversuche entschieden, dass auf die genetischen Untersuchungen bei Neugeborenen verzichtet werden muss › eine notwendige Korrektur. Zudem hat sie mit der geforderten unabhängigen Begleitstudie die Kontrolle erhöht: eine Forderung etwa der SP Basel-Stadt.
Mit dem Entscheid gelingt der Doppelschlag: einerseits die Öffentlichkeit zu besänftigen und anderseits die Forscher zu befriedigen. Trotz diesem Verdikt ist das Projekt realisierbar. Auf einem anderen Blatt steht, ob es auch so viel Erkenntnis bringen wird, wie heute noch immer versprochen wird. Da sind Zweifel angebracht.
Nach dem harzigen Vorlauf steht nun die praktische Prüfung an › mit der Rekrutierung der Schwangeren. In den nächsten Monaten muss sich zeigen, ob die Probanden mitmachen, sonst wird die Finanzierung gestoppt. So entscheidet am Ende die Bevölkerung, ob sich «sesam» wirklich öffnet. Gut so.
22.3. Aargauer Zeitung
Noch zu früh für Transparenz total
Christoph Bopp
DNA-Profile Um verantwortungsvoll mit ihnen umgehen zu können, fehlt es uns an Wissen
Der Entscheid der Ethik-Kommission beider Basel, das «Sesam»-Projekt grundsätzlich zu erlauben, war richtig. Dass sie es nur mit Auflagen tat, war sogar weise. Denn wir sind weder technisch- wissenschaftlich «klug» genug, noch philosophisch-sozial «reif» genug, um mit persönlichen DNA-Profilen umzugehen. Damit hat die Ethik-Kommission ihre Aufgabe erfüllt, denn aus Wissenschaftsperspektive wäre es attraktiv gewesen, das Projekt auch auf diesem biologisch-fundamentalen Level zu betreiben. Man wird es zweifellos eines Tages auch tun. Eine «DNA-sesam-Datenbank» wäre für die Forschung in personalisierter Medizin von hohem Wert. Aber dass möglicherweise höchstens auf spekulativer Basis stehende Vermutungen über Veranlagungen oder Krankheits-Dispositionen die Entwicklung von Kindern beeinträchtigen werden, das ist klar.
Was in uns ist vererbt und was wird erworben? Die Debatte ist teilweise tabuisiert durch das «Erbe» der Nazi-Zeit, weil sie unweigerlich «eugenische Reflexe» provoziert. Wer nicht über eine tiptoppe genetische Ausstattung verfügt, darf sich gar nicht erst als vollberechtigtes Mitglied der Gesellschaft fühlen. Das ist natürlich Unsinn. Denn über diese Dinge wissen wir schlicht praktisch nichts. Man vermutet, dass das menschliche Genom aus rund 25 000 Genen besteht. Ungefähr 17 000 sind kartiert. Und bei etwa 400 weiss man, dass ein Defekt eine Erkrankung zur Folge hat. Dabei handelt es sich um sehr spezielle Fälle. Dann wird es sehr schnell sehr komplex. Die Medizin hat zudem den Vorteil, dass sie ihre «Krankheiten» viel präziser definieren kann als die Psychiatrie. Noch problematischer ist es bei der Psychologie oder bei welcher Wissenschaft auch immer, die über Charakter und Begabung nachdenkt.
patpatpat - 23. Mär, 13:29