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sesaminput - 21. Nov, 10:18
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Das Papier der Arbeitsgruppe «Lesson learned» (leider...
sesaminput - 16. Okt, 13:32
"Sesam" heisst auf Englisch...
Was in der Schweiz mit 3'000 Kindern scheiterte, soll...
sesaminput - 9. Jul, 08:26

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Sonntag, 16. April 2006

Sesam "on the road"

Da wird Sesam offenbar mit einem Poster (Kurzpräsentation auf Stellwand) präsent sein:
The Centre for Longitudinal Studies, which is responsible for the UK Millennium Birth Cohort Study, and the British birth cohorts of 1958 and 1970, is organising an international conference at St Catherine's College, Oxford, from 12 to 14 September 2006. The conference will focus on the international experience of large-scale birth cohort studies which were started around the turn of the new millennium, i.e. studies whose subjects were born within a decade either side of 2000, and who have so far only been observed as children. The object of the conference is to promote communication and comparison between those designing, conducting and analysing such surveys in different countries.

Donnerstag, 13. April 2006

Jürgen Margraf "on Tour"?

(EPFL) Memento Faculté des Sciences de la Vie : Conférences - Séminaires
Mercredi 26 avril 2006 à 12h15; Understanding Mental Health And Human Development: The NCCR Sesam Par Jürgen Margraf; Salle AAB 032 Host: Carmen Sandi

Freitag, 7. April 2006

baz: Regierung verteidigt das Projekt «sesam»

Die baz berichtet heute über die Interpellationsantwort:

In ihrer Antwort auf eine Interpellation von Beatrice Alder (Grünes Bündnis) verteidigt die Regierung den umstrittenen Nationalen Forschungsschwerpunkt der Universität Basel, «sesam»: Das Projekt, bei welchem die Entwicklung von 3000 Kindern und deren Familien während 20 Jahren begleitet wird und das Aufschluss über die Ursachen psychischer Krankheiten geben soll, sei nicht «mit blossen Vermutungen zu diskreditieren». Die Regierung geht nach Rücksprache mit den Verantwortlichen davon aus, dass «dem transparenten Dialog mit der kritischen Öffentlichkeit noch vermehrt Beachtung geschenkt werden wird». Der Persönlichkeitsschutz innerhalb des Projekts werde ausserdem durch eine strenge Datenschutzregelung gewährleistet. «sesam» war in jüngster Vergangenheit unter anderem deswegen in die Kritik geraten, weil die zuständigen Ethikkommissionen von der Projektleitung nicht involviert worden sind.

Dienstag, 4. April 2006

Jürgen Margraf am 2. gemeinsamen Kongress der Psy-Verbände

Der Leiter von Sesam wird am 24.6.06 offenbar anzutreffen sein hier:

PANEL 7 - LOHNENDE PSYCHOTHERAPIE KOSTET: ÖKONOMIE.

Andreas Frei: Der volkswirtschaftliche Nutzen der Psychotherapie.
Jürgen Margraf: Kosten und Nutzen ambulanter Psychotherapie: Eine ökonomisch-psychologische Analyse.
Volker Tschuschke: Psychotherapie in Zeiten evidenzbasierter Medizin – Wege und Irrwege.
Moderation: Hugo Grünwald

Sesam Tagesthema heute beim "Winterthurer Landbote"

«Sesam» erhitzt die Gemüter

Für seine Forschung an Kindern und Embryonen ist ein grosses Projekt des Nationalfonds in die Kritik geraten. Wissenschafter und Ärzte erhoffen sich jedoch einen grossen Fortschritt für die Behandlung psychischer Krankheiten.

Zu entdecken, was zu seelischer Gesundheit führt: Das ist das ehrgeizige Ziel des Nationalen Forschungsschwerpunktes Sesam (für Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health). 3000 Kinder sollen dafür in den nächsten 20 Jahren wissenschaftlich begleitet werden, und dies bereits ab der 12. Schwangerschaftswoche. Die zentrale Leitung des Projekts liegt bei Professor Jürgen Margraf von der Universität Basel, aber daran beteiligt sind Kliniken, Institute und Forschungseinrichtungen aus dem In- und Ausland.

Der Nationalfonds will Sesam und seine 12 Teilstudien aus verschiedenen Disziplinen (vgl. Kasten) bis 2009 mit 10 Millionen Franken unterstützen, weitere 12 Millionen sollen aus Eigen- und Drittmitteln finanziert werden. (Der Pharmakonzern Roche hat bereits 6 Millionen Franken zugesagt. Auch das missfällt den Gegnern der Studie.) Die Vorarbeiten zu den eigentlichen Untersuchungen laufen offiziell schon seit dem vergangenen Oktober, Ende Februar trat die Leitung des Projekts damit zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Hintergrund der Studie sei die dramatische Zunahme der psychischen Krankheiten wie Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen, sagen die beteiligten Fachleute. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechne damit, dass Depressionen im Jahre 2020 nach Herz- und Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Ursache schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigung und vorzeitiger Sterblichkeit sind. Dass die Ursachen solcher Krankheiten dringend untersucht werden müssen, liegt für die Forscher von Sesam deshalb auf der Hand.

Projekt-Stopp gefordert

Doch gegen das Projekt hat sich erbitterter Widerstand gebildet. 12006 Menschen unterschrieben eine Petition des Basler Appells gegen Gentechnologie und fordern damit nichts weniger, als dass Sesam augenblicklich eingestellt wird. Die Petition richtet sich an die Ethikkommission beider Basel EKBB, die bald darüber beraten soll, ob Sesam sich mit geltenden ethischen Richtlinien vereinbaren lässt. Ohne die Zustimmung der zuständigen Ethikkommissionen dürfen die Untersuchungen nicht beginnen. Ein genauer Beschrieb der Studien liegt der EKBB allerdings bis heute nicht vor. Für die Kritiker ist das ein Grund mehr, der Projektleitung mangelnde Transparenz vorzuwerfen.

Die Leute von Sesam sehen das freilich anders: Wie die einzelnen Studien konkret ablaufen sollen, werde derzeit erst ausgearbeitet. Erst wenn das Vorgehen mit allen Details zu Papier gebracht sei, könnten die Ethikkommissionen informiert werden, und erst wenn die Bewilligungen vorliegen, im Detail die Öffentlichkeit. «Sonst würde uns vielleicht erst recht vorgeworfen, wir würden die Kommissionen übergehen», sagt Daniel Habegger von Sesam.

Ohne direkten Nutzen

Im Zentrum der Kritik steht die Tatsache, dass bei Sesam «fremdnützige Forschung an Kindern» betrieben werden soll, also Forschung, die den beteiligten Kindern keinen unmittelbaren Nutzen bringt. Die Kinder würden somit lediglich instrumentalisiert, sagen die Sesam-Gegner. Das Erbgut der Kinder dürfe schon gar nicht untersucht werden, da sie selbst nicht zustimmen können. Zudem verlangen die Kritiker, dass der Nationalfonds mit der Unterstützung solcher Projekte abwarte, bis das neue Gesetz über die Forschung am Menschen in Kraft getreten ist. Das Gesetz befindet sich bis jetzt erst in Vernehmlassung.

Wenn fremdnützige Forschung an Kindern in der Schweiz verboten wäre, könnte man niemals eine Pisa-Studie durchführen, sagt Daniel Habegger von Sesam. «Das würde heissen: Nur noch therapeutische Forschung.» Die Einwilligung für die Teilnahme an wissenschaftlichen Studien dürften statt der Kinder auch die Eltern erteilen.

Tatsache sei, dass es immer mehr Menschen mit psychischen Krankheiten gibt. «Die häufigsten treten mit etwa 14 Jahren zum ersten Mal auf, entwickeln sich aber viel früher. Wir haben fast keine Kenntnisse über die tatsächlichen Ursachen solcher Erkrankungen. Wenn wir daran nicht forschen würden, wäre das auch eine Diskriminierung der betroffenen Kinder.» Wenn die Wissenschaft nicht versuche, den Faktoren auf den Grund zu kommen, die die psychische Entwicklung positiv oder negativ beeinflussen, werde man seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht, sagt auch Kurt Albermann, Kinderarzt und Kinder- und Jugendpsychiater, Leitender Arzt am Kantonsspital Winterthur (vergleiche nebenstehendes Interview).

Start im Oktober

Wenn es soweit ist, wollen die Forscher in Frauenkliniken unter schwangeren Frauen bei den Routinekontrollen erste Freiwillige für die Studie rekrutieren. Die ersten Untersuchungen sollen an zwei Terminen während der Schwangerschaft und in den Tagen nach der Geburt stattfinden, weitere sind in der 6. Lebenswoche sowie im 6., 12. und 24. Monat vorgesehen. Bei einigen dieser Termine werden auch die Väter und die Grosseltern eingeladen, an der Studie teilzunehmen.

«Keine Nachteile für die Kinder»

Interview mit Kurt Albermann, Ärztlicher Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums der Kinderklinik Kantonsspital Winterthur. Laut Website von Sesam, nicht Mitglied des Kernteams:

12 006 Menschen haben gegen Sesam eine Petition unterschrieben. Verstehen sie die Bedenken?

Dass zunächst gewisse Bedenken aufkommen, kann man schon verstehen. Andererseits brauchen wir dringend neue Erkenntnisse über die Faktoren, die die psychische Entwicklung positiv oder negativ beeinflussen. Darüber wissen wir bis jetzt relativ wenig. Deshalb ist es wichtig, dass wir solche Forschung betreiben. Vergleichbare Längsschittstudien kennen wir vor allem aus den USA. Es ist aber auch nicht die erste Längsschnittstudie in der Schweiz – da gibt es ja zum Beispiel diejenige des Zürcher Kinderspitals über die kindliche Entwicklung, unter Professor Remo Largo.

Welche Gefahren könnte die Studie für die 3000 Kinder haben, die bei Sesam mitmachen sollen?

Einen Nachteil kann ich daraus nicht ableiten, denn es handelt sich um reine Beobachtungsstudien, es wird nicht in die Entwicklung von Kindern eingegriffen, und die Anonymität bleibt gewahrt. Das Projekt muss ja auch noch den kantonalen Ethikkommissionen vorgelegt werden. So wird sichergestellt, dass solche Bedingungen eingehalten werden.

Was passiert, wenn man erkennt, dass bei einem Kind in der Entwicklung etwas schief läuft?

Dann ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten, dagegen etwas zu unternehmen. Etwa indem wir den Kindern und ihren Familien weitere Abklärungen oder Therapien vorschlagen. Die Forscher nehmen selbst keine Therapien vor.

Was sagen Sie zum Vorwurf, die Kinder würden bei Sesam bloss instrumentalisiert?

Der Punkt ist der, dass wir bei Fehlentwicklungen nicht einfach zusehen können, ohne zu versuchen, sie zu erforschen, sonst nehmen wir unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nicht wahr. An der Kinderklinik des Kantonsspitals Winterthur haben wir zum Beispiel eine Adipositas-Gruppe, und vergangene Woche haben wir zusammen mit der Hochschule für Soziale Arbeit in Zürich eine Umfrage über Unterstützungsangebote für Kinder psychisch kranker Eltern durchgeführt. Auf beiden Gebieten nimmt die Zahl der Fälle deutlich zu, und keiner kann bisher wirklich sagen, warum das so ist. Auf die Dauer betrachtet ist dies für eine Gesellschaft und für die betroffenen Kinder und Familien eine fatale Entwicklung. Das Sesam-Projekt mit seinen vielen Teilstudien und der grossen Vernetzung kann dazu beitragen, Zusammenhänge aufzuzeigen.

Wo sehen Sie die Grenzen der Studie?

Man darf eine solche Studie nicht überbewerten. Es gibt ja keine 24 Stunden-Video-Überwachung, und man darf Eltern und Kinder nicht überbeanspruchen. Vermutlich braucht es anschliessend noch mehr Studien, um den Ergebnissen weiter auf den Grund zu gehen. Aber es ist immerhin mal ein Anfang.

DIE METHODEN DER FORSCHER

Untersucht wird mit Fragebögen, Interviews und Verhaltensbeobachtungen. Bei biologisch-genetischen Untersuchungen wollen die Forscher zudem nach Genmustern fahnden, die mit psychischer Gesundheit oder Krankheit korrellieren. Die Untersuchungen erlauben laut den Verantwortlichen von Sesam aber nur Aussagen auf der Ebene von Gruppen von Menschen, sie lassen keine Rückschlüsse auf die Erkrankungsrisiken von Einzelpersonen zu. Jeder Fragebogen einer Versicherung über familiäre psychische Belastung sei weitaus aussagekräftiger, betonen die Forscher und sehen darin ein weiteres Argument gegen die Bedenken. Der Zweck der genetischen Gruppenanalysen liege unter anderem darin, Mechanismen zu finden, die für die Aufrechterhaltung psychischer Gesundheit wichtig sind.

Ein Kern und viele Teilstudien

Beim nationalen Forschungsschwerpunkt Sesam handelt es sich um eine prospektive Längsschnittstudie. «Solche Studien sind besonders geeignet, Risiko- und Schutzfaktoren aufzudecken, die die Entwicklung eines Menschen beeinflussen können», schreibt Sesam auf seiner Website. Längsschnittstudie bedeutet, dass die Teilnehmenden über längere Zeit hinweg (für Sesam sind 20 Jahre geplant) wiederholt zur Teilnahme gebeten werden. Die Teilnahme sei freiwillig und könne jederzeit beendet werden, betonen die Forscher von Sesam. In den 12 Teilstudien sollen folgende Faktoren genauer untersucht werden:
  • ob familiäre Risikofaktoren frühzeitig günstig beeinflusst werden können, damit sich die Kinder gesund entwickeln
  • wie es sich auf die Kinder auswirkt, wenn Mütter vor der Geburt besonderen Belastungen ausgesetzt sind, oder wenn die Mütter selbst unter psychischen Krankheiten leiden
  • welche Rolle das Zusammenspiel von Genen und Umwelt spielt
  • welche Folgen es haben kann, wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigen
  • wie frühe Lebensumstände chemische Vorgänge im Gehirn, sogenannte dopaminerge Funktionen, beeinflussen können
  • wie sich gesellschaftliche Einflüsse auf die familiäre Situation und die Gesundheit von Kindern auswirken
  • wie die Mütter die Geburt ihres Kindes verarbeiten, wie sich die Väter an ihre neue Aufgabe anpassen und wie sich das Verhältnis der Eltern untereinander auf das Kind auswirkt
  • wie die Regulation des autonomen Nervensystems und die psychosoziale Entwicklung des Kindes zusammenhängen.

Sonntag, 2. April 2006

NZZaS: "Psychotherapie wird überwacht"

In der NZZaS schreibt Mathias Ninck über ein Thema, das dieselbe Zeitung bereits, unter Bezugnahme auf eine Studie deren Co-Autor Jürgen Margraf war, im vergangenen Dezember beschäftigt hatte (Reaktionen auf jenen Artikel):

Bundesrat Pascal Couchepin stellt bei der ärztlich verordneten Psychotherapie ein «Anschwellen der Leistungen» fest und suggeriert, viele Therapien würden unnötig verlängert. Um die Kosten des angeblichen Missbrauchs einzudämmen, sollen die Kontrollen verschärft werden. Die Psychotherapeuten bezeichnen die angestrebte Politik als realitätsfremd.

Vor einem Jahr hat Bundesrat Pascal Couchepin die Alternativmedizin aus dem Katalog gestrichen, der auflistet, welche Behandlungen von der Grundversicherung der Krankenkasse bezahlt werden müssen. Kurpfuscherei seien die alternativen Heilmethoden, sagte sinngemäss der Gesundheitsminister, dessen zentrales Arbeitsfeld die immerfort steigenden Kosten der Volksgesundheit sind. Wenige Monate später, im Sommer 2005, richtete er aus, nun werde der «nächste grosse Brocken» in Angriff genommen, die ärztliche Psychotherapie. «Das Anschwellen der Leistungen in diesem Bereich in den letzten Jahren zeigt, dass etwas falsch läuft beim Rückgriff auf diese Heilmethode. Man wird den Zugang zur Psychotherapie limitieren müssen», sagte Couchepin am 21. März vor dem Nationalrat.
Mit der Revision der entsprechenden Leistungsverordnung betraute Couchepin den 61-jährigen Innerschweizer Arzt Hans Heinrich Brunner, ehemaliger Präsident der Ärzteorganisation FMH, kurzzeitiger Vizepräsident des Bundesamtes für Gesundheit und, nebenbei bemerkt, Autor des erfolgreichen Groschenromans «Doktor Landmann in der Entscheidung». Brunner soll dem Bundesrat bis zum 1. Juli zeigen, wie er den «wild wachsenden Baum der Psychotherapie zurechtstutzen» will (Brunners eigene Formulierung). Heute können Therapeuten Geld aus der Grundversicherung beziehen, wenn sie eine ärztliche Ausbildung haben oder im Auftrag eines Arztes arbeiten.
Früher Bericht erstatten
Inzwischen ist klar, wie die Eckwerte der neuen Verordnung aussehen. Die zentrale Änderung betrifft die Berichterstattung an die Krankenkasse. Während dem Vertrauensarzt der Kasse heute erstmals nach 60 Sitzungen «ein begründeter Vorschlag über die Fortsetzung der Therapie unterbreitet» werden muss, soll dies künftig gleich zu Beginn einer Therapie geschehen - «spätestens nach 7 oder 8 Sitzungen», sagt Brunner.
Der Therapeut schreibt einen Bericht, in dem er die Krankheit des Patienten umreisst und eine Behandlung vorschlägt. «Hat ein Therapeut keine klaren Vorstellungen davon, was er will, führt die Therapie in die Leere oder in ein pseudoreligiöses Abhängigkeitsverhältnis», sagt Brunner.
Nach 40 Sitzungen - also wenn laut Brunner «die Schwelle zur Langzeit- Therapie überschritten wird» - soll gemäss dem Verordnungsentwurf überprüft werden, ob eine Fortführung der Psychotherapie medizinisch sinnvoll ist. Diese zweite Überprüfung könne beispielsweise durch Einholen einer Zweitmeinung und allenfalls eine Befragung der Patienten geschehen, sagt Brunner. Oder, was eine «noch leicht futuristische Idee» sei, durch sogenannte Assessment-Zentren, in denen die Psychotherapien «unabhängig und professionell» besprochen würden.
«Die Abklärung, ob eine Therapie noch Effekte erzielen wird, kann man natürlich nicht in einem formalen Sinn machen», gesteht Brunner. «Aber es gibt ja so etwas wie den gesunden Menschenverstand.» Die Modalitäten der verschärften Überwachung in der Psychotherapie sind zwar nicht bis ins Detail geklärt, aber das Ziel ist umrissen: «Wir haben ganz klar einen Teil der Langzeittherapien im Visier. Die kosten ein Heidengeld», so Brunner.
Das Projekt wird mit Tempo vorangetrieben. Nach elf Anhörungen im März, an denen Vertreter der Psychologenverbände, der Psychiater, der Vertrauensärzte und der Kantone teilnahmen, schickt das Bundesamt für Gesundheit am kommenden Mittwoch den Verordnungsentwurf in die Vernehmlassung. Am 4. Mai kommt er vor die Eidgenössische Leistungskommission, bevor Couchepin darüber befindet. Brunner, der mit dem Bundesrat bei Projektbeginn Rücksprache genommen hat, erwartet «keine Opposition von seiner Seite».
Bei den Psychiatern und Psychotherapeuten ist Feuer im Dach. Ihre Verbandssprecher bestreiten zum einen, dass bei der Psychotherapie im grossen Stil Missbrauch betrieben wird. Psychotherapien machen in der Schweiz rund 2 Prozent der gesamten Gesundheitskosten von 50 Milliarden Franken aus. Nur «etwa ein Drittel der Therapien sind Langzeittherapien», sagt Rudolf Balmer von der Verbindung der psychiatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärzte (FMPP).
Undurchsichtige Seele
Den Anteil jener Therapien, die absichtlich in die Länge gezogen werden, schätzt Balmer als klein ein. «Für den Patienten ist eine Therapie kein Spass. Sie kostet ihn viel an zeitlichem und emotionalem Aufwand», sagt Balmer. Er frage sich schon, ob man wegen ein paar schwarzer Schafe das System derart verschärfen solle. Hans Heinrich Brunner geht - offenbar gestützt auf Aussagen von Vertrauensärzten - davon aus, dass «etwa jede fünfte Psychotherapie zu lange dauert», wie er sagt.
Für viele Psychotherapeuten ist die Forderung, zu Beginn einer Psychotherapie einen indikativen Bericht anzufertigen, eine Absurdität. «Die Seele ist kein Oberschenkel», sagt Thomas Merki, Psychoanalytiker und Vizepräsident des Schweizer Psychotherapeutenverbands (SPV). Während ein Oberschenkel bei zu grossem äusserem Druck breche und die richtige Heilmethode rasch, nämlich nach einer Viertelstunde, gefunden sei (Schienen und Ruhigstellen), reagiere die Psyche eines Menschen in nicht vorhersehbarer Art auf Belastungen. Deshalb müsse jede Therapie offen angelegt sein. «Ein Therapeut sagt nie: 'Das will ich, dahin geht die Reise.' Er kann das gar nicht, weil er nicht ins Innere des Patienten sieht wie der Chirurg, dem das Röntgenbild genügt für die Indikation.» Etwas mechanistisch sei Brunners Seelenbild schon, findet Merki.
Viele Psychotherapeuten finden es zum andern bedenklich, dass die neue Leistungsverordnung kurze Therapien fördert und lange einschränkt. Hans Kurt, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, sagt: «Das passt in die heutige gesundheitspolitische Strömung, in der man von Scheininvaliden redet. Psychische Erkrankungen werden zu Befindlichkeitsstörungen, und man diskreditiert Psychotherapien als Wellness.» Er sagt, bei vielen leidenden Menschen überlagerten sich mehrere Probleme und das könne man nicht rasch beheben. «Leute, die beispielsweise ständig Streit haben mit dem Arbeitgeber, die sich nicht an Regeln halten können oder Mühe haben im Umgang mit sich selber, die muss man in einer langen Beziehung durchtragen. Dann erfahren sie: Der Therapeut steht zu mir, auch wenn ich wieder Mist baue.» Eine solche Beziehung aufzubauen, brauche Zeit.
Heilung braucht Zeit
Auch andere Fachleute bezeichnen Brunners Vorlage als realitätsfremd. Wolfgang Roell, Psychoanalytiker in Zürich, findet sie «extrem schlecht». Jede Behandlung, die den Charakter eines Menschen betreffe, könne nicht in kurzer Zeit abgeschlossen sein - «unmöglich», sagt er. Roell erzählt von einem Klienten, der jahrelang erfolgreich war; er hat «im Beruf alles gemacht», bricht dann zusammen, wird suizidal und kommt in die Klinik. «Nach der Entlassung braucht ein solcher Mensch eine neue innere Justierung. Bis er am Punkt ist, wo er erkennt, dass er nicht permanent gegen seine Grenzen ankämpfen kann, dass er sie akzeptieren muss, vergehen viele Sitzungsstunden. Sehr viele.»
Die Branche ist allerdings gespalten. Manche Therapeuten sehen in ihrem Tun etwas, «das mit einer Heilmethode im medizinischen Sinn ohnehin nichts zu tun hat. Die Psychoanalyse unterminiert die Abgrenzung zwischen gesund und krank, statt sie als Bezugssystem vorauszusetzen», sagt Peter Schneider, Psychoanalytiker in Zürich. Sie diene der Erforschung, der Aufdeckung der eigenen Geschichte. Schneider hält deshalb das ganze Berichterstattungswesen für verlogen. «Kein Therapeut kann wissen, wie sich sein Klient entwickeln wird. Darum ist jeder Bericht an den Vertrauensarzt der Krankenkasse, der Prognosen enthält, eine Lüge - und dass viele Therapeuten auch sich selber belügen, indem sie den Bericht glauben, macht es nicht besser.»
Schneider schlägt vor, die Psyche «ausserhalb der Krankenkasse wie etwa den Hausrat zu versichern». Bei Bedarf an einer Psychoanalyse würde der Versicherungsbetrag pauschal abgerufen. Die Idee sei «originell», sagen Kollegen von ihm, aber auch weit entfernt von der aktuellen Debatte.
Hans Heinrich Brunner, der nie eine Psychotherapie gemacht hat, wie er sagt, weil «ich nicht gewusst hätte, wieso», betrachtet die Psychotherapie «pragmatisch»: Sie sei ein Heilmittel wie ein Medikament auch.

Samstag, 1. April 2006

baselstädtischer Regierungsrat zu Sesam

Der Regierungsrat BS hat Stellung genommen zur Interpellation Alder Finzen. Darin deklariert er auf knapp sieben Seiten (.pdf-Dokument) seine Haltung zu diesem Forschungsprojekt. Ausschnitt:
Der Regierungsrat begrüsst, dass es der Universität gelungen ist, diesen bedeutenden nationalen Forschungsschwerpunkt zu errichten. Bezüglich der öffentlich umstrittenen Dimensionen des Projekts vertraut der Regierungsrat auf die internen Kontrollmechanismen der Universität einerseits und der prüfenden Instanzen auf nationaler Ebene andererseits. (...) Das Projekt SESAM ist auf besseres Erkennen und Verstehen dieser Phänomene ausgerichtet. Es geht bei SESAM nicht um einen manipulativen Eingriff bei ungeborenen oder geborenen Menschen mittels Gentechnologie, auch nicht um Gentests, wie dies in Teilen der Öffentlichkeit offensichtlich vermutet wird. Die Verantwortung über das Projekt liegt bei der Universität und den entsprechenden akademischen und ethischen Instanzen. Der Regierungsrat sieht keinen Anlass, im Rahmen seiner politischen Oberaufsicht die bisher gefallenen Entscheide in Frage zu stellen.

Samstag, 25. März 2006

Sesam und "Woche des Gehirns"

Heute in der baz über die "Woche des Gehirns":

Jeweils um 19.30 beginnend, wird im Grossen Hörsaal des Zentrums für Lehre und Forschung an der Hebelstrasse 20 von Montag bis Freitag ein Panorama der Sinne gezeichnet, die uns im täglichen Leben begleiten. «Wie kommt Schall ins Gehirn» macht am Montag den Anfang. Da geht es um gutes Hören und dessen Erforschung. Am Dienstag ist die Nase vorn und geht es in einem moderierten Dreier-Gespräch um Rosen oder vielleicht gar um Bier, denn die Feldschlösschen-Sensorikerin Katharina Bitterli ist angesagt. Am Mittwoch ist das Auge und dessen Entwicklung im Fokus, mit dem bekannten Basler Entwicklungsbiologen Walter Gehring am Start. Am Donnerstag geht es um die guten und schlechten Seiten des Schmerzes und am Freitag um gute Gefühle. Da wird der Novartis-Forscher Hans-Rudolf Olpe über das Gehirn als Schauplatz der Emotionen berichten und Jürgen Margraf die Gelegenheit nutzen, den Zusammenhang zwischen positiven Emotionen und dem «sesam»-Projekt zu erklären.

(...)

Freitag, 31. März: «Was gute Gefühle in uns bewirken». Mit PD Hans-Rudolf Olpe, Dr. Dominik Bach und Prof. Jürgen Margraf.

Freitag, 24. März 2006

Interpellation Alder Finzen zu Sesam

Interpellation von Beatrice Alder Finzen vom 15. März 2006 im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt:

Sesam ist ein Projekt, das über die Ursachen psychischer Krankheiten Aufschluss geben soll. Dazu soll die Entwicklung von 3000 Kindern und deren Familien über einen Zeitraum von 20 Jahren wissenschaftlich begleitet werden. Alle Details hier aufzuführen, würde zu weit führen. Wohl wissend um die Autonomie der Universität bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen.
1. Wie ist seine generelle Meinung zu diesem Projekt?
2. Teilt der Regierungsrat meine Meinung, dass, da sich die Uni bei aller Autonomie nicht im gesellschaftlichen Vakuum und rechtsfreien Raum bewegen kann, in diesem Fall die öffentliche Diskussion unabdingbar ist?
3. Wie kann diese gestaltet werden?
4. Wie können deren Ergebnisse in das Projekt einfliessen?
5. Wie kann garantiert werden, dass die öffentliche Kontrolle gewisser Standards wie Datenschutz, Autonomie der betroffenen Eltern und v.a. der minderjährigen Probandinnen und Probanden gewahrt wird?
6. Wie wird die Öffentlichkeit über den Verlauf des Projekts und allf. auftauchende Schwierigkeiten informiert?
7. Steht der Regierungsrat mit den Regierungen der anderen beteiligten Universitäten Bern, Lausanne, Genf im austauschenden Kontakt über diese und weitere Fragen?
Beatrice Alder Finzen
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

Grundsätze



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