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Aargauer Zeitung: "Margraf...
Bis vor einigen Monaten war unklar, ob Jürgen Margraf...
sesaminput - 21. Nov, 10:21
Geht Margraf doch nicht...
Jürgen Margraf habe sich noch nicht endgültig festgelegt,...
sesaminput - 21. Nov, 10:18
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sesaminput - 16. Okt, 13:32
"Sesam" heisst auf Englisch...
Was in der Schweiz mit 3'000 Kindern scheiterte, soll...
sesaminput - 9. Jul, 08:26

Hinweis

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Medienreaktionen

Dienstag, 20. März 2007

"Die Zeit" über Sesam

Am 15.3., vor der Publikation des EKBB-Entscheides, berichtete in der "Zeit" Lukas Leicht ausführlich über das Projekt Sesam unter dem Titel "Die Reifeprüfung":
Schweizer Forscher wollen 20 Jahre lang die psychische Entwicklung von 3000 Kindern verfolgen. Die Pläne stoßen auf erbitterten Widerstand.

Der Psychologe Jürgen Margraf hat sich zurückgezogen. Nachdem sein Projekt Sesam – eine Studie mit 3000 Kindern – in den vergangenen zwei Jahren auf massive Kritik gestoßen ist, lässt er sich in der Öffentlichkeit lieber von Kollegen vertreten. Der großgewachsene Ordinarius für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Basel und Direktor von Sesam hat einsehen müssen, dass sein selbstsicheres Auftreten polarisiert. Das ist in der heiklen Phase, in der sich das Projekt zurzeit befindet, das Letzte, was sich die Initiatoren wünschen. Im Moment beugen sich die Experten der Basler Ethikkommission über die umstrittenen Pläne und entscheiden, ob überhaupt und wie die Untersuchung durchgeführt werden darf.

Es steht viel auf dem Spiel. Die Schweizer Forschungsförderungsinstitutionen haben die Studie als sogenannten nationalen Forschungsschwerpunkt bewilligt und für die ersten vier Jahre mit mehr als zehn Millionen Franken ausgestattet. Der Schweizerische Nationalfonds in Bern befand, dass es sich um ein einzigartiges Vorhaben handle, mit dem mehr über die Ursachen einer gesunden psychischen Entwicklung herauszufinden sei.

Die Zahl der Menschen, die unter Angststörungen und Depressionen leiden, steige rapide, sagt Margraf. Das Projekt solle zeigen, welche psychologischen, sozialen und biologisch-genetischen Faktoren bei der Entstehung dieser Störungen mitwirken. Geplant ist dazu eine zwei Jahrzehnte dauernde Studie mit 3000 Kindern. Sie sollen von der 20. Schwangerschaftswoche an bis zum 20. Lebensjahr regelmäßig untersucht werden. Psychologen, Frauenärzte, Kinderärzte, Genetiker, Psychiater und Soziologen arbeiten in einem vernetzten Team an verschiedenen Kliniken und Instituten an der Ursachenforschung.

Neben den Kindern werden auch Eltern und Großeltern in die Studie einbezogen. Insgesamt, so rechnet Margraf vor, sollen die Daten von 10000 bis 20000 Menschen erfasst und analysiert werden. »Die Schweiz«, so heißt es im Projektantrag, »bietet aufgrund der geringen Mobilität der Wohnbevölkerung und der systematischen pränatalen Diagnostik ideale Voraussetzungen für die Studie.« Als wohlklingenden Namen konstruierten die Initiatoren das Akronym Sesam, es steht für Swiss etiological Study of Adjustment and Mental Health. Dem Basler Pharmagiganten Roche war das Projekt eine Spende von sechs Millionen Franken wert.

Bis jetzt ist das ambitionierte Vorhaben über die Planung jedoch nicht hinausgekommen. »Wir haben die Komplexität völlig unterschätzt«, sagt Margrafs Stellvertreter Alexander Grob. Ein von Rechtsprofessor Rainer Schweizer ausgeführtes Gutachten zeigt, was damit gemeint ist: Auf 56 Seiten listet er akribisch die juristischen Probleme auf, die sich mit der Studie auftun. Viele davon haben mit dem Schweizer Föderalismus zu tun. Er erschwert es, eine nationale Studie in verschiedenen Kantonen durchzuführen. Zudem aber wirft Sesam grundsätzliche Fragen auf, mit denen sich Juristen und Ethiker weltweit herumschlagen: Es geht um die Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen, die Problematik genetischer Untersuchungen und den Datenschutz.

Dürfen Eltern bestimmen, ob ihr Kind zum Versuchskaninchen wird?

Unter Juristen umstritten ist, was den Initiatoren selbstverständlich erschien: dass Eltern das Recht haben, stellvertretend für ihre noch ungeborenen Kinder eine Teilnahme an der Studie zu bewilligen. Aus dem Gebot der Menschenwürde und dem Selbstbestimmungsrecht ergäben sich klare Einschränkungen, argumentiert etwa der Basler Rechtsphilosoph und Strafrechtler Kurt Seelmann. Entscheidend sei, ob die Betroffenen einen direkten Nutzen von den Untersuchungen hätten oder nicht. Fehle ein persönlicher Nutzen, dann werde es schwierig, die Teilnahme zu rechtfertigen. Andere Experten wie der Bioethiker Giovanni Maio von der Universität Freiburg argumentieren weniger restriktiv und gestehen den Eltern das Entscheidungsrecht auch für die fremdnützige Forschung zu. Weil in der Schweiz einschlägige Gesetze bislang fehlen, gibt es einen breiten rechtlichen Interpretationsspielraum.

Eine allgemeine Orientierung vermittelt das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates. Es erlaubt die Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen unter zwei Bedingungen: wenn die Ergebnisse von allgemeinem Nutzen für Personen sind, die an der gleichen Krankheit leiden, und wenn die Risiken minimal sind. Die Schweiz hat diese Konvention zwar unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert.

Deutschland hat sie noch nicht einmal unterzeichnet. Ohnehin wäre eine Massenuntersuchung wie Sesam in Deutschland aus historischen Gründen noch schwieriger durchzusetzen, sagen Rechtsgelehrte übereinstimmend. Ins Bild passt, dass eine ähnliche Longitudinal-Studie in Großbritannien läuft, einem Land, das der Bio- und Genforschung gegenüber traditionell weniger kritisch eingestellt ist. In der Avon Longitudinal Study of Parents and Children (Alspac) werden 14000 Kinder seit den neunziger Jahren untersucht.

Greifen die Ärzte bei Störungen ein, verändern sie das Ergebnis der Studie

Nicht nur die Juristen, auch die Forscher stecken in einer Zwickmühle. Gestehen sie den Teilnehmenden einen Nutzen zu, indem sie etwa sehr früh bei sich abzeichnenden medizinischen Problemen intervenieren, schmälern sie durch diesen Eingriff den Erkenntnisgewinn. Die Fallstudien gingen den Forschern verloren. Die Sesam-Erfinder äußern sich zweideutig: Während Jürgen Margraf bereits versprochen hat, dass die Familien über wichtige Forschungsergebnisse informiert würden, was einen »unmittelbaren, individuellen« Eigennutzen darstelle, erklärte Alexander Grob vor Kurzem anlässlich einer Podiumsdiskussion, es gebe keinen direkten Nutzen. Man betreibe Grundlagenforschung. Einen Vorteil aber hätten alle Versuchspersonen: Schon die Teilnahme werde zu einer Sensibilisierung führen und das Bewusstsein für eine gesunde Entwicklung schärfen.

Im Rahmen der Schwangerschaftskontrollen sollen Frauen in der zwölften Woche in den Kliniken auf das Projekt hingewiesen und zur Teilnahme motiviert werden. Die Forscher verteilen Fragebögen und verwerten die Daten der Routine-Ultraschalluntersuchungen (Herzrhythmus, Bewegungsverhalten). Später werden sie Blut- und Speichelproben nehmen, um unter anderem die Konzentration von Stresshormonen zu messen. So möchten die Forscher klären, ob und wie sich Stress der Mutter bereits pränatal auf die Entwicklung des Kindes auswirkt.

Eine Speichelprobe bei der Geburt soll Auskunft über die DNA der Kinder geben. Gesucht wird nach »genetischen Merkmalen«, in denen sich gesunde und kranke Teilnehmer unterscheiden. Der Datenschutz, versichern die Forscher, sei dabei gewährleistet: Die Studien würden nur Gruppen in den Blick nehmen und keine Individuen. Andreas Papassotiropoulos, der die Genanalyse leiten soll, hat sich mit der Identifizierung von Genen einen Namen gemacht, die bei komplexen biologischen Vorgängen mitwirken.Jüngstes Beispiel ist ein Gen, das in den »gedächtnisrelevanten Regionen« des Gehirns aktiv ist. Aufgrund der Analyse Hunderttausender von Varianten (Polymorphismen) aus einer größeren Gruppe von Menschen und der Korrelation mit ihren Gedächtnisleistungen konnte Papassotiropoulos es identifizieren. Man kann davon ausgehen, dass der Genetiker ähnliche Studien für Sesam plant.

Die Erhebung genetischer Daten ist wohl der kritischste Punkt des Projektes, auch wenn die Studienleiter wiederholt erklärten, man werde die Daten so kodieren, dass Rückschlüsse auf einzelne Teilnehmer unmöglich seien. Allerdings müssen die genetischen Daten der Kinder mit der Beobachtung ihrer Entwicklung verknüpft werden können. Dies lässt sich zwar anonymisiert bewerkstelligen, doch im Zweifel sind genetische Befunde immer auf ein Individuum zurückführbar. Und sollten die Forscher auf interessante Gene oder Varianten stoßen, dann dürfte ihr Interesse groß sein, mehr darüber zu erfahren.

Die in zwölf Teilstudien erhobenen Befunde sollen langfristig gespeichert werden und auch für spätere Untersuchungen oder Kontrollen zur Verfügung stehen. Wie der Jurist Rainer Schweizer betont, hänge der Wert des Projekts von der Verknüpfung der einzelnen Datensätze ab – und die erfolgt über die Versuchsperson. Wie aber kann man die Probanden von einer Weiterverwendung der Daten schützen, vor der Neugierde von Versicherern, Arbeitgebern oder Strafverfolgungsbehörden?

Bei den Verantwortlichen von Sesam gibt man sich trotz der offenen Fragen zuversichtlich, noch in diesem Frühsommer mit der Rekrutierung von Schwangeren beginnen zu können. Der Druck ist groß. Die Geldgeber haben bereits wissen lassen, dass sie nicht mehr bereit seien, das Projekt nach zwei ergebnislosen Jahren weiter zu finanzieren, sollten sich weitere Verzögerungen abzeichnen.

Die Gegner des Projekts, unter anderem organisiert im »Basler Appell gegen Gentechnologie«, bereiten juristische Schritte vor, sollte die Ethikkommission das Vorhaben zulassen. Die Organisation hat bereits 12000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. Dass die Ethikexperten die Großstudie ohne Auflagen genehmigen, ist ohnehin nicht wahrscheinlich. Die entscheidende Frage für die Forscher ist, wie groß die Einschränkungen sein werden. Jürgen Margraf schweigt derweil. Auch bei der letzten öffentlichen Podiumsdiskussion vor wenigen Wochen musste sein Stellvertreter in den Ring.

Dienstag, 23. Januar 2007

NZZ heute über sesam: "Verzögerungen und Unsicherheiten..."

In der Neue Zürcher Zeitung heute auf Seite 13:

Warten auf «Sesam»

Verzögerungen und Unsicherheiten bei Forschungsprojekt zur psychischen Entwicklung von Kindern

Der Forschungsschwerpunkt «Sesam» an der Universität Basel, der die psychische Entwicklung untersucht, erfährt Verzögerungen. Zu juristischen Problemen kommen solche der Kommunikation hinzu.

hof. Versprochen hatte der Schweizerische Nationalfonds bei der Ankündigung des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Sesam» vor gut einem Jahr «Forschung von höchster Qualität auf internationalem Spitzenniveau». Der Nationalfonds lässt sich das gelobte Projekt einiges kosten: 10, 2 Millionen Franken trägt er an die Gesamtkosten der ersten Projektphase bis 2009 von 22,8 Millionen Franken bei. Die Forscher von «Sesam» (Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health) wollen 3000 Kinder ab der zwölften Schwangerschaftswoche und ihre Familien während eines Zeitraums von 20 Jahren begleiten. Derart wollen sie ergründen, was die Verschiedenartigkeit individueller psychischer Entwicklung ausmacht. Man erhofft sich davon etwa Resultate für die Depressionsforschung. Angesiedelt ist «Sesam» an der Universität Basel. Angesichts der Eigenwerbung und der Höhe des mit Steuergeldern alimentierten Budgets müsste man annehmen, dass die Verantwortlichen möglichst umfassend über den Stand der Dinge informieren.

Verwirrliche Kommunikation

Doch es macht den Anschein, dass man die Konflikte, die rund um «Sesam» entstanden sind, auf den Raum Basel beschränkt wissen möchte. So informierten zwar am vergangenen Donnerstag die Projektleitung und der Präsident des Nationalen Forschungsrates, Dieter Imboden, über ein von «Sesam» eingeholtes Rechtsgutachten, das insbesondere zur Frage der juristischen Zulässigkeit von Forschung an Kindern Stellung nimmt. Man lud zu einem ersten Teil der mehrstündigen Veranstaltung einige Basler Politiker ein, die in der Vergangenheit Kritik an «Sesam» geäussert hatten, darunter etwa die Ständerätin Anita Fetz, und zu einem zweiten Teil Vertreter der lokalen Presse und einen Wissenschaftsredaktor von Radio DRS. Dem Vernehmen nach bestand die ursprüngliche Idee darin, breit zu informieren, also auch die nationale Presse beizuziehen und eine Pressemitteilung zu verschicken; dies auch als Reaktion auf den von verschiedener Seite - unter anderem von der SP Basel-Stadt - vorgebrachten Vorwurf, die Projektverantwortlichen verhielten sich in der Sache «Sesam» zu wenig transparent. Doch schliesslich entschied man sich, das Rechtsgutachten einem kleinen Kreise vorzustellen.

Unklare Zuständigkeiten

Dieter Imboden zeigt Verständnis für dieses Vorgehen. «Sesam» befinde sich in einer schwierigen Situation, sagt er auf Anfrage. Das Projekt werde angegriffen und müsse sich inhaltlich verteidigen. Gleichzeitig werfe man den Verantwortlichen Intransparenz vor. Diese «enorme Dynamik» hätten alle Beteiligte von Beginn an unterschätzt. In der Tat hatte sich der Widerstand bereits vor dem offiziellen Start von «Sesam» (Februar 2006) formiert. Die fundamentale Kritik des Projekts erfolgt seit 2005 in regelmässigen Abständen vor allem von Seiten des «Basler Appells gegen Gentechnologie», der die Zulässigkeit der Forschung an Kindern grundsätzlich in Frage stellt. Der Basler Appell hatte im vergangenen März der Ethikkommission beider Basel (EKBB) gar eine von rund 12 000 Personen unterschriebene Petition übergeben. Darin wird die EKBB, die zurzeit das Forschungsprojekt begutachtet, aufgefordert, «Sesam» nicht zu bewilligen. Und die SP Basel- Stadt, die sich zwar in einem Positionspapier nicht grundsätzlich gegen «Sesam» stellt, verlangt, dass «keine öffentlichen Gelder ausgegeben werden, bevor das Projekt von der zuständigen Ethikkommission bewilligt worden ist».

Damit treffen die baselstädtischen Sozialdemokraten einen wunden Punkt, dem sich auch das Rechtsgutachten widmet, das vom renommierten St. Galler Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer verfasst wurde. Gemäss der Rechtsschrift, in die die NZZ inzwischen auch Einsicht nehmen durfte (veröffentlicht wurde sie bisher nicht), ist die Zuständigkeit der EKBB aus juristischer Sicht nicht genügend, da nur medizinische, nicht aber psychologische Forschungsprojekte in deren Aufgabenbereich fallen. Bei der Entscheidung der EKBB über das «Sesam»-Projekt könne es sich also rechtlich nicht um eine verbindliche Verfügung handeln, sondern nur um eine beratende Empfehlung.

Weitere Zeit verstreicht

Die «Sesam»-Verantwortlichen haben jedoch mehrmals die Absicht bekundet, sich dem Entscheid der EKBB zu fügen. «Sesam» habe sich verpflichtet, den Auflagen und Bedingungen der Ethikkommission nachzukommen, sagt Daniel Habegger, Sprecher von «Sesam». Auch Forschungsratspräsident Imboden bekräftigt dies. Bis die EKBB ihr Gutachten verfasst hat, werden noch einige Wochen vergehen. «Sesam» wollte bereits Ende vergangenen Jahres mit der eigentlichen Forschungsarbeit beginnen. Habegger rechnet nun damit, dass mit der Rekrutierung von Probandinnen (schwangeren Frauen) im Frühsommer gestartet werden könne. Laut Hans Kummer, EKBB-Präsident, sei innerhalb der Ethikkommission eine Task-Force gebildet worden, die sich mit dem sehr komplexen Forschungsprojekt befasse. Eine erste Stellungnahme habe «Sesam» Ende November erhalten. Man habe zu einzelnen Punkten weitere Angaben verlangt. Nun sei man im Gespräch.

Wie lange hat der Nationalfonds Geduld?

Die Verzögerungen von «Sesam» sind für den Nationalfonds nicht unproblematisch. Für die Mitarbeiter von «Sesam», darunter Wissenschafter, die unter Publikationsdruck stehen, sei es nicht erfreulich, wenn sie lange auf den Beginn der Arbeit mit den Probandinnen warten müssten, sagt Forschungsratspräsident Imboden. Zurzeit sei er zwar zuversichtlich, doch wenn sich «Sesam» noch weiter hinauszögern würde, sähe sich der Nationalfonds veranlasst, über die Bücher zu gehen. Man müsse aber berücksichtigen, dass «Sesam» in Bezug auf Umfang und Inhalt für Schweizer Verhältnisse bisher einzigartig sei. Erfahrungen mit solchen Projekten fehlten; die juristische Sachlage sei nicht restlos klar. Deshalb sei mit Schwierigkeiten zu rechnen. Imboden erinnert an den Freisetzungsversuch der ETH Zürich mit gentechnisch veränderten Pflanzen; dieser musste bis zur Durchführung ein jahrelanges Bewilligungsverfahren durchlaufen.

Montag, 19. Juni 2006

Sesam in der FAZ am Sonntag

Sabine Löhr schrieb gestern in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über Sesam:

Die beste aller Welten für das Kind

„Steh auf!“ „Ich kann nicht.“ - „Geh einfach mal raus!“ „Ich kann nicht.“-“Hör auf zu heulen!“ „Ich kann nicht.“ - „Zieh dich an!“ „Ich kann nicht.“ - „Stell dich nicht so an!“ „Tu ich nicht.“ (Extrem daneben auch: „Lach doch mal!“)

Wenn das Leben bloß so einfach wäre, wie sich Menschen ohne Depression das vorstellen. Man versteckt sich nicht aus Koketterie hinter diesem dunklen Vorhang, um irgendwann fröhlich wieder hervorzuspringen. Depression ist trotz Brooke Shields oder Sebastian Deisler immer noch tabuisiert, Angststörungen werden als seelische Wehwehchen diffamiert. Die Folgen der psychischen Erkrankung sind aber gravierend: Bis zu 70 Prozent der Depressionsgeplagten leiden unter Selbstmordgedanken, traurige 30 Prozent versuchen sich an der Umsetzung. Psychische Störungen werden laut WHO bis 2020 zweithäufigster Grund vorzeitiger Sterblichkeit und massiver Lebensbeeinträchtigung sein. Vielleicht ein Grund, warum Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Bekämpfung von depressiven Erkrankungen als nationales Gesundheitsziel ausgerufen hat.

„Sesam“

Einen echten Schritt in diese Richtung will aber die Schweiz gehen. Sie finanziert als nationalen Forschungsschwerpunkt das Großprojekt „Sesam“ (“Swiss etiological study of adjustment and mental health“). Diese über 20 Jahre geplante Dreigenerationenstudie will an 3000 Familien untersuchen, wie das Zusammenwirken unterschiedlicher sozialer, psychologischer, biologischer und genetischer Faktoren die Gesundheit der Psyche beeinflußt.

Fortsetzung: siehe Kommentar

Dienstag, 25. April 2006

Sesam auf DRS3 in der Sendung Input

Sonntag, 30. April, 20:03 - 21:00, DRS3

3000 Kinder unter Beobachtung

Das Nationale Forschungsprogramm SESAM will die «die seelische Gesundheit» unserer Gesellschaft durchleuchten. 3000 Kinder sollen über die nächsten 20 Jahre von der 12. Schwangerschaftswoche bis ins Teenageralter begleitet und beobachtet werden, ebenso ihre Eltern und Grosseltern. SESAM will so jene Faktoren finden, die im Leben zu einer psychischen Erkrankung führen können. Gegen dieses Grossprojekt mit Kindern formiert sich heftiger Widerstand. «Input» nimmt SESAM unter die Lupe und beleuchtet die aufkeimende Kontroverse. Eine Sendung von Christian Heuss

Sonntag, 26. Februar 2006

Sesam Medienspiegel II

baz, 22.2.06, Tageskommentar von Stefan Stöcklin

So ist «sesam» in Gefahr

Der Rektor der Universität Basel setzt sich mit dem ganzen Gewicht seines Amtes für den Nationalen Forschungsschwerpunkt «sesam» ein. Er vergibt über zwei Millionen Franken seiner finanziell darbenden Universität an das Projekt, er holt Roche als Sponsor an Bord. Und er nimmt das Projekt gegen Angriffe in Schutz mit der Bemerkung, die Universität habe ein hohes ethisches Bewusstsein.
Gerade was die Ethik betrifft, so hat das ambitiöse Forschungsprojekt bis jetzt nicht mit Bestnoten geglänzt. Stattdessen hatte man den Eindruck, die Verantwortlichen versuchten den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Seit gestern ist wenigstens klar, dass das Forschungsvorhaben von den kantonalen Ethikkommissionen begutachtet wird, wobei der hiesigen Ethikkommission EKBB eine koordinierende Rolle zukommen dürfte. Die Fachleute bieten Gewähr, dass das Projekt regelkonform durchgeführt werden wird. Diese Begutachtung ist noch nicht erfolgt, sie findet in den kommmenden Monaten statt. Ob «sesam» im Herbst also richtig starten kann, wird sich erst noch zeigen müssen.
Man kann den Verantwortlichen nur raten, in Zukunft besser zu informieren. Ein Grund für das latente Misstrauen gegenüber «sesam» hat mit der widersprüchlichen Informationspolitik zu tun. So ist es im Moment für Aussenstehende unmöglich, sich über die genauen Inhalte des Projektes ein klares Bild zu machen. Die neue Homepage ist nicht sehr vielsagend. Intransparenz aber gibt Kritikern Auftrieb.
So kommt das Projekt vielleicht nie richtig in Fahrt. Und Rektor Gäbler verlöre nicht nur den guten Ruf - auch die Universität trüge ihren Schaden davon.

Freitag, 24. Februar 2006

Sesams "dreiste Behauptung"

Leserbrief heute in der baz in Reaktion auf die Berichterstattung der Zeitung über die Medienkonferenz von Sesam am Dienstag:

«Wir wissen wenig über die Ursachen psychischer Gesundheit und Krankheit bei Kindern.» Diese, wie mir scheint, dreiste Behauptung des Psychotherapie-Professors Margraf bildet den Anlass für die Forschungs-Lawine, die in den nächsten 20 Jahren über 3000 Familien hereinbrechen wird. Dabei können wir uns glücklich schätzen, im Besitz des Vermächtnisses von Sigmund Freud und der nachfolgenden Generation von (Kinder)-Analytikerinnen und Analytikern zu sein (A. Freud, M. Klein, D.W. Winnicott und neuere Säuglingsbeobachtungen von D. Stern bis hin zu den Studien zur Triangulation von D. Bürgin et al. an der hiesigen Universität). Alle haben sie sich wissenschaftlich mit der psychischen Entwicklung des Menschen und mit Fragen zu Krankheit und Gesundheit auseinander gesetzt. Dieses über Jahrzehnte gewachsene Wissen bildet den theoretischen Fundus, aus dem im therapeutischen Alltag, sei es bei Kindern oder Erwachsenen, auch heute noch geschöpft wird. Wohlweislich haben bisherige Forschungsansätze, sofern sie sich auf die Psyche eingelassen haben, von der Erfassung biologischer Messdaten abgesehen. Die offensichtliche Überfrachtung der Studie mit physiologischen Parametern wird nichts als Forschungsgelder für die nächsten Jahrzehnte absorbieren, und die Tür zu «sesam» wird sich definitiv verschliessen.

Dr. med. Mark Fellmann, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Basel

Mittwoch, 22. Februar 2006

Sesam Medienspiegel I

grob gäbler imboden margraf
Bild aus der bz (basellandschaftliche Zeitung) von heute. Legende: "Die 'Väter'. Sie sind stolz auf Sesam (v.l.): Alexander Grob (stellv. Leiter), Ulrich Gäbler (Uni-Rektor), Dieter Imboden (Präsident des Nationalen Forschungsrates), Jürgen Margraf (Leiter)."
Dabei gedacht: Polemisch wär jetzt, zu fragen, ob wohl wirklich irgendjemand diesen sympathischen Herren und ihren engagierten Untergebenen sich, die nächsten Verwandten und das Kind für die kommenden 20 Jahre zur Verfügung stellen will?


Die Südostschweiz: Langzeitstudie mit 3000 Familien geplant
Neue Luzerner Zeitung: Forschung zur Psychologie - 3000 Familien über 20 Jahre beobachten
St. Galler Tagblatt: Umstrittene Forschung an Kindern
Basler Zeitung: Tür von «sesam» öffnet sich einen Spalt weit; Uni- und Nationalfonds-Verantwortliche kontern die Kritik am Basler Forschungsschwerpunkt
Basler Zeitung: tageskommentar: So ist «sesam» in Gefahr
Oltner Tagblatt / MLZ: Big Brother oder grosse Chance?
Aargauer Zeitung / MLZ: Big Brother oder grosse Chance?
Der Landbote: Seelische Gesundheit erforschen
Neue Zürcher Zeitung: Sesam geöffnet; Studie über psychische Erkrankungen kann Ende dieses Jahres starten
Tages-Anzeiger - online: 20-Jahre-Studie über Familien
Der Bund: Umstrittene Studie an Kindern; Während 20 Jahren soll das Forschungsprojekt Sesam ausleuchten, wie psychische Erkrankungen entstehen
Schweizerische Depeschenagentur: Nationaler Forschungsschwerpunkt über psychische Gesundheit - 3000 Familien während 20 Jahren beobachten - heikle Gen-Teilstudien

Dienstag, 21. Februar 2006

Sesam Medienkonferenz heute Morgen

imboden gäbler margraf
Knapp erkennbar im Hintergrund, von links nach rechts: Die Herren Imboden, Gäbler und Margraf... deutlich sichtbar im Vordergrund: der kulinarische Charme der Veranstaltung. Erinnerte an Kindergartenweihnacht. Die Fachleute meinten: "Thematisch stimmig, aber etwas gar sehr verspätet." Die Gerüchteküche brodelt: Ein versteckter Hinweis auf Verzögerungen im Gesamtprojekt? Wir bleiben dran!

Das Interesse war überaus gross. Im Regenzzimmer der Uni Basel sassen zwischen 10 und 20 MedienvertreterInnen. Von "Bund" bis "baz", Regionaljournal usw. Die Qualität der Vorträge bewegte sich im erwartbaren Rahmen. Die Fragen der Medien liessen eine gewisse Skepsis durchscheinen. Mehr zu Sesam demnächst in Ihrem Radio und in Ihrer Zeitung innert der kommenden 24 Stunden. Nach einer ersten Durchsicht der abgegebenen Unterlagen (und der Website) am bemerkenswertesten: Es scheint etwas voresehen, das "Bürgerausschuss" heissen soll. Dessen Zweck: "Der Bürgerausschuss diskutiert den Forschungsschwerpunkt aus der Sicht von Bürgern und Bürgerinnen." Mehr erzählten die Vortragenden auch an der Medienkonferenz darüber nicht.

Ein Transkript des Q&A-Teils der Veranstaltung, als die Medienschaffenden fragen durften und Imboden, Gäbler und Margraf nach Antworten suchten, ist in Arbeit. Kann aber noch ein paar Tage dauern.

Freitag, 17. Februar 2006

Basler Appell fordert: "«SESAM» sistieren statt durchdrücken"

Das heute veröffentlichte Communiqué im Wortlaut:

Am kommenden Dienstag soll das Nationalfonds-Projekt «SESAM» an der Uni Basel kräftig gefeiert werden. Doch weder die kantonale noch die nationale Ethikkommission haben dem Projekt bisher grünes Licht gegeben. Der Basler Appell gegen Gentechnologie fordert die Sistierung. Er hat in den vergangenen Monaten gegen «SESAM» tausende von Unterschriften für dieses Anliegen gesammelt.
Während morgen an der Uni Basel anlässlich der Inaugurationsfeier für das Projekt «SESAM» die Sektkorken knallen sollen, sind die ethisch heiklen Punkte der Studie noch immer von keiner unabhängigen Stelle begutachtet worden. Zudem ist das Humanforschungsgesetz (HFG), das Forschung wie «SESAM» regeln würde, erst in der Vernehmlassung. Somit werden noch Jahre ins Land ziehen, bevor klar ist, ob in der Schweiz die für «SESAM» zentrale «fremdnützige Forschung an Kindern» tatsächlich erlaubt wird. Die Situation ist grotesk und skandalös: Der Nationalfonds bewilligt ein Projekt, das Kinder bereits im vorgeburtlichen Alter als Forschungsobjekte heranzieht. Keine Ethikkommission erhielt im Vorfeld die Möglichkeit, Stellung zu beziehen und das Vorhaben gegebenenfalls zu verhindern.  Ein nationales Gesetz dazu existiert noch nicht. Und trotzdem fliessen die Nationalfonds-Millionen seit Oktober 2005. Auch der Pharmariese Roche zahlt sechs Millionen Franken und sichert sich das Recht, mitzureden. Weitere Beiträge aus der Wirtschaft sind zu erwarten.
Noch immer werden die zuständigen ExpertInnenkreise von der gesetzlich vorgeschriebenen Beurteilung des Projekts abgehalten. Der Öffentlichkeit ist es bis heute nicht möglich, Projektunterlagen einzusehen. Eine funktionsfähige Homepage zum Projekt existiert nicht. Trotzdem müssen in wenigen Monaten die Projektpersonen, also die schwangeren Frauen mit ihren ungeborenen Kindern, rekrutiert werden. Denn eine der wenigen scheinbar gesicherten Informationen, welche die Projektleitung bisher in Umlauf gebracht hat, ist das Datum des Untersuchungsbeginns: Ab dem 1. Oktober 2006 sollen die Ungeborenen beforscht und studiert werden.
Die nächste grosse Sitzung der Ethikkommission beider Basel (EKKB) ist für den 16. März vorgesehen. Im Vorfeld dieser Sitzung wird der Basler Appell gegen Gentechnologie der Kommission seine Petition übergeben. Gemeinsam mit mehreren tausend besorgten BürgerInnen fordert der Verein die EKKB auf, die ethisch fragwürdigen Teilprojekte von «SESAM» nicht zu bewilligen. Gleich anschliessend an die Übergabe wird der Basler Appell an einer Medienkonferenz über seine Kritik informieren. Details werden den Medien rechtzeitig bekannt gegeben.

Mittwoch, 8. Februar 2006

Gegendarstellung von Sesam in "Synapse"

In der Februarnummer der Synapse, der "Zeitung der Ärztinnen und Ärzte von Baselland und Baselstadt", ist unter dem Obertitel "Gegendarstellung" zu lesen:

Forschungsprojekt SESAM – eine Orientierung und einige kritische Gedanken
Im Forum-Artikel über den Nationalen Forschungsschwerpunktsesam (Synapse Nummer 8/2005, Seite 6) wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, dass der Autor Dr. P.Dreyfus ein Gespräch mit dem sesam-Leiter Prof.Dr. Jürgen Margraf geführt habe. Dies trifft nicht zu. Woher die Professor Margraf zugeschriebenen bzw. suggerierten Äusserungen stammen, ist unklar.
Der Autor irrt auch,wenn er Prof. J. Margraf als Leiter des Instituts für Psychologie der Universität Basel bezeichnet. Prof. J. Margraf leitet innerhalb der Fakultät für Psychologie die Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie.
Barbara Glättli-Dolanc, lic.phil., Kommunikation/Medien, sesam – Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health, Nationaler Forschungsschwerpunkt, Universität Basel


Wo, drängt sich allerdings die Frage auf, erweckt P. Dreyfus in seinem Artikel (zu finden auch hier) den Eindruck, er habe mit Margraf gesprochen? Er behauptet dies nirgends. Dreyfus bezieht sich sehr klar auf Aussagen der seit Ende Dezember ersatzlos offline geschalteten Website. Er schreibt explizit:

"Das lässt sich nachlesen unter http://www.psycho.unibas.ch/sesam"

Sich auf die Inhalte der (alten) Website zu beziehen und deren Aussagen Margraf, immerhin Leiter von sesam, in den Mund zu legen, mag etwas verkürzt sein, aber ist durchaus legitim. Seitens sesam als Verteidigungsstrategie Dreyfus etwas zu unterstellen, was er nie behauptet hat, ist bestenfalls schlechter Stil. Aehnlich schlechter Stil ist es, die Onlinedokumentation (die Website) von sesam einfach sang- und klanglos vollständig verschwinden zu lassen. Und nachher zu behaupten, es sei unklar, woher Dreyfus sein Material habe.
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Sesam Watch

Beobachtungen und Notizen zum Schweizer NCCR "Sesam", der 3'000 Kinder und ihr Umfeld vom ersten Ultraschallbild an 20 Jahre lang beobachten wollte (vorzeitiger Abbruch: 13.3.08). Autonom, skeptisch, ehrenamtlich. Kontakt: sesamwatch@gmail.com

Grundsätze



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