BaZ vom 29.5.08: Bundesrat kritisiert Ethikkommission
Nachspiel zum Sesam-«Fiasko»
Markus Kocher
Der Bundesrat unterstellt in seiner Antwort auf eine Interpellation von Nationalrätin Maya Graf der Ethikkommission eine Mitschuld am Scheitern des Forschungsprojekts Sesam.
Drei Jahre dauerte das Spektakel um den nationalen Forschungsschwerpunkt Sesam. Die Studie, die über einen Zeitraum von 20 Jahren 3'000 Kinder mit ihren Familien begleiten wollte, galt als Aushängeschild der schweizerischen Forschungslandschaft. Gleichzeitig stand sie von Anfang an auch in der Kritik und unter scharfer Beobachtung. Im März 2008, rund drei Jahre, nachdem der Nationalfonds das Projekt bewilligt hatte, gab die Projektleitung den Abbruch der Kernstudie bekannt: Es hatten sich viel zu wenig Frauen für eine Teilnahme gemeldet.
Die Baselbieter Nationalrätin Maya Graf wollte vom Bundesrat in einer Interpellation «einige Fragen zur Verantwortlichkeit des Fiaskos» geklärt haben. Insbesondere sei nicht einzusehen, warum in Vorstudien die praktische Durchführbarkeit nicht getestet worden sei. Rund die Hälfte der für das Projekt bewilligten 20 Millionen Franken sei bereits geflossen, ohne dass es zu einem Resultat gekommen sei. «Der Schweizerische Nationalfonds verliert 10,2 Millionen Franken, ohne dass ein Resultat vorliegt».
Der Bundesrat hält in seiner Antwort fest, dass die geplante Pilotstudie zurückgestellt werden musste, weil die Ethikkommission Pilot- und Kernstudie nur als Ganzes beurteilen wollte. Mit anderen Worten: Die Pilotstudie konnte nicht bewilligt werden, bevor nicht auch die Kernstudie zur Begutachtung vorlag. Das langwierige Prozedere führte dazu, dass das Projekt erst nach Ablauf von zwei Jahren in Angriff genommen werden konnte - zu spät. Der Bundesrat sieht einen Teil der Verantwortung für das Scheitern bei der Ethikkommission, wenn er schreibt: «Die Verzögerung führte dazu, dass Sesam ohne Pilotstudie mit der eigentlichen Rekrutierung der Probanden beginnen musste.»
Die Darstellung des Bundesrats widerspricht in Teilen dem, was die Ethikkommission schon früher bemängelt hatte: Die Verzögerungen seien bei der Sesam-Leitung entstanden; diese hätte eine Einsicht in die von der Kommission geforderten Unterlagen jeweils erst sehr spät ermöglicht. Die ethische Beurteilung sei dann innert weniger Wochen erfolgt. Ausserdem sei (im Unterschied zur Pilotstudie) nie eine Vorstudie geplant gewesen.
«Unbefriedigend». Die Antort des Bundesrates sei «unbefriedigend» und lasse viele Fragen offen, sagt Maya Graf gegenüber der baz. Sie kritisiert, dass die Schuld am Scheitern der Studie mehrheitlich auf die Arbeit der Ethikkommission geschoben wird. Das Vorgehen der verantwortlichen Stellen, des Nationalfonds und des Leitungsgremiums von Sesam, bleibe ausgeklammert. Hätte man nicht von Anfang an versucht, sich bei ethischen Fragen um die Verantwortlichkeit zu drücken, hätte es wohl keine derartigen Verzögerungen gegeben, glaubt Graf. Ausserdem ist es ihr unbegreiflich, warum man nicht schon im Vorfeld die nötigsten Abklärungen darüber getroffen habe, ob überhaupt genügend Mütter für eine solche Studie in Frage gekommen wären.
Markus Kocher
Der Bundesrat unterstellt in seiner Antwort auf eine Interpellation von Nationalrätin Maya Graf der Ethikkommission eine Mitschuld am Scheitern des Forschungsprojekts Sesam.
Drei Jahre dauerte das Spektakel um den nationalen Forschungsschwerpunkt Sesam. Die Studie, die über einen Zeitraum von 20 Jahren 3'000 Kinder mit ihren Familien begleiten wollte, galt als Aushängeschild der schweizerischen Forschungslandschaft. Gleichzeitig stand sie von Anfang an auch in der Kritik und unter scharfer Beobachtung. Im März 2008, rund drei Jahre, nachdem der Nationalfonds das Projekt bewilligt hatte, gab die Projektleitung den Abbruch der Kernstudie bekannt: Es hatten sich viel zu wenig Frauen für eine Teilnahme gemeldet.
Die Baselbieter Nationalrätin Maya Graf wollte vom Bundesrat in einer Interpellation «einige Fragen zur Verantwortlichkeit des Fiaskos» geklärt haben. Insbesondere sei nicht einzusehen, warum in Vorstudien die praktische Durchführbarkeit nicht getestet worden sei. Rund die Hälfte der für das Projekt bewilligten 20 Millionen Franken sei bereits geflossen, ohne dass es zu einem Resultat gekommen sei. «Der Schweizerische Nationalfonds verliert 10,2 Millionen Franken, ohne dass ein Resultat vorliegt».
Der Bundesrat hält in seiner Antwort fest, dass die geplante Pilotstudie zurückgestellt werden musste, weil die Ethikkommission Pilot- und Kernstudie nur als Ganzes beurteilen wollte. Mit anderen Worten: Die Pilotstudie konnte nicht bewilligt werden, bevor nicht auch die Kernstudie zur Begutachtung vorlag. Das langwierige Prozedere führte dazu, dass das Projekt erst nach Ablauf von zwei Jahren in Angriff genommen werden konnte - zu spät. Der Bundesrat sieht einen Teil der Verantwortung für das Scheitern bei der Ethikkommission, wenn er schreibt: «Die Verzögerung führte dazu, dass Sesam ohne Pilotstudie mit der eigentlichen Rekrutierung der Probanden beginnen musste.»
Die Darstellung des Bundesrats widerspricht in Teilen dem, was die Ethikkommission schon früher bemängelt hatte: Die Verzögerungen seien bei der Sesam-Leitung entstanden; diese hätte eine Einsicht in die von der Kommission geforderten Unterlagen jeweils erst sehr spät ermöglicht. Die ethische Beurteilung sei dann innert weniger Wochen erfolgt. Ausserdem sei (im Unterschied zur Pilotstudie) nie eine Vorstudie geplant gewesen.
«Unbefriedigend». Die Antort des Bundesrates sei «unbefriedigend» und lasse viele Fragen offen, sagt Maya Graf gegenüber der baz. Sie kritisiert, dass die Schuld am Scheitern der Studie mehrheitlich auf die Arbeit der Ethikkommission geschoben wird. Das Vorgehen der verantwortlichen Stellen, des Nationalfonds und des Leitungsgremiums von Sesam, bleibe ausgeklammert. Hätte man nicht von Anfang an versucht, sich bei ethischen Fragen um die Verantwortlichkeit zu drücken, hätte es wohl keine derartigen Verzögerungen gegeben, glaubt Graf. Ausserdem ist es ihr unbegreiflich, warum man nicht schon im Vorfeld die nötigsten Abklärungen darüber getroffen habe, ob überhaupt genügend Mütter für eine solche Studie in Frage gekommen wären.
sesaminput - 29. Mai, 09:29